31. Oktober 2011

Eine glanzvolle Woche Musik in der Zinnenstadt

Vom 11. bis 16. Oktober fand in Kronstadt die 9. Auflage der Festspiele „Musica Coronensis“ statt. Die Konzertreihe, die mit Recht als „wichtigstes musikalisches Ereignis der Kronstädter“ bezeichnet wurde, ist zu einer bereichernden Tradition für die Zinnenstadt gewachsen und bleibt zugleich frisch und originell. Für eine ausführliche Chronik kann ein Artikel nicht ausreichend Platz bieten, deshalb stellen die folgenden Zeilen nur den Versuch einer (subjektiven) Bilanz in vielen Plus- und wenigen Minuspunkten dar.
Eines der großen Verdienste der „Musica Coronensis“ liegt in der Vision: es geht um die einzige Konzertreihe, die schon seit ihrer ersten Auflