13. Mai 2009

Hans Pomarius wurde 80: Sein Herz spielte immer mit

In seinen Rollen begeisterte der in Schäßburg geborene Schauspieler Hans Pomarius die Zuschauer an drei Bühnen. Die Theater in Temeswar und Hermannstadt prägte er mit.
„Guten Morgen , Herr Nathan!“ Er schaute sich ein wenig überrascht und verwirrt um, konnte aber niemand auf dem Spazierweg sehen. Das ältere Paar lächelte erwartungsvoll – und da verstand er, dass die Ehrerbietung ihm gegolten hatte. „Ja, guten Morgen – und danke“, entgegnete er und setzte seinen Weg um die Bamberger Altenburg festen Schrittes fort. Hans Pomarius lächelte in sich hinein und staunte, dass ihn die Theaterliebhaber auch etliche Jahre nach den „Nathan“-Auftritten im Frühjahr 1994 nicht vergessen haben.

Überhaupt sollte Gotthold Ephraim Lessings dramatisches Gedicht „Nathan der Weise“ wegweisend und gar mitbestimmend für die Wandlungen und Verwandlungen des Hans Pomarius auf der Bühne sein. In allen drei Hauptstationen seiner künstlerischen Laufbahn – Bamberg, in der Banater Metropole Temeswar und im siebenbürgischen Hermannstadt – stellte Lessings Appell zu Toleranz eine Bewährungsprobe seines Könnens dar: ob Nathan, Tempelherr oder Sultan Saladin – Pomarius hat bravourös die Rollen gemeistert.

Hans Pomarius in „Fuhrmann Henschel“ von Gerhart ...
Hans Pomarius in „Fuhrmann Henschel“ von Gerhart Hauptmann am Theater in Hermannstadt. Im Hintergrund seine Frau Luise Pelger (Pomarius).
Über seinen Nathan schrieb der Bamberger Rezensent: „Sein Fundament ist die Erfahrung einer dem Leid abgerungenen Weisheit.“ Genau das zeichnet ihn im Leben aus, das genug Momente des Leidens aufweist. Diese Wahlverwandtschaft zu Nathan, dem Belehrer, ist also keinesfalls angelesen oder applausheischende Pose auf der Bühne. Sie geht bis in die Jugendjahre zurück.

Hans Pomarius, geboren im siebenbürgischen Schäßburg, ist aus Überzeugung Lehrer geworden. Doch bald wollte das kommunistische System ihn als Teil ins Räderwerk der Lügen einspannen. Der Ausweg war 1960 die Flucht zum Theater, dem schon immer seine Leidenschaft gegolten hatte. Das ging aber nur im Banat und unter dem neuen Namen Baumert – der Eindeutschung von Pomarius. Das alles hatte seinen tieferen Grund. Der Vater war Fabrikant und einer der geistigen Führer der Siebenbürger Sachsen gewesen, wurde enteignet, eingekerkert und mundtot gemacht. Seine philosophischen Betrachtungen trug der verfolgte Vater im Kopf, und er trotzte dem Terror.

Erst in seiner zweiten Heimat, seit 1985 in Bamberg, konnte Hans Pomarius gemeinsam mit seiner Frau Luise (ebenfalls Schauspielerin) das geistige Erbe des Vaters als Buch sichern. Am Deutschen Staatstheater Temeswar (übrigens der einzigen eigenständigen Bühne außerhalb des deutschen Sprachraums) setzte Hans Pomarius zum Höhenflug an – ob Henrik Ibsens „Peer Gynt“ oder in Friedrich Schillers „Don Carlos“ als König Philipp II. der – wie die damaligen kommunistischen Machthaber – die Forderung „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ nicht ertragen konnte, ja selbst in den Pflichtstücken der rumänischen Autoren konnte Pomarius seinen Part anerkennend gestalten. Nichts schien mehr eine gefeierte Karriere verbauen zu können; sogar als künstlerischer Leiter des Theaters wurde er gehandelt und 1970 auf eine DDR-Rundreise geschickt, um entsprechende Erfahrungen zu sammeln. Doch unverhofft kam 1971 der Bruch.

