29. Oktober 2024

Kreisverband Nürnberg: Busreise zum Gedenken an Evakuierung aus Nord­siebenbürgen vor 80 Jahren

Aus Anlass des Gedenkens an 80 Jahre seit der Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 kam die Busreise von Annemarie Wagner, Kulturreferentin des Kreisverbandes der Siebenbürger Sachsen Nürnberg und der HOG Bistritz-Nösen, vom 11. bis zum 22. September zustande. Zu diesem geschichtsträchtigen Thema gab es während unserer Reise zwei Gedenkfeiern, denen wir beiwohnen konnten: in Bistritz vom 13. bis 15. September und in Wels vom 20. bis 22. September. Die Harmonie zwischen den Mitreisenden, die Begegnungen mit alten Bekannten und Freunden im Bus und außerhalb, das Zusammengehörigkeitsgefühl, der Austausch untereinander, die vielen Sehenswürdigkeiten unterwegs und die schönen Erlebnisse haben die Busreise auch laut einiger Umfragen zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Es war zugleich eine Reise in die Vergangenheit unserer Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und nicht zuletzt in unsere Vergangenheit.
Am 11. September starteten wir in Nürnberg, übernachteten in Budaörs bei Budapest und gelangten am 12. September abends nach Bistritz. Kuratorin Kathi Borsos hat federführend zusammen mit dem Demokratischen Forum der Deutschen in Bistritz, dem Kulturpalast George Cosbuc, dem Rathaus und der HOG Bistritz-Nösen die Gedenkfeiern sehr gut geplant, das Programm sehr vielseitig und dem Anlass gebührend festlich gestaltet. Am Freitag (13. September) vormittags wurde die Stadt besichtigt und bestaunt. Stimmen dazu: „Die erneuerten Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen der Stadt in voller Pracht zu sehen, das hat mich sehr beeindruckt.“ Oder: „Unsere schön renovierte Stadtpfarrkirche mit den fantastischen Klängen der neu renovierten Prause-Orgel, einer der größten in Siebenbürgen, der großartigen Akustik bei all den miterlebten Konzerten in der Kirche, und die ,Wendebänke‘ mit ihrer Funktionalität haben mich sehr stark bewegt“. Viele haben eine Auffahrt mit dem Fahrstuhl auf den Kirchenturm gewagt, um die wunderschöne Aussicht auf die Stadt und über die Stadtgrenzen hinweg zu genießen.

Nachmittags besuchten wir im Haus der Löwen die Fotoausstellung des stadtbekannten Fotografen Toni Pal mit dem Titel: „Der Mensch, das Land, die Ewigkeit“. Ausgestellt wurden Fotografien des traditionellen Dorflebens, das leider vom Aussterben bedroht ist.

Die Gedenkfeier zur Erinnerung an die Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen vor 80 Jahren am Denkmal der Evakuierung am Dominikanerplatz wurde von zahlreichen Trachtenträgern und Trachtenträgerinnen umrahmt. Dr. Hans Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen, moderierte die Gedenkveranstaltung. Mehrere Redner würdigten die Feier. Alle erinnerten an die Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen, beginnend mit der Evakuierung im September 1944. Der Bistritzer Bürgermeister Ioan Turc hielt eine versöhnende Rede. Horst Göbbel hat in seiner Rede die Einzigartigkeit dieses Denkmals gewürdigt. Es sei das erste und einzige Denkmal in ganz Rumänien, das an die Evakuierung der Siebenbürger Sachsen erinnere. Zum Abschluss sprach Pfarrer Andreas Hartig ein Gebet in deutscher und rumänischer Sprache. Umrahmt wurde das Programm musikalisch von der Militärkapelle der Bistritzer Garnison, geleitet von Bogdan Bejenaru. Nach einem beeindruckenden symphonischen Gesangskonzert in der evangelischen Kirche ließ man den Tag bei einem Abendessen im Kellergewölbe des Gewerbevereins gemütlich ausklingen.
Die Reisegruppe in Eger. Foto: Hans Wagner ...
Die Reisegruppe in Eger. Foto: Hans Wagner
Das Highlight des nächsten Tages war die Amtseinführung des neuen Stadtpfarrers Andreas Hartig in einem feierlichen Gottesdienst von Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli aus Bukarest. Begleitet wurde der Gottesdienst vom Organisten Dr. Steffen Schlandt, der die Orgel spielte, und dem Gesang zweier Lieder von der weltbekannten Sopranistin Anita Hartig, der Schwester von Andreas Hartig. Beeindruckend war auch der Einzug in die Stadtpfarrkirche mehrerer Pfarrer/Priester aller Konfessionen aus Bistritz sowie über die Grenzen von Bistritz hinaus, die den neuen Pfarrer Andreas Hartig in seine neue Wirkungsstätte begleitet haben. Der Gottesdienst fand sowohl in deutscher als auch in rumänischer Sprache statt. Am Nachmittag konnte man die Wanderausstellung „Andreanum – 800 Jahre Recht und Verfassung der Siebenbürger Sachsen“ in der Evangelischen Stadtpfarrkirche besuchen. Ein Orgelkonzert von Dr. Steffen Schlandt rundete den ereignisreichen Tag ab. Am Sonntag hielt Stadtpfarrer Andreas Hartig in feierlicher Atmosphäre seinen ersten Gottesdienst. Anschließend versammelte man sich auf dem Friedhof, um bei einer Gedenkfeier mit Kranzniederlegung den letzten sächsischen demokratisch gewählten Bürgermeister von Bistritz, Karl Sanchen, zu würdigen. Günter Klein tat dies kenntnisreich und überzeugend. Anschließend waren alle Gäste zu einem gemeinsamen Mittagessen im Hotel Bistriţa von der Kirchengemeinde Bistritz eingeladen. Die stolzen Eltern Garofita und Thomas Hartig ließen es sich nicht nehmen, den guten Hauswein und Schnaps zu spendieren.

Am Montag, (16. September) führte unsere Rundfahrt über frühere sächsische Dörfer. In manchen Dörfern stehen noch fast alle Häuser der Siebenbürger Sachsen, sie sehen gepflegt aus, wenn auch einiges verändert wurde. In anderen Dörfern wiederum stehen neue Häuser und die ursprünglichen fehlen.

Manche Kirchen sehen auch sehr gepflegt aus, andere sind sehr renovierungsbedürftig und andere wiederum sind Ruinen. Mein Heimatdorf, Sankt Georgen, hat sein Erscheinungsbild sehr verändert. Viele Häuser sind „verschollen“. Über Deutsch-Budak sagt Henriette Kuales: „Eine wahre Gefühlsexplosion hatte ich am Montag im Geburtsort meiner Eltern. Die Bilder meiner Kindheit stimmten plötzlich mit der Realität nicht mehr überein, was bei mir zu einem wahren Gefühlschaos führte. In meiner Vorstellung sah ich meine Großeltern und meine Uroma auf ihren Höfen wirtschaften und nun stand ich vor anders aussehenden Häusern und veränderten Höfen.“ In Oberneudorf haben wir die Kirche besucht. Der Baustil weicht von den bisher gesehenen siebenbürgisch-sächsischen Kirchen ab. Das Dorf sieht sehr gut aus.

In Jaad sind wir im früheren Anwesen von Familie Göbbel eingekehrt und haben den Abend bei gutem Essen, Getränken, Livemusik und Tanzen ausklingen lassen. Es war ein sehr schönes, gemütliches Beisammensein. Überrascht wurden wir unterwegs von dem Präsent von Paula, der Hauswirtin, die für jeden der Busgemeinschaft ein Glas Zacusca mitgegeben hat.

Am 17. September verabschiedeten wir uns von Bistritz, es ging nach Eger in Ungarn. Während der Stadtbesichtigung mit unserer geschichtskundigen Stadtführerin hat man die Schönheit der Innenstadt wahrnehmen können: die mittelalterliche Burg, barocke Bauten, die Kathedralen St. Johannes und St. Michael oder das nördlichste Minarett in Europa, das einzige Überbleibsel aus einer fast 100-jährigen osmanischen Besatzung. Ebenso ist die Stadt bekannt durch große Weinanbaugebiete, wohl am bekanntesten das „Erlauer Stierblut“. Nachmittags besuchten wir in Szilvasvarad ein Lipizzaner-Gestüt. Abends gab es eine feucht-fröhliche Weinverkostung im „Tal der schönen Frauen“.

Am 19. September fuhren wir in die Hortobagy Puszta. Unterwegs machten wir am neu angelegten Theißsee halt, einem neu geschaffenen Erholungsgebiet, wo wir nach einer Filmvorführung mit erfrischenden Getränken bewirtet wurden. Eine der Attraktionen der Gegend ist das Theißsee-Ökozentrum, das das größte Süßwasseraquarium Europas beherbergt. In der Puszta von Hortobagy sind wir mit Planwagen an Zackelschafen, an ungarischen Steppenrindern (graue Rinder mit großen Hörnern) an Schwarzbüffeln und an Ziehbrunnen vorbeigefahren. Pusztareiter zeigten ihr artistisches Können. Das reichhaltige Mittagessen gab es in einer Hortobagy Csarda. Am nächsten Tag fuhren wir nach Wels in Oberösterreich zum 14. Heimattag. Bereits am Abend wurden auch wir bei der Einführungsveranstaltung im Minoritenkloster von Manfred Schuller, Bundesobmann des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich, begrüßt. Auch hier wurde an die Flucht und Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen 1944 erinnert. Der Schauspieler Denis Riffel hat den Erlebnisbericht von Simon Ohler aus Tschippendorf vorgetragen. Die Lesung wurde durch die Harfenspielerin Christiane Oberleitner musikalisch umrahmt. Während des Harfenspiels wurden Bilder vom Treck an eine Leinwand projiziert. Die Lesung, das Harfenspiel und die Bilder erzeugten beim Zuhörer den Eindruck, als sei man mittendrin am Ort des Geschehens. Es ging einem richtig unter die Haut. Im Anschluss fand eine Podiumsdiskussion statt, moderiert von der österreichischen Journalistin Dr. Christine Haiden. Bei der Podiumsdiskussion ging es um Erinnerungskultur. Am Samstagvormittag (21. September) startete der Festzug durch die Welser Innenstadt. Zahlreiche Trachtenträgerinnen und Trachtenträger (auch von uns), Kultur- und Tanzgruppen und Blaskapellen aus Österreich, Deutschland und Siebenbürgen nahmen an dem Umzug teil. Im Anschluss eröffnete Bundesobmann Manfred Schuller den 14. Heimattag offiziell vor der Stadthalle, die Festrede hielt der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer. Rainer Lehni, der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, betonte das Zusammengehörigkeitsgefühl und die gut funktionierende grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Samstagnachmittag konnte man sich die Ausstellung „Heimat gesucht – Heimat gefunden“ in der Stadthalle ansehen. Ich persönlich fand die Ausstellung sehr gelungen, die Dokumentationen waren sehr aufschlussreich und gut gestaltet. Vor der Stadthalle sorgten Tanzgruppen und Blaskapellen für gute Stimmung und begeisterten das Publikum. Ebenso gelang es der Musikband „Melody and Friends“ aus Würzburg am Abend, bis spät in die Nacht die Anwesenden zum Tanzen zu begeistern.

Zum Abschluss des Heimattages traf man sich am Sonntag zum Totengedenken mit Kranzniederlegung bei der Sigmar-Kapelle in Wels und zum Gottesdienst in der evangelischen Christuskirche, wo Bischof Michael Chalupa sehr eindringlich zum Thema Gedenken predigte. Von Wels aus ging es für uns zurück nach Nürnberg. Vielen Dank, liebe Annemarie Wagner und Hans (Hanni) Wagner, für die Planung und Organisation dieser unvergesslichen Reise. Danke auch an Horst Göbbel für so manche historische Information. Vielen Dank auch an Kurt Penteker, der uns nicht nur sicher überall hingefahren, sondern in den Pausen auch für unser leibliches Wohl gesorgt hat sowie für stets gekühlte Getränke und heißen, leckeren Kaffee. Danke auch an alle Helferinnen und Helfer, die mit unterstützt haben.

Maria Rehbogen-Zenker

Schlagwörter: Nürnberg, Evakuierung, Gedenken, Reise, Nordsiebenbürgen

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