6. Dezember 2009

„Jürgen aus Siebenbürgen“ über seine erste CD „Auldiest“

Hans Jürgen Dörr ist als „Jürgen aus Siebenbürgen“ unter seinen Landsleuten sehr bekannt und beliebt. Als 18-Jähriger schrieb er 2001 sein erstes Lied und sang voller Überzeugung „Ech bän eus Siewanberchen“. Seine in Mundart vorgetragenen Lieder haben innerhalb kürzester Zeit bei den Siebenbürger Sachsen die Runde gemacht. Über die Tanzgruppen und das Internet gelangten sie in viele Haushalte. So wurde „Amazonas-Express“ auf ihn aufmerksam und verpflichtete ihn als Drummer und Sänger. Seine enge Interaktion mit dem Publikum, die sympathische Unkompliziertheit und die frische Art und Weise kommen bei den Jugendlichen sehr gut an. Das folgende Interview führte Robert Sonnleitner.
Du bist am 22. November 1983 in Mediasch geboren und hast die ersten sechs Jahre deines Lebens in Wölz verbracht. Wie wichtig war das siebenbürgische Umfeld für deine musikalische Entwicklung?
Sehr wichtig, in unserer Familie wird sehr viel gesungen, vor allem, wenn meine Großeltern zu Besuch sind. Wenn meine Didi und mein Ota „Geh deinen Weg“ für mich singen, bin ich jedes Mal den Tränen nahe. Ich hoffe, dass uns diese Gesangskultur erhalten bleibt.
War die Aussiedlung aus Siebenbürgen mit sechs Jahren schwierig?
Ja, es war sehr schwer für mich. Ich kann mich sehr genau an den Tag erinnern. Ich musste von meinen Großeltern, meinem besten Freund Bogdan und meinem Hund Rexi Abschied nehmen. Alle waren in unserem Haus versammelt, Aufbruchstimmung, große Gefühle, Ungewissheit, die ich sehr wohl spürte. Immer, wenn ich an diesen Tag denke, sehe ich meinen Hund Rexi, wie er hinter der voll gepackten Dacia rennt, die langsam und voller Wehmut das Dorf verlässt. Meine Schwester und ich drücken uns die Köpfe am Gepäck vorbei und winken ihm den ganzen Wölzer Weg zu.

Es soll ja vorkommen, dass Siebenbürger Sachsen von hiesigen Deutschen damit aufgezogen werden, dass sie so sehr auf ihrer deutschen Identität bestehen. Bist du es auch leid zu erklären, wer die Siebenbürger Sachsen sind?
Im Gegenteil, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen ist hoch spannend und ich erzähl sie gerne jedem, der daran Interesse zeigt. Wenn ich anfange zu erzählen, sind alle immer ganz erstaunt. Einige werden sogar neidisch.

Mit 18 Jahren hast du dein erstes Lied in sächsischer Mundart geschrieben und vorgetragen. Wie kam es dazu?
Auf Familienfeiern haben wir immer gesungen, aber ich fragte mich, wieso es denn keine neue oder moderne Musik in meiner Muttersprache, dem Siebenbürgisch-Sächsischen, gibt. Auch hatte ich das Gefühl, dass einige Bekannte nicht so recht sagen wollten, woher sie kommen. Und ich weiß, wie es ist, schief angeschaut zu werden. Ich musste einfach sagen und singen: „Ech bän eus Siewanberchan“. Das kam aus mir herausgeschossen.

Worum geht es in deinen Liedtexten? Woher hast du deine Ideen?
Die ersten Ideen hatte ich von meinem Opa, er ist ein toller Geschichtenerzähler, und ich besuche meine Großeltern sehr oft. In einem Lied geht es z.B. über meinen Opa, der sein Haus in Siebenbürgen nicht verkaufen will – um keinen Preis der Welt. Alle Texte sind sehr persönlich und beruhen auf Erfahrungen von mir. Es sind Geschichten aus sächsischen Familien, Freundeskreisen und aus der heutigen Sicht des Lebens eines jungen Herzens. Natürlich ist auch die Liebe ein sehr großes Thema.

Wie kam es, dass deine Songs „Ech bän eus Siewanberchan“ und „Auldiest“ innerhalb kürzester Zeit in fast allen siebenbürgisch-sächsischen Haushalten bekannt waren?
Diese Frage hab ich mir auch schon gestellt. Daran merkt man aber, dass wir Siebenbürger Sachsen immer noch eine sehr große Gemeinschaft sind, irgendwie kennt einer den anderen und ich finde das super. Ich glaube, es war auch einfach etwas Neues und Amüsantes. Wir haben Beim Heimattag 2003 in Dinkelsbühl einige CDs verschenkt und auch sonst habe ich immer gerne CDs verschenkt, wenn jemand danach gefragt hat. Auf der Homepage www.siebenbuerger.de und anderen Seiten im Netz gibt es einige meiner Lieder auch frei zum Herunterladen.

Was meinst du, warum bewegt deine Musik die jungen Siebenbürger Sachsen?
Ganz einfach, weil sie Siebenbürger sind. Und genau die sind mein größter Motor bei der Sache. Die jugendlichen Sachsen bewegen mich! Mein größtes Ziel ist, dass wir unsere Wurzeln und Muttersprache nie aufgeben. Ich hoffe, ich bleibe im Herzen immer ein Stück jugendlicher Siebenbürger.