Der neue Intendant Bruno Würtz, ein Anhänger der Kulturrevolution auf rumänische Art, wollte den parteilosen Hans Pomarius nicht nur bekehren, sondern auch als Informant missbrauchen. Dem Opponierenden blieb nichts anderes übrig, als die Koffer zu packen. An der deutschen Abteilung des Theaters Hermannstadt beginnt er wieder von vorne – aber mit dem richtigen Namen. Gemeinsam mit seiner Frau Luise schaffte er den Aufstieg zu einem der Publikumslieblinge. Nicht nur seine Rollen, sondern auch Regiearbeit und die Adaption von Gerhart Hauptmanns „Rose Bernd“ ins Sächsische finden Anerkennung.

Die Zeichen der Zeit wurden immer deutlicher. Durch den Exodus der Deutschen, hauptsächlich der Intelligenz und der so genannten Bezugspersonen im ländlichen Raum, wird die Wahrscheinlichkeit zur Gewissheit, dass in absehbarer Zeit das Publikum fehlen wird, für das man deutsches Theater machen wollte. 1979 fiel die Entscheidung für die Bundesrepublik, aber erst 1984 konnte man die Reise nach Deutschland antreten. Und wieder von vorne beginnen. Mit 55.

Die psychischen Belastungen hinterließen tiefe Spuren, die neuen, teilweise bitteren Einsichten waren physisch kaum zu ertragen. Was die Ärzte nicht schafften, vollbrachte Ehefrau Luise: Hans Pomarius kam wieder auf die Beine – und nach Bamberg. Es war die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick. Verbitterung und Unzufriedenheiten wurden vom ersten Engagement und von etlichen Rollen besiegt. Eben den „Nathan“ und den zuerst ungewollten Midge in Herb Gardners „Ich bin nicht Rappaport“. Letzteres Stück strotzt vor phantastischen Schwänken und gipfelt mit der Bemerkung von Midge „Wir sind beide Gespenster“. Vielleicht wirkte diese Einsicht so heilend auf den zweifelnden und sich selbstzerfleischenden Schauspieler Pomarius. Und seine Auferstehung war endgültig perfekt mit Georg Taboris „Goldberg-Variationenen“ im Landestheater Coburg. Als Goldberg hing damals Pomarius am Kreuz – und vergessen war sein Kreuz mit Land und Leuten, als der Beifall aufbrauste.

Die Leistungsschau ist lang. Seine Verdienste sind viele. Besonders in der Zeit auf den beiden deutschen Bühnen in Rumänien, die er mitgeprägt hat. Als Baumert und Pomarius. Als Schauspieler und volksnaher Kultur- und Kunstvermittler. Und nicht zuletzt: Hans Pomarius spielte auch in Filmen, so die Rolle des Kapitäns Hansen in „Der Seewolf“ von Wolfgang Staudte.

Und trotz seiner Wandlungen ist er immer der Gleiche geblieben: der Lehrer, der lernend Lehrende, der Aufrechte-Aufrichtige. Nie Chamäleon – denn dieses hat kein Rückgrat. Und jetzt mit 80? Heute genießt Hans Pomarius den Tag, beobachtet auf seinen Spaziergängen die Natur und die Menschen, die ganz anders geworden sind und oft nur sich selbst sehen. Das schönste Geschenk für ihn sind die Tage und Jahre an der Seite seiner Frau Luise. Er bedauert nur, dass sie durch ihre Hingabe, ihn immer wieder auf die Beine zu bringen, ihre eigene Karriere vernachlässigt, ja geopfert hat. „Sie ist schauspielerisch begabter als ich“, räumt er ein. Aus Überzeugung und auch aus Dankbarkeit.

Anton Palfi

Schlagwörter: Theater, Hermannstadt, Schäßburg, Temeswar

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