18. Juni 2011

Kronstädter Jugendbachchor setzt Glanzpunkte beim Heimattag

„Burzenland, du wunderschönes Heimatland“, mit dieser Liedzeile von Rudi Klusch eröffnete der Kronstädter Jugendbachchor unter der Leitung von Steffen Schlandt die Brauchtumsveranstaltung „Das Burzenland in Sagen und Liedern“ beim 60. Heimattag in Dinkelsbühl, der auch im Zeichen von 800 Jahren geschichtsträchtiger Existenz des Burzenlandes stand. Da war es naheliegend, die Burzenländer Kräfte aus Deutschland und Siebenbürgen zu einer schlagkräftigen Selbstdarstellung zu bündeln, insbesondere die derzeitige Vorzeigeformation Kronstadts, den Jugendbachchor einzuladen. Ein guter Griff der Organisatoren, denn die Auftritte dieses Chores setzten musikalische Glanzpunkte des dreitägigen Heimattages. In drei Veranstaltungen konnte sich der Chor von unterschiedlichsten Seiten zeigen und einen Beweis seines Könnens und seiner stilistischen Bandbreite liefern. Diese reichte vom schlichten volksliedhaften Satz bis hin zu anspruchsvollen Sakralwerken klassischer, romantischer oder gar gegenwärtiger Komponisten.
Der hohe künstlerische Stand dieses Kammerchores – in Dinkelsbühl waren es zwanzig Sänger – ist sicherlich das Verdienst seines künstlerischen Leiters Steffen Schlandt. Der Name Schlandt ist für Kronstädter so etwas wie ein Qualitätsgarant. Mit diesem Namen verbinden sich die Geschicke der Kronstädter Kirchenmusik nun in dritter Generation seit nunmehr einem halben Jahrhundert. 1962 hatte der Großvater Walter Schlandt das Organistenamt an der Schwarzen Kirche wie auch die Leitung des Bachchors von dem so verdienstvollen Vorgänger Victor Bickerich übernommen, dies auch mit der Absicht, das so ehrenvolle Amt an seinen Sohn weiterzugeben. Eckart, der Sohn, übernahm denn auch das Amt des Organisten und Kantors 1965 nach seinem Bukarester Studium und verwaltete es äußerst verdienstvoll bis heute. Sein kunstvolles Orgelspiel ist auch heute noch an der berühmten Buchholz-Orgel der Schwarzen Kirche zu hören. Seit 2004 teilt er das Amt des Organisten mit seinem Sohn Steffen.
Der Jugendbachchor Kronstadt setzt Glanzpunkte ...
Der Jugendbachchor Kronstadt setzt Glanzpunkte beim Heimattag 2011 in Dinkelsbühl, hier bei der Veranstaltung "Das Burzenland in Sagen und Liedern". Foto: Siegbert Bruss
Die Leitung des Bachchores ging jedoch ganz aus der Hand des Vaters in die des Sohnes Steffen über. Das betraf auch den Jugendbachchor, den bereits der Vater 1993 initiiert hatte. Sein aktuelles Erscheinungsbild ist das Werk des Sohnes, der mit dem Chor all das zu verwirklichen sucht, was er in gediegener Ausbildung erlernte. Sein Studium an der Klausenburger Musikakademie konnte er im Hauptfach Orgel in Trossingen (bei Prof. C. Bossert) vervollständigen. Es folgte ein Aufbaustudium für Chor- und Orchesterleitung an der Würzburger Hochschule für Musik.

Mit dem Jugendbachchor hat sich Schlandt das Instrument geschaffen, mit dem auch anspruchsvolle Aufgaben gemeistert werden können. Der Chor ist, was sein Name verspricht: ein Jugendchor, dessen Mitglieder zwischen 20 und 30 Jahren zählen und der zunächst durch die jugendliche Frische seines Klanges besticht. Die Vermutung, hier professionell geschulte Stimmen zu erleben, trifft zu. Ein Gutteil der Sänger sind Absolventen des Kronstädter Musikkonservatoriums. Eine hervorragende chorische Stimmbildung verleiht dem homogenen Gesamtklang in allen Stimmlagen zusätzlichen Schliff. Das geschieht in minutiöser Probenarbeit, die einmal wöchentlich im Anschluss an die Proben des „Großen“ Bachchors stattfindet.

Wenn die Volksweisheit „Kleider machen Leute“ stimmt, dann gilt sicher auch der Kehrsatz, dass das äußere Erscheinungsbild die innere Befindlichkeit widerspiegelt. Die bodenlangen Kleider (Kreationen der Dirigentenmutter) erhöhen in ihrer schicken Schlichtheit das grazile Erscheinungsbild der jungen Sängerinnen als Spiegel der schlanken Stimmgebung, auf die der Chorleiter bedacht ist. Dieser schlicht-schlanke Chorklang kam besonders den volkstümlichen Liedsätzen entgegen, die der Chor anlässlich der Burzenländer Brauchtumsveranstaltung am Pfingstsamstag im überfüllten Schrannen-Festsaal vortrug. Im Wechsel mit weiteren Burzenländer Bläser- und Gesangsformationen erklangen bekannte Heimatlieder dieses Landstriches. Es sind Kompositionen des letzten Jahrhunderts führender Komponisten wie Rudolf Lassel oder Johann Lukas Hedwig, aber auch verdienstvoller Dorfschullehrer oder Pfarrherrn (etwa Rudi Klusch oder Otto Reich), die den hohen Stand der Musikausübung früherer Zeiten dokumentieren und eines gemeinsam haben: der eigene Ort wird jeweils als das schönste und liebste Fleckchen auf der Welt bezeichnet.

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Solche Lieder beflügeln das Gefühl tiefster Heimatverbundenheit bis heute, auch wenn die Sänger oder Zuhörer längst eine andere geografische Heimat gefunden haben. Die meisten dieser Lieder gehören zum Standardrepertoire von Heimattreffen, andere mussten erst aufgefunden und arrangiert werden (z. B. das Rothbacher Heimatlied durch Chorleiter Schlandt). Ein Lied ist gar eigens für diesen Anlass geschrieben worden. Hans Bergel hat zu einer Melodie seines Bruders Erich Bergel einen Text geschrieben und damit ein neues Rosenauer Heimatlied geschaffen. Der oft üblichen Schwermütigkeit beim Singen dieser Lieder versuchte Schlandt entgegen zu wirken durch schlanke Tongebung, durch fließende Tempi mit feiner textbezogener Agogik wie auch durch gelegentliche Auflockerung des Satzes, wenn etwa die Begleitstimmen den Text durch locker-flockiges „don-don-don“ ersetzen.

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Zum musikalischen Mittelpunkt wurde der Beitrag des Jugendbachchores bei der Festveranstaltung „60 Jahre Heimattag – 800 Jahre Burzenland“ am Pfingstsamstag in der ebenso überfüllten Paulskirche von Dinkelsbühl. Hier erklangen außer dem bereits erwähnten „Burzenland-Lied“ noch weitere beliebte Chorsätze mit Bezug zu dem gesegneten und gefeierten Landstrich im Karpatenbogen.

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So Hermann Kirchners bekannter „Holderstrauch“ („Äm Hontertstroch“), der es zum vielfach übersetzten „Welthit“ gebracht hat, oder Friedrich Binders nicht minder beliebtes Lied „Die Gipfel der Karpaten“. Beim glockenklaren Klang des Chores vermeinte man die klare, frische Gebirgsluft der Karpaten zu atmen.

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Fehlen durfte auch nicht das wohl älteste und bekannteste siebenbürgische Volkslied „Et såß e klī wäld Vijelchen“, allerdings in deutscher Textfassung. In dem polyphon eigenwilligen Satz von Karl Fisi ließ Schlandt das „wilde Vöglein“ auch solistisch zu Worte kommen. Das jüngste Chormitglied, die 14-jährige Schäßburger Schülerin Agathe Halmen, durfte mit lieblicher Stimme die Rolle des freiheitsliebenden Vögelchens übernehmen und erntete damit viel Applaus.

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Ein weiteres Vögelchen, die Nachtigall, wird zum Liebesboten in einem der ältesten Liebeslieder, das in Kronstadt spielt: „Zu Kronen vor’m Burgertor“, („Ze Krīnen vir’m Borjerdīr“) war wiederum in deutscher Textfassung, aber gleich in zwei unterschiedlichen Vertonungsvarianten zu hören. Zunächst in einer aparten Chorfassung von Norbert Petri und dann in einer weiteren Fassung für Sologesang (Gabriela Schlandt, die Frau des Dirigenten) und Orgel (Steffen Schlandt), die mit phantasievoll improvisierten Zwischenspielen den lockend-jubelnden Gesang der Nachtigall nachzuzeichnen suchte.

Ein ganz neues Klangbild entstand, als der Chor die Altarstufen verließ und im zweiten Programmteil auf die Orgelempore wechselte und damit auch vom volksliedhaften zum anspruchsvolleren Konzertprogramm überging. Johann Lukas Hedwigs Eingangschor „Erschalle Lob“ zu seiner „Pfingstkantate“ erfordert die volle Klangentfaltung eines Oratorienchores. Das Klangwunder dieses Eindrucks erreichte Schlandt (der zusätzlich den Orchesterpart an der Orgel übernommen hatte) mit nur zwanzig Sängern, indem er sie wie Schwalben auf einem Leitungsdraht einzeln an der Emporebrüstung aufreihte. Über welch hervorragende Chorsänger Schlandt verfügt, verriet auch Lassels eindrückliche Psalmvertonung „Wie der Hirsch schreit“, denn hier durften einzelne Chormitglieder solistische Partien im Wechsel mit dem Chor-Tutti übernehmen.

Von dem gewichtigen Kronstädter Musiker Lassel war noch dessen Motette „Laß dich nur ja nichts dauern“, wie auch sein bekannter Bittgesang „Die Betglocke“ zu hören. „Diese Glocke hat uns die größten Schwierigkeiten bereitet“, bekannte Chorleiter Schlandt, denn es war das einzige in sächsischer Mundart gesungene Lied. Spätestens jetzt durfte man sich Rechenschaft geben, welch akribische Arbeit hinter der so vorbildlichen Diktion des Chores in einwandfreiem Deutsch steckte. Von den 20 Sängern beherrschen nur drei das Deutsche als Muttersprache. Fünf Ungarn und zwölf Rumänen haben sich die Sprache und die Texte in vorbildlicher Weise zu eigen gemacht. Mit J. L. Hedwigs Siebenbürgen-Lied beendete der Bachchor stimmungsvoll diese Veranstaltung nicht ohne den Hinweis, das Moltkes Originaltext zunächst Kronstadt gewidmet war: „Bürger Kronstadts, laßt uns singen!“

Jugendbachchor Kronstadt: Siebenbürgenlied

Dieses sehr komplexe Bild, das der Jugendbachchor bislang abgeliefert hatte, wurde mit seinem dritten Auftritt beim sonntäglichen Pfingstgottesdienst in der Paulskirche noch weiter abgerundet. Predigt, Liturgie, Gemeindegesang und die Darbietung des Chores vereinten sich hier zu beeindruckender Verkündigung. Wiederum erklang zu Beginn der prächtige Eingangschor aus Hedwigs „Pfingstkantate“, die auch als „Orgelkantate“ in Kronstadt und dem Burzenland verbreitet war. Von Dimitri Bortnjanski, dem in Deutschland so beliebten, oft verkitscht überstrapazierten russischen Komponisten, war dessen a-capella-Chor „Komm heil’ger Geist“ in gezügelter Schlichtheit zu hören. Mit zwei weiteren Werken begab sich der Chor dann auf das Gebiet der neueren Sakralmusik. Von dem in Klausenburg wirkenden Kronstädter Komponisten Hans-Peter Türk erklang in makelloser Tongebung dessen Psalmvertonung „Es soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen“. Ein interessanter Schlenker in unkonventionelle Klanggefilde bot auch die Pfingstsequenz „Veni Sancte Spiritus“ des ungarischen Gegenwartskomponisten Györgyi Orban, die mit gleicher intonatorischer Treffsicherheit gesungen wurde. Das mag den Liturgen des Gottesdienstes, Dekan i. R. Hermann Schuller, zu besonderen Dankesworten bewegt haben. In Anlehnung an die himmlische Pfingstbotschaft rief er dem Chor zu: „Ihr habt wie Engel gesungen“, was die sichtbar beeindruckten Zuhörer mit anhaltendem Applaus zu bestätigen schienen.

Leider ging der letzte Beitrag des Chores im Trubel des Aufbruchs unter. Es ist eine weitverbreitete Unsitte unter den Siebenbürger Sachsen, dem Orgelnachspiel nicht als Kunstgenuss zu lauschen, sondern als Signal zum Aufbruch zu verstehen, wobei man laut schwatzend das Gotteshaus verlässt. Schade, die Orgelklänge waren hier der Einstieg zum Eingangschor aus der Pfingstkantate „Heil sei der grünen Flur“ von Johann Gottfried Krebs. Die jüngst aufgefundene Handschrift beweist, welch reiche Schätze noch immer im Kirchenarchiv von Kronstadt gehoben werden können, denn dieser Krebs war der Sohn von Bachs Lieblingsschüler Johann Ludwig Krebs (dem „einzigen Krebs im Bache“, so die Einschätzung des Thomaskantors).

Der Dinkelsbühler Auftritt des Kronstädter Chores ist Teil einer kleinen Chor-Tournee, die an den beiden nächsten Tagen noch weitere Auftritte auf Schloss Horneck in Gundelsheim wie auch in der Stuttgarter Hospitalskirche vorgesehen hat. Die Fahrt bzw. der Flug wurde durch Mittel des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Landesgruppe Baden-Württemberg, der HOG-Regionalgruppe Burzenland sowie der HOG Kronstadt ermöglicht und zeigte – in Abwandlung des Festtagsmottos – dass Wurzeln von hüben auch Flügel drüben entfalten und sicherlich Brücken bauen können.

Prof. Heinz Acker

Schlagwörter: Heimattag 2011, Chor, Kronstadt, Burzenland

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