28. Februar 2003

Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi

Prof. Dr. Gerhard Michael Ambrosi (59) ist Hochschullehrer an der Universität Trier. In einem Gespräch mit dieser Zeitung gibt er Auskunft über seine siebenbürgische Herkunft, schildert die Aktivitäten der Universitätspartnerschaft Trier-Kronstadt und nennt wichtige Aufgaben, die den Siebenbürger Sachsen im zusammenwachsenden Europa zukommen.

Gerhard Michael Ambrosi ist Nachkomme einer traditionsreichen Familie aus Großprobstdorf bei Mediasch. Sein Großvater, Michael Ambrosi der Jüngere, war in den 1930er Jahren Bürgermeister in Mediasch. Der Urgroßvater, Michael Ambrosi der Ältere, gründete 1902 die Reb- und Baumschule "Ambrosi, Fischer und Co." in Straßburg am Mieresch (Aiud), die sich zum größten Unternehmen dieser Art in Siebenbürgen entwickelte, 1946 aber enteignet und als Staatsbetrieb weitergeführt wurde. Nach der Wende soll der Betrieb nun reprivatisiert werden. Die Erbengemeinschaft hat ihre Ansprüche fristgerecht angemeldet. Das rumänische Gesetz ist jedoch problematisch, da es eine Rückerstattung in natura nur dann zulässt, wenn die rumänische Staatsbürgerschaft nachgewiesen werden kann. Die Ambrosis können deshalb– wenn überhaupt – nur mit einer geldwerten Entschädigung rechnen, die weit unter dem ursprünglichen Vermögenswert liegt.

Das schwere Schicksal seiner Familie hat Gerhard Ambrosi keinesfalls verbittert, sondern vielmehr zu einem engagierten Mittler zwischen Ost und West gemacht. Er wurde 1943 in einem Bunker in Berlin geboren, seine Mutter - eine "Reichsdeutsche" - konnte bald danach mit dem Kind nach Siebenbürgen übersiedeln. So wuchs Ambrosi in Hermannstadt und Mühlbach auf. Die Familie machte die Schrecken jener Zeit durch: Sein junger Vater fiel im Krieg. Die Mutter konnte zwar nach Deutschland fliehen, überlebte aber nicht lange im Berlin der Nachkriegszeit. So blieb Ambrosi zunächst bei den enteigneten und als „Ausbeuter“ gebrandmarkten Verwandten in Siebenbürgen. Als Achtjähriger 1951 kam er mit einem der wenigen Rot-Kreuz-Transporte nach Westdeutschland, wo er bei Verwandten in Ravensburg und Berlin aufwuchs. Hier machte er das Abitur und studierte Wirtschaftswissenschaften.

Seine Entwurzelung wendete Ambrosi zum Positiven und verbrachte mehrere Jahre im Ausland - mit einem Schulstipendium in den USA, einem Studienaufenthalt in Südafrika in der Nähe seines mittlerweile dort gelandeten Onkels Dr. Hans Ambrosi und einem Nachdiplomstudium an der Universität Cambridge, England. Dann wirkte der Siebenbürger bei der Europäischen Kommission in Brüssel, bevor er eine akademische Laufbahn einschlug: Über die Universität Konstanz und die Freie Universität Berlin kam er schließlich zur Universität Trier und somit wieder in eines der Herkunftsgebiete der Siebenbürger Sachsen. Dort lehrt der siebenbürgische Wirtschaftswissenschaftler das Fach Europäische Wirtschaftspolitik.

Eine breite Palette an Verbindungen pflegt Ambrosi zu Siebenbürgen und Rumänien. Die erwähnten Privatisierungsangelegenheiten betreffen nicht nur Straßburg am Mieresch (Aiud), sondern auch Hermannstadt. Am Zibin hofft er, das vom Großvater "Michael dem Jüngeren" ererbte Haus einer öffentlichen Nutzung zuführen zu können. Den Gedanken europäischer Integration verfolgt Ambrosi im Rahmen von deutsch-rumänischer Hochschulkooperation. So hat er die Universitätspartnerschaft Trier-Kronstadt maßgebend mitgestaltet. Sie ging hervor aus Kontakten, die Anfang der 1990er Jahre Dr. Martin Fontanari, damals Doktorand an der Universität Trier und zurzeit Direktor des Europäischen Tourismus Instituts (ETI) in Trier, angeregt hatte. Eine förmliche Partnerschaft wurde 1994 mit der Universität Kronstadt besiegelt. Als Partnerschaftsbeauftragter legt Ambrosi seitdem großen Wert auf studentische Kontakte und organisierte – solange er Fördergelder auftreiben konnte – jedes Jahr studentische Studienreisen zwischen Kronstadt und Trier. Im Rahmen des ERASMUS Sokrates Programms kommen nun jährlich etwa zwei Studierende aus Kronstadt als Gaststudenten für ein Jahr nach Trier. Im Rahmen des TEMPUS-Programms weilten immer wieder auch Gastwissenschaftler aus Kronstadt in Trier.

