27. August 2009

Sorin Anca im Gespräch: "Leidenschaft ist alles"

Sorin Anca ist ein vielseitiger Künstler: Er schreibt Gedichte, Prosa, zeichnet, fertigt Skulpturen, beherrscht verschiedene Musikinstrumente und entwirft seine Arbeiten vorwiegend am PC. Bescheidenheit, Ehrlichkeit und Gutmütigkeit zeichnen ihn aus, ebenso das Bedürfnis nach einem harmonischen Familienleben, das ihm ,,Flügel verleiht”, wie der 36-Jährige sagt. Geboren wurde Sorin Anca in dem paradiesisch-schönen Ort Poiana Gălzii, 20 km von Weißenburg (Alba Iulia) entfernt. Die ersten vier Klassen besuchte er in einer Schule mit deutscher Unterrichtssprache, 1990 beendete er das Agroindustrie-Lyzeum in Straßburg am Mieresch (Aiud) mit dem Bakkalaureat. Das folgende Interview führte Adalbert GYURIS.
Wann bist du nach Deutschland gekommen und welches waren deine ersten Eindrücke?

Nach zwei missglückten Fluchtversuchen gelangte ich im Herbst 1990 ans Ufer des Rheins. Ich kann auch heute noch nicht sagen, was mich bewogen hat, Rumänien zu verlassen. Es war damals ein Trend nach der demokratischen Wende, der auch heute noch anhält. Ich weiß es nicht, war es der Drang nach Freiheit? Ich suche auch heute noch nach einer Antwort darauf. Wie dem auch sei, ich wollte nach ungefähr zwei Wochen wieder nach Hause. Die „freie Welt“ machte mir Angst, ich fürchtete mein seelisches Gleichgewicht zu verlieren, obwohl ich die „Kälte“, die den Deutschen nachgesagt wird, nicht zu spüren bekam. In Wirklichkeit verspürte ich einen anderen „Hauch“ in meiner Umgebung, angenehme Nuancen, andere Begegnungen, Offenheit, und doch ist eine innere Zerrissenheit bis heute geblieben. Ich habe mich schnell in meinem sozialen Umfeld zurechtgefunden und die Probleme oft mit einer mir angeborenen Ungeschicklichkeit gelöst.

Bald wurde mir klar, dass man hier nicht „passiv“ leben sollte. Also krempelte ich die Ärmel hoch und begann zu arbeiten. Ich arbeitete bei verschiedenen Firmen und erledigte die unterschiedlichsten Arbeiten. Dann ließ ich mich für den Fachbereich Multimedia umschulen.
Skulptur des rumänischen Künstlers Sorin Anca, ...
Skulptur des rumänischen Künstlers Sorin Anca, 2007.
Hat deine Kindheit deine späteren Ideen geprägt und deine Orientierung im Leben beeinflusst?

Ja, mehr als ich es manchmal zugeben möchte. Ich bin schüchtern und naiv geblieben. Aber gerade dieses sind die Eigenschaften, die man haben sollte, um in einer Welt zu leben, so wie ich es mir wünsche. Ich schreite auf denselben Pfaden wie früher, als Milch und Honig noch im Überfluss flossen, inspiriert von dem wunderbaren und unbewussten Augenblick, der Flügel sichtbar macht. Leider gibt es solche Augenblicke nur in der Kindheit, doch auch heute klingen diese noch so stark nach, dass ich daraus schöpfen kann.

Glaubst du, dass der Geburtsort den Menschen formt?

Ja, so wie der Himmel den Flügel geformt hat.

Wann entstand dein Wunsch zu schreiben?

Als ich es tun musste. Ich weiß nicht, ob ich es angestrebt habe, vielleicht kam es mir gelegen, wahrscheinlich musste es so sein. Ich habe festgestellt, dass das Schreiben nicht befreiend auf mich wirkt, sondern es hat mich auf eine angenehme Art vorteilhaft geformt. Erschrocken wurde ich mir der Macht des Wortes bewusst, wie ich mich im „Wort“ widerspiegeln und selbst entdecken kann, gleichzeitig habe ich auch geahnt, mit welcher Wucht, es einen erfassen kann. Das Schreiben hat meiner jugendlichen Verzweiflung einen Sinn gegeben und die geistige Reife in einem rasanten Tempo gefördert.

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Zeitschrift herauszugeben? Die Zeitschrift und die Arbeit eines Verlegers sind eine gute Therapie, wenn auch undankbar. Die Idee entstand durch Identitätssuche, Ruhelosigkeit, auf keinen Fall aus einer Laune heraus. Die Zeitschrift habe ich dann aus Überzeugung umgesetzt.

Vor Jahren hatte der Dichter Alexandru Lungu, seit 1970 in Bonn lebend, die Zeitschrift „ARGO“ herausgegeben. Nachdem diese Zeitschrift nicht mehr erschien, entstand eine Lücke, die viele Schriftsteller und Künstler, die nicht mehr in Rumänien lebten, zu spüren bekamen. Durch die Zeitschrift „Galateea“ sicherte ich die Kontinuität. Die wahre Kunst lässt sich nicht auf einen Ort beschränken, nicht brandmarken, nicht knechten, nicht akademisieren, nicht demokratisieren. Die Kunst ist einzigartig, selbst wenn sie durch verschiedene Hypothesen, Kontexte und Anordnungen geht, sie wird immer wieder verstanden.

Glaubst du, dass die Dichter die in Deutschland leben, sich von denen in Rumänien unterscheiden?

Ich glaube, sie unterscheiden sich nur sekundär, durch die Art und Weise, wie sie die Probleme der Menschheit sehen, im persönlichen oder sozialen Umfeld. Das Fundament ist aber der gleiche „kreative Akt“.

Wie wird sich die Kunst in den nächsten Jahren entwickeln?

Im Augenblick scheint sie gefangen im System, jedoch sehe ich eine Rückkehr zu einer Art „Klassizismus“ – oder besser gesagt dieses wäre mein Wunsch.

Welche Botschaft möchtest du der Jugend aus Rumänien vermitteln?

Eine einzige Sache! Sie sollen sich ihres kreativen Potentials bewusst werden und es entfalten, ohne Vorbehalt, so schwer es auch scheint. Leidenschaft ist alles!

Ich danke dir für dieses Gespräch und wünsche dir, dass all deine Träume in Erfüllung gehen.

Schlagwörter: Kultur, Künstler

Bewerten:

9 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.