Welche Lebensansichten und Verhaltensweisen der Siebenbürger Sachsen sind es besonders wert, erhalten und fortgeführt zu werden?
Für mich ist es die Gesangkultur, die zu jedem Anlass einige schöne Lieder bietet. Dann die siebenbürgische Küche. Ich kann es mir nicht vorstellen, nur noch Maggi zu essen, ich brauche Brodwurst uch Kompast und auf der Hochzeit Hunklich uch Sträzal. Sehr wichtig ist das Familiengefühl. Meine hiesigen Freunde kennen oftmals ihre eigenen Cousins nicht – für mich ist das unvorstellbar. Die Nachbarschaftshilfe, die in Deutschland immer mehr abnimmt. Die Ehrlichkeit, der Fleiß, die Rechtschaffenheit und Loyalität der Siebenbürger Sachsen. Die Art, Feste zu feiern, und die Tanzfreude. Eine Geschichte, mit sich zu tragen, stolz darauf zu sein, aber auch daraus zu lernen.

Wie kam es, dass du deinen Zivildienst bei der Tabaluga Stiftung gemacht hast?
Ich wollte einfach etwas für Kinder machen, ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich mich als Kind gefreut hatte, wenn wir ein Paket aus Deutschland bekamen. Einem Kind eine Freude zu machen, ist für mich eines der schönsten Geschenke an mich selber. Ich habe mich freiwillig gemeldet, und es war eine sehr schöne Zeit bei der Tabaluga Stiftung von Peter Maffay. Ich habe mit den Kindern in Tutzing ganz viel Musik gemacht. „Auldiest“ haben sie so oft gehört, dass es die Erzieher fast nicht mehr hören konnten. Am Nikolaustag werde ich sie besuchen und ich hoffe, sie erkennen mich nicht ;-)

Wie geht es jetzt ausbildungstechnisch weiter?
Im Moment habe ich nur Musik im Kopf. Ich habe mir extra nach dem Zivi Zeit genommen, an meiner CD zu arbeiten. Ich habe die Technikerschule (Mechatronik) beendet, aber im Moment nichts in Aussicht. Vielleicht fange ich nächstes Jahr ein Studium an.

Du bist mit Amazonas-Express auf vielen Bällen im ganzen Bundesgebiet unterwegs? Wo singen die Sachsen am schönsten?
Auf den Bällen ist das so: Die Münchner helfen mal den Heilbronner, mal helfen die Nürnberger den Augsburgern und mal die Biberacher den Geretsriedern beim Feiern und so geht das immer hin und her auf jedem Ball, eine neue Mischung entsteht und darum ist die Stimmung immer so gut, und alle singen mit.

Musizierst du mit deiner Band auch bei anderen Gelegenheiten?
Wir haben dieses Jahr im Sommer auf dem Kulturfestival in Hermannstadt gespielt. Wir haben 2008 in Kleinschelken und 2009 in Großau zwei wahnsinnig gute Bälle gemacht. Wir haben auf Benefizkonzerten gespielt, zum Beispiel für die Peter Maffay Stiftung oder die Siebenbürgische Bibliothek. Wir sind immer offen für gute Projekte. Nächstes Jahr wollen wir einen Amazonas Unplugged Abend machen.

Ist der Heimattag ein Pflichttermin?
Wir halten uns Pfingsten immer frei und bewerben uns jedes Jahr, um in Dinkelsbühl spielen zu können. Als siebenbürgisch-sächsischer Musikant gibt es für mich keinen schöneren Ort, Musik zu machen, als auf unserem Heimattag.

Wie hat sich dein Blick auf die Sachsenwelt durch die Bekanntheit verändert?
Er hat sich insofern verändert, als ich mehr über die Sachsen erfahre und viele Meinungen und Geschichten höre. Ich glaube, mein Blick ist gelassener geworden, weil ich mir sicher bin, dass es uns noch lange geben wird.

Dein erstes Musikalbum heißt „Auldiest“ und erscheint am 6. Dezember 2009. Was erwartet uns?
Mein „soxesch Herz“. Ich habe vielen Freunden versprochen, dass ich mich nicht lasse und eine richtige, professionelle CD machen werde. Also habe ich mich zurückgezogen und neue Lieder geschrieben, die mir schon lange auf der Zunge lagen. Ich schaue in meiner CD nicht zurück, sondern auf das jetzige Leben eines Siebenbürger Sachsen und habe sehr persönliche Themen. Ich habe Lieder für die Mutter, für den Hanspat, für die Großeltern, für Verliebte und auf jeden Fall für die Jugend. Natürlich sind auf der CD auch alle Texte dabei. Ebenso meine zwei bekannten Lieder, die neu aufgenommen wurden.

Wer war an der Produktion der CD noch beteiligt?
Mein Freund Daniel hat mir sehr geholfen, mit ihm zusammen habe ich einige neue Lieder komponiert. Natürlich ist auch mein Freund Gezi (Soxesch Kokesch) dabei. Alle Instrumente sind live im Studio von den Jungs der „Amazonas-Express“ Fritsch, Helmuth, Hans, Fred und Daniel eingespielt. Manuel und Wolfgang haben mir beim Design geholfen.

Vielen Dank für das Gespräch.


Die CD „Auldiest“ kostet 12 Euro und ist erhältlich unter www.siebenbuerger.de/shop.

Schlagwörter: Musik, Jugend, SJD, Mundart, CD

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