30. Juni 2011

Ausstellung beim Heimattag: vier Burzenländer Künstler

Zu Pfingsten wurde die Ausstellung „Vier Burzenländer Künstler“ im Kunstgewölbe im Spitalhof in Dinkelsbühl gezeigt. Zu sehen waren insgesamt 46 Bilder von Heinz Schunn, Susanne Schunn, Kaspar Lukas Teutsch und Helfried Weiß. Die im Folgenden ungekürzt wiedergegebene Einführung zur Ausstellung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim und des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hielt Marius Joachim Tataru, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim.
Selbst wenn man sich nie konstant und gezielt mit dem aktuellen Kunstgeschehen beschäftigt hat, und auch nur am Rande einiges von dem Superangebot mitbekommen hat, mit dem der Kunstmarkt das Ausstellungswesen und die Medien füttert, so wird man trotzdem irgendwann festgestellt haben, dass der Begriff „Kunst“ längst nicht mehr das umschreibt, was man üblicherweise darunter versteht, dass er schier zu „explodieren“ und wie eine Supernova ins „Unendliche“ zu expandieren scheint. Ist dies das Ende der „anderen“ Kunst, die man mit Pinsel und Farbe, mit Stichel und Bleistift, mit Hammer und Meißel macht? Höchstwahrscheinlich nicht, denn im Gegensatz zur Technik hat Kunst keine lineare, sondern eine weit in alle Richtungen ausgedehnte Entwicklung. Jede Kunst, jede Kunstform hat Bestand, solange sie der Banalität entgeht und mit einem lebendigen Inhalt gefüllt ist.
Kaspar Lukas Teutsch vor zwei seiner Werke in ...
Kaspar Lukas Teutsch vor zwei seiner Werke in Dinkelsbühl. Foto: Hans-Werner Schuster
Sehen Sie sich bitte in diesem Raum um. Werke von vier Künstlern sind hier ausgestellt, die allesamt der ältesten Generation siebenbürgischer Künstler gehören oder gehörten und dem selben Kronstädter Kunstmilieu entstammen, aus dem sich vor mehr als einem halben Jahrhundert die siebenbürgische Kunstmoderne am allerprägnantesten herausbildete. In ihrer Kunst sind sie unterschiedliche Wege gegangen, haben verschiedene Schaffensphasen durchquert und nie den Mut aufgegeben, Neues zu experimentieren. Als ich gestern, am späten Abend, die Auswahl der ausgestellten Werke nochmal durchsah, fiel mir die Vielseitigkeit der Formen, der Reichtum an Ideen, die respektvolle Behutsamkeit auf, mit der die dinglichen Eigenschaften erfasst und in die Sprache der Kunst übersetzt werden.

So überrascht Helfried Weiß, der vor wenigen Jahren verstorbene Meister der „schwarzen Kunst“ des Holzschnitts, indem er einen unerwarteten Spagat schafft zwischen den allseits bekannten, strengen Graphikwerken und den späten, gemäldeartigen Arbeiten von unvermutet reicher, von leichter Hand aufgetragener Farbigkeit. Auf der einen Seite dunkle, scharfkantige Flächen und kräftige, rational fundierte, fast abstrakte Formen, die optisch im Weiß des Grundes versinken. Auf der anderen Seite lyrische Landschaften, beherrscht von einer im Farbigen sehr differenziert vorgetragenen, samtigen Malerei, in der sich Bildgrund und Farbflächen durchdringen.
Marius Joachim Tataru führte in die Ausstellung ...
Marius Joachim Tataru führte in die Ausstellung ein. Foto: Christian Schoger
Betrachtet man andererseits die verschiedenartigen Bilder Heinz Schunns, scheint selbst die alte Fehde zwischen Figuration und Abstraktion gegenstandslos. Denn der Künstler leistet sich die Freiheit, sowohl formalistische als auch figurativ erzählende Positionen zu beziehen – und zwar hemmungslos auch innerhalb der gleichen Arbeit und unabhängig von der Entstehungszeit der Bilder. Schunns eigentlicher bildnerischer Motor ist die Freude am Experimentieren, gespeist von dem souveränen Umgang mit unterschiedlichen druckgraphischen Techniken – von der gravierenden Disziplin des Holzschnitts, über Linol-, Stein- und Siebdruck bis zu der launischen, nie wiederholbaren Monotypie. Bildnerisches Thema seiner Werke ist es, die ganze Landschaftsstruktur zum Ausdrucksträger werden zu lassen, ihre emotionalen wie auch gestalterischen Werte zum Vorschein zu bringen. Vital-zupackendes gestalterisches Temperament, gepaart mit materialhafter Präsenz rhythmisch strukturierter Bildkonstrukte und ungebrochener Farbenfreude sind wichtige Attribute in der Entwicklung des Graphikers Heinz Schunn. Sie bilden auch in der hier gezeigten Übersicht den Ausgangspunkt, von dem aus die immer wieder neu angegangenen Landschaftsbeobachtungen über vier Jahrzehnte hinweg abgelesen werden können.

Jahrzehntelang blieb die 1929 geborene Susanne Schunn der gegenständlichen Malerei treu. Die große Wende stellt sich, mit überwältigender Kraft, ab Mitte der 90er Jahre ein. Wir sehen es in den Werken, die uns umgeben. Eine über lange Zeit angesammelte Kraft entlädt sich in den meist großformatigen Kompositionen, eine dichte Masse von Gefühlen und optischen Impressionen lässt ein persönlich verarbeitetes Reales unter den Bedingungen des Abstrakten erscheinen. Die Künstlerin malt energiegeladene Bilder und scheint es zu genießen, uns auf einen risikoreichen Grat zu locken, von dem aus die alte, „realistische“ – nunmehr zu überwindende – und die neu vorgeschlagene Bildauffassung sichtbar sind. Zwar lässt sich die lange Erfahrung mit der figuralen Malerei nicht verleugnen, die Regeln der wohltemperierten Komposition scheinen auch in der gewagtesten Formenakrobatik durch.

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Der 1931 geborene Kaspar Lukas Teutsch ist in höherem Maße als die weiteren drei Beteiligten an dieser Ausstellung ein Bastler und ein Tüftler, der durch unerwartetes Manövrieren der meisterlich beherrschten Mittel der Graphik, aber auch durch rationales Denken für Irritierung sorgt. Seine immer wieder überraschenden Werke entziehen sich einem fest umrissenen Thema. Er lässt sich keinem Gestaltungsprinzip unterwerfen, sondern richtet sich mit seiner Prinziplosigkeit gegen ein voraussehbares „Ganzes“. Teutsch möchte einen ursprünglich objektiven Tatbestand zum Ausdruck bringen, den er letztlich mit zahlreichen subjektiven bildlichen Kommentaren unvermittelt befrachtet. Das Ergebnis sind unerwartete Denkanstöße vermittelnde Konzept-Bilder, die über rein optische Versuchsanordnungen auf erkenntnisrelevante Probleme hinlenken, auf eine „Kunst-im-Kopf“.

Gestatten Sie mir, dass ich mich im Namen des Siebenbürgischen Museums bei den Künstlern bedanke, die uns ihre Werke zur Verfügung gestellt haben, und bei Ortwin Weiß, der uns den Zugang zu den Werken seines verstorbenen Vaters ermöglichte. Ganz besonders möchte ich mich bei Heinz Schunn und Susanne Schunn – die heute leider nicht anwesend sein können – bedanken, nicht nur für die hier ausgestellten Bilder, sondern und vor allem für die Hunderte von wunderbaren Werken, die sie uns in den letzten drei Jahren geschenkt haben.

Marius Joachim Tataru

Schlagwörter: Heimattag 2011, Burzenland, Künstler, Siebenbürgisches Museum

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