Im Zuge dieser Kontakte entstand ein rumänisches Lehrbuch über "Strategisches Management", das Prof. Bogdan Bacanu 1997 in Bukarest veröffentlichte. In Kronstadt engagiert sich die Universität Trier neuerdings auch bei einem Masterprogramm zur Europäischen Integration. Im Rahmen eines ERP-Sonderprogramms studieren seit Oktober 1995 angehende Wirtschaftswissenschaftler aus Rumänien an der Universität Trier. So werden in diesem Studienjahr 15 rumänische Stipendiaten der Akademie für Wirtschaftswissenschaften (ASE) Bukarest, der Universität Jassy und der Babes-Bolyai-Universität Klausenburg von der Professur für Europäische Wirtschaftspolitik in Trier betreut. Ein Lehrprogramm zum Thema „Mikroökonomische Theorie“ übersetzten Ambrosi und seine Mitarbeiter im Rahmen des Erasmus-Minerva-Programms der Europäischen Union zusammen mit rumänischen Kollegen aus Kronstadt und Hermannstadt. Schließlich wirkt der Siebenbürger bei den Sommerkursen der "Black Sea University Foundation" in Mangalia mit, die vom früheren Bildungspolitiker Prof. Mircea Malitza ins Leben gerufen wurde. Die Kurse werden ermöglicht durch das personelle und finanzielle Engagement des Luxemburger IEIS – Instituts für Europäische und Internationale Studien – unter seinem Direktor Dr. Armand Clesse. Dabei werden Seminare für junge Studierende aus Rumänien und den angrenzenden Ländern mit vorwiegend tagesaktuellen Fragestellungen abgehalten. Für sein vielseitiges Engagement wurde Ambrosi 1996 der Titel eines Ehrenprofessors der Universität Kronstadt verliehen, seit 2002 ist er Ehrenbürger von Großprobstdorf.

Auf eine beeindruckende Persönlichkeit der Siebenbürger Sachsen wurde Ambrosi eher zufällig aufmerksam: Dr. Carl Wolff. Der Bundeskulturreferent der Landsmannschaft, Hans-Werner Schuster, hatte Ambrosi 1999 gebeten, einen Vortrag zu halten. Wolff sei nicht nur der "Raiffeisen Siebenbürgens", sondern habe als Einzelperson auch eine segensreiche Entwicklungspolitik für ganz Siebenbürgen betrieben, betont der Wirtschaftswissenschaftler.

Im heute zusammenwachsenden Europa stelle sich als wichtige Aufgabe, eine spezifische Kultur und Tradition wie die der Siebenbürger Sachsen der Nachwelt zu überliefern. Deshalb sei die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen eine sinnvolle Einrichtung. Der Verband „trägt viel an geistigem und kulturellem Erbe zusammen, das ohne diese Aktivitäten verloren gegangen wäre. Schließlich bietet sie einen ganz persönlichen Zusammenhalt für alle Siebenbürger.“ Den Bemühungen um ein siebenbürgisch-sächsisches Gemeinschaftsbewusstsein in Deutschland komme vorwiegend eine – in positivem Sinne – "museale" Bedeutung zu. „In ihrer 800-jährigen Geschichte haben die Siebenbürger Sachsen ein enorm reiches Erbe an kultureller und historischer Durchsetzungskraft zusammengetragen. Der Glanz dieses Erbes kann und soll so lange wie möglich auch auf die alten Stammlande der Siebenbürger Sachsen zurückstrahlen“, betont Ambrosi.

Zunehmend werde das auch in Luxemburg erkannt, das kulturell gesehen „sicher eines der wichtigsten Stammlande war“. So engagiere sich das Großherzogtum Luxemburg mit hervorragenden kulturellen Maßnahmen in Siebenbürgen, insbesondere in Hermannstadt. Für die Restaurierung des Hauses Nr. 16 am Kleinen Ring habe Luxemburg viele Millionen Euro gespendet. „Dadurch wird ein interessantes Baudenkmal Hermannstadts, das bisher in einem beklagenswerten Zustand des Verfalls war, gerettet“, erläutert Ambrosi. Luxemburg habe zudem einen „Kulturpfad“ durch Hermannstadt finanziert. Anhand von Schautafeln werden dabei markante Punkte des Hermannstädter Stadtbildes in rumänischer, deutscher, englischer und französischer Sprache erläutert. Hermannstadt gewinne damit wieder etwas zurück von seinen früheren gesamteuropäischen Bezügen. Und damit wird kulturelles Zusammenwachsen angeregt, das nach Ambrosis Überzeugung ganz wichtig ist bei der wirtschaftlichen und politischen Integration Europas.

Robert Sonnleitner / Siegbert Bruss


Interview mit Prof. Dr. Dr. hc Gerhard Michael Ambrosi

Schlagwörter: Porträt, Wissenschaft

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