30. August 2010

Bibliophile Kostbarkeit: „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding“

Kürzlich erschien im Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn ein Buch, das bereits durch seine äußere Aufmachung mit einem spätmittelalterlichen Gemälde auf dem Buchdeckel die Aufmerksamkeit vieler Bücherfreunde erregt. Blättert man in dem 384 Seiten umfassenden, Buch, eröffnet sich schon bei einem ersten Einblick eine überaus interessante Welt, die den Leser ins 16. Jahrhundert versetzt, obwohl manche Erkenntnisse des Buches auch heute genau so aktuell sind.
Das von Dr. Robert Offner herausgegebene Buch vereinigt unter dem Titel „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding“ ein Reprint des vom Kronstädter Stadtarzt Paulus Kyr im Jahr 1551 verfassten Gesundheitslehrbuches „Sanitatis studium ad imitationem Aphorismorum compositum / Gesundheitslehre, nach dem Vorbild der Aphorismen zusammengestellt, ferner Kräfte und Wirkungen der Nahrungsmittel kurz dargeboten und alphabetisch angeordnet“ in lateinischer Sprache, drei Übersetzungen des Urtextes, eine deutsche von Konrad Goehl, eine rumänische von Adinel Ciprian Dincă sowie eine ungarische von Magyar László András. Vorausgeschickt sind diesen Texten drei einleitende medizinhistorische Beiträge, für die die bekannten Medizinhistoriker Robert Offner, László András Magyar und Szabolcs Péter zeichnen. Eine zeitgemäße, vom Herausgeber hervorragend ausgewählte Buchillustration veranschaulicht Aspekte der Medizin, der Ernährung und Lebensweise jener Zeit. Quellen und weiterführende Literatur sowie ausführliche Register ergänzen den Text.

Der vom Herausgeber treffend gewählte Titel des Buches „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding“ ist die Anfangszeile eines in den spätmittelalterlichen Badstuben gesungenen Badechorals, ein Ausspruch, der quer durch die Jahrhunderte seine uneingeschränkte Gültigkeit behalten hat. „Der Wunsch nach Gesundheit und Wohlergehen, Schönheit und ewiger Jugend dürfte nämlich – wie die Angst vor Krankheiten und Seuchen – so alt wie die Menschheit sein“, schreibt Dr. Offner im Vorwort des Buches. Auf der Suche nach Antworten auf Fragen betreffend Lebensweise und Ernährung der Menschen im Siebenbürgen des 16. Jahrhundert „kann dem heutigen Leser das neu veröffentlichte Gesundheitsbuch […] aus dem Jahre 1551 äußerst hilfreich und zugleich unterhaltsam sein“.
Im ersten der drei dem lateinischen Originaltext vorausgeschickten Kapitel „Kronstadt, der Stadtarzt Paulus Kyr und Ferrara“ zeichnet der aus Siebenbürgen stammende Arzt und bekannte Medizinhistoriker Dr. Robert Offner ein eindrucksvolles Bild von Kronstadt im 16. Jahrhundert, der Zeit, in der Paulus Kyr hier wirkte und in der das Gesundheitsbüchlein entstanden ist, welches er „der studierenden Jugend von Kronstadt“ mit Wünschen für „Heil und Wohlfahrt“ widmete.

Darüber hinaus zeichnet Offner ein umfassendes Bild über die Universitäten jener Zeit, die für das Studium der Medizin von Bedeutung waren. Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums an verschiednen europäischen Universitäten und der Erlangung der Doktorwürde an der Universität von Ferrara 1534 war Kyr nach Kronstadt zurückgekehrt. In der damals aufblühenden Stadt, die als Drehscheibe des Handels galt und von der durch die Reformation von Johannes Honterus wichtige Impulse ausgingen, waren auch bedeutende Persönlichkeiten des Geisteslebens und der Wissenschaften, zu denen auch Paulus Kyr gehörte, versammelt. Der Aufschwung der Wissenschaften war verbunden mit Schulreformen, die ihrerseits die Herausgabe neuer Lehrbücher erforderte. Zu diesen gehörte auch das vom Stadtarzt Paulus Kyr herausgegebene Gesundheitslehrbuch, das weltweit als eines der ältesten gedruckten Lehrbücher seiner Art gilt und gleichzeitig das erste von einem siebenbürgischen Arzt verfasste und in Siebenbürgen gedruckte medizinische Werk darstellt.

Das Buch umfasst unter dem Titel „Die nicht natürlichen Einflüsse und Verrichtungen“ sechs Kapitel: I. Von der Luft, II. Von Speise und Trank, III. Von Bewegung und Ruhe, IV. Vom Schlafen und Wachen, V. Von Ausleerung und Anfüllung, VI. Von den Gemütsverfassungen. In einem weiteren Teil werden „Kräfte und Wirkungen der Nahrungsmittel, kurz zusammengefasst und alphabetisch geordnet“. Dabei geht es um Vorschriften und Empfehlungen für die Erhaltung der Gesundheit und zur Vorbeugung von Krankheiten, somit um verschiedene Lebensregeln. Kern des Buches ist die Diätetik, welche auf den Erkenntnissen der antik-mediävalen Tradition beruht. Aufschlussreich und aus wissenschaftlicher Sicht sehr interessant ist das Verzeichnis der Lebensmittel, die in verschiedene Kategorien eingeteilt sind und die im 16. Jahrhundert verwendet wurden. Sie umfassen von Träubelmost, Lammfleisch, Entenfleisch, Knoblauch, Mandeln, Dillsamen, Anis, Meerrettich, Steinpilzen, Flusskrebsen, Hanfsamen, Kümmel, verschiedenen Fleischarten, Esskastanien, Zwiebeln, Kerbel, Süßkirschen, Crocus/Safran, Möhren bis zu Pomeranzen und Zimt eine weite Spanne. Aus der Aufzählung der Nahrungsmittel wird deutlich, dass es auch zur damaligen Zeit bereits exotische Gewürze und Früchte in Siebenbürgen gab, die wohl von orientalischen Kaufleuten nach Kronstadt gebracht wurden.

In den Ausführungen zum „Stellenwert des Sanitatis studium im medizinischen Schrifttum seiner Zeit“ bezeichnet László András Magyar das Gesundheitsbuch von Paulus Kyr als „ein lebendiges Werk seiner Zeit“, das neben anderen vor allem gesundheitspädagogische Zwecke erfüllte. Der Medizinhistoriker Szabolcs Péter unterzieht sich der schwierigen Aufgabe „Kyrs Gesundheitslehrbuch aus heutiger Sicht“ zu bewerten. Als wichtigste Botschaft des Büchleins bezeichnet er die Aussage Kyrs „Denn viele, die krank sind, sind es nicht wegen ihrer persönlichen Körperverfassung sondern, infolge ihrer fehlerhaften Lebensweise.“

Durch die Veröffentlichung des Gesundheitslehrbuches von Paulus Kyr wird eine bibliophile Seltenheit, von der nur drei Bücher überliefert sind, erstmals einer mehrsprachigen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das vor über 450 Jahren veröffentlichte Buch verdient, so Szabolcs Péter „Aufmerksamkeit in einer Zeit, in der die Erziehung zu einer gesunden Lebensführung zur wichtigsten Aufgabe der zivilisierten Welt geworden ist.“

Die Herstellung des Buches wurde gefördert vom Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) und der HOG Kronstadt (Neckarsulm). Das Buch, ISBN 978-3-941271-33-3, 383 Seiten, kann man zum Preis von 19,90 Euro (zzgl. Versand) erwer­ben direkt beim Schiller-Verlag Hermannstadt-Bonn, Telefon (Rumänien): (0040-269) 221060, Telefon in Deutschland: (0228) 90919557, bei der Vertretung in Augsburg, Hildrun Schneider, ­Telefon: (0821) 5899882 oder über den Buch­versand Süd-Ost, Brigitte Rill, Telefon: (07132) 9511612.

Erika Schneider

Die Gesundheit ist ein köstlich Ding
Paulus Kyr / Dr. Robert Offner (Hg.)
Die Gesundheit ist ein köstlich Ding

Schiller Verlag, Hermannstadt/Bonn

383 Seiten
EUR 9,95 (+ Versandkosten)
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Schlagwörter: Rezension, Medizin, Kronstadt

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  • 30.08.2010, 20:33 Uhr von seberg: Erika Schneider: „...ein Buch, das bereits durch seine äußere Aufmachung...erregt...“ Wie ... [weiter]

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