26. September 2008

Jugendbachchor Kronstadt feierte 15-jähriges Jubiläum mit Auslandstournee

Das Jahr 2008 ist für die Kronstädter Region in jeder Hinsicht ein Jahr der musikalischen Jubiläen. Der Kronstädter Bachchor wurde 75 Jahre alt, aber auch der Jugendbachchor blickt schon auf 15 Jahre intensiver Tätigkeit zurück. Mit einem Festkonzert innerhalb des Festivals Diletto musicale, das seinerseits sein 10-jähriges Bestehen feiert, beging der Jugendchor am 10. August seinen Geburtstag. Daran schloss sich im September eine Tournee durch Deutsch­land, Österreich und die Schweiz an.
Wenn der Jugendbachchor sich in seinen Pro­grammheften selbst vorstellt, heißt es immer: „Die ca. 20 Mitglieder entstammen sechs Kon­fessionen und sprechen drei Muttersprachen.“ Damit ist viel gesagt, es handelt sich um eine Miniatur der in Siebenbürgen lebenden Bevöl­kerung. Den Chor gibt es schon seit 1993. Da­mals sangen im Kronstädter Bachchor mehrere junge Stimmen im Alter von 14 bis 16 Jahren und die Idee kam auf, mit den jungen Leuten eine weitere Probe abzuhalten, um zusätzliches Repertoire zu erarbeiten. Eckart Schlandt, der damalige Leiter des Bachchores, gründete den Baby-Bachchor (BBC), wie er zu Beginn scherzhaft hieß. Seit 2004 befindet sich der inzwischen zu einem seriösen Standbein des großen Chores herangereifte Jugendbachchor unter der Leitung des Sohnes Steffen Schlandt.
Passend zum Repertoire trat der Jugendbachchor ...
Passend zum Repertoire trat der Jugendbachchor Kronstadt unter der Leitung von Steffen Schlandt (vorne links) beim ersten Konzert am 5. September im Schlossgarten in Winnenden in mittelalterlichen Kostümen auf.
Das Verhältnis des Jugendchors zum großen Chor beschreibt der Chorleiter nicht als Abgren­zung, sondern als Ergänzung. Er singt in den großen Oratorienaufführungen des Bachchors mit, erarbeitet aber außerdem auch vier- bis achtstimmige geistliche und weltliche Vertonun­gen des Mittelalters bis zur Moderne, die man zu verschiedensten Anlässen singen kann. Mit zwanzig jungen Sängern ist man mobiler als mit mehreren und älteren und kann mit zwei Bussen schnell zu einem Gedenktag nach Marienburg fahren (Michael-Weiß-Gedenktag am 18. Okto­ber 2008) oder in sächsische Altenheime in der Repser Gegend (Jahresende 2006), bei einer Germanisten-Tagung singen oder eben eine Tournee organisieren.

Die „Geburtstags“-Tournee führte den Jugend­bachchor und das Instrumentalensemble „Il Transilvano“ nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. Zwischen dem 5. und 13. Sep­tember gaben die jungen Musiker sechs Konzer­te. Vor allem in kleineren Städten wie Winnenden (Die Redaktion: Anlässlich des Konzerts widmete die Winnender Zeitung dem Vokalensemble einen ausführlichen, schön bebilderten Bericht mit dem Titel: „Kostbarkeiten aus Siebenbürgen – Anrührender Auftritt des Jugend-Bach-Chors aus Kronstadt in der Borromäuskirche“), Gott­madingen, Vöcklabruck und Winterthur wurden sie sehr warm empfangen, während es in den Großstädten wie Zürich oder Dresden schwer war, gegen das vielseitige kulturelle Angebot anzukommen.

Das Konzertprogramm setzte sich zu etwa 80 Prozent aus siebenbürgischer Musik zusammen. Die Idee war, die Zuhörer mit der Musik siebenbürgischer Komponisten bekannt zu machen, oder auch mit Musik deutscher Komponisten, die in siebenbürgischen Archiven ruht. Einige Werke befinden sich darunter, die – als Folge der Weltkriege – möglicherweise nirgendwo sonst erhalten sind. Zu nennen wären hier Johann Gottfried Krebs, Sohn des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs, von dem ein wunderschöner Aus­schnitt aus „Festo purificationis Mariae“ für Chor, Solo-Horn (hier übernommen von einer Solo-Oboe) und Streichorchester erklang, Valen­tin Rathgeber, ein katholischer Kleinmeister an der Wende zum 18. Jahrhundert aus dem Klos­ter Banz bei Bamberg, mit dem Stück „Cum invo­carem“ (Psalm 4), oder auch Martin Wirbach, der um 1750 Kantor in Breslau war, mit der Kantate „Weint Blut, da Jesu Tränen rinnen“.

Von den aus Siebenbürgen stammenden Kom­ponisten wurde Historisches und Zeitgenössi­sches zu Gehör gebracht. Georg Ostermayer, dessen Vater Hieronymus um 1530 als Organist an der Schwarzen Kirche amtierte, war mit der Motette „Si bona suscepimus“ vertreten, und der aus Schöneberg stammende Johann Knall, von 1763 bis 1785 Stadtkantor in Hermannstadt, mit Ausschnitten aus dem Dictum „Wer Ohren hat zu hören, der höre“. Die Manuskripte, aus denen die Werke stammen, liegen zum größten Teil in Kronstädter und Hermannstädter Archi­ven und es ist ein Verdienst des Landeskirchen­musikwarts Kurt Philippi und der jeweiligen Kantoren aus Kronstadt, Mediasch usw., sie zu sichten, zuzuordnen, zu klassifizieren, in moder­ne Notation transkribieren zu lassen und sie schließlich mit dem einen oder anderen Chor einzustudieren, so dass auch die Öffentlichkeit mit diesen Werken in Berührung kommen kann.

In diesem siebenbürgischen Konzert durften natürlich auch rumänische oder ungarische Kompositionen nicht fehlen. So erklangen „Veni Sancte Spiritus“ von György Orbán (*1947) und „Domnul e Păstorul meu“ von V. Burciu (*1950). Zu Orgelkompositionen von Hans Peter Türk wurde eine Power-Point-Präsentation mit der Orgellandschaft des Repser Ländchens gezeigt, die durch die Entvölkerung mancher Landstriche besonders zu leiden hat. Bilder von Landschaf­ten, Kirchenburgen, Orgeln und deren Schäden sollten ein Publikum, das man als hauptsächlich nicht-siebenbürgischer Herkunft erwartete, für diese Region sensibilisieren.

Die ganze Tournee war als Benefiz-Veranstal­tung für die siebenbürgische Orgellandschaft gedacht. Obwohl die Konzerte auf Spendenbasis organisiert wurden, kamen über 6 000 Euro zu­sammen, von denen 1 000 Euro der geschädigten Orgel der Bistritzer Stadtpfarrkirche zugute kommen, 2 000 der Orgelwerkstatt in Honig­berg, die von der Schweizer Stiftung für Orgeln in Rumänien unterstützt wird, und 3 500 Euro für Restaurationsprojekte im Repser Ländchen gedacht sind. Die Reise- und Übernachtungskos­ten wurden glücklicherweise von der Honterus­gemeinde, dem Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart und dem Deutschen Wirtschaftsclub Kronstadt gefördert, so dass tatsächlich die Gesamtheit des eingespielten und ersungenen Geldes den Orgeln zugute kommen kann.

Das Jubiläumskonzert des Jugendbachchors in Siebenbürgen fand innerhalb des Festivals Diletto musicale in Tartlau statt. Dieses Festival feierte seinerseits seinen 10. Geburtstag. Chorleiter Steffen Schlandt rief es 1999 in Leben, als er neben den Orgelkonzert-Reihen, die es in Kronstadt, Hermannstadt, Heltau, Schäßburg usw. schon gab, vielseitigere Konzerte vokal-instrumentaler Besetzung anbie­ten wollte. So kam es zur Gründung von Diletto musicale, das jeden Sonntag im August um 17 Uhr zu einem Konzert einlädt. Zahlreiche Ensembles aus dem In- und Ausland treten hier auf, durchaus der Spitzenklasse angehörend, wie z. B. das Gaudeamus-Streichquartett aus Kron­stadt oder Flauto dolce aus Klausenburg, die Madrigalchöre aus München oder Heidelberg.

CD mit geistlicher Musik

Der Jugendbachchor hat 2006 eine CD mit geistlicher Musik mehrerer Jahrhunderte eingespielt, „Lobsinget Gott, dem Herrn“. An einer neuen CD wird gerade gearbeitet. 2007 kam es zur Aufnahme einer DVD mit Madrigalen und dem Mitschnitt eines Konzertes innerhalb des Festivals für Alte Musik aus Miercurea Ciuc. Ein wahrer Augenschmaus sind dabei die historischen Kostüme, in denen die Sänger auftreten, von Edith Schlandt entworfen. Zu erwerben sind CD und DVD bei den Konzerten des Jugendbach­chors und beim Kronstädter Pfarramt, Curtea Johannes Honterus 2, 500025 Brașov, Telefon: (00 40) 2 68 51 18 24, E-Mail: schwarze.kirche [ät] brasovia.ro.

Zum Geburtstag wünschen wir dem Jugendbachchor Kronstadt, dass er seine exzellente musikalische Qualität ebenso wie sän­gerischen Enthusiasmus und Frische noch viele Jahre bewahren möge!

Thealinde Reich

Schlagwörter: Chor, Kronstadt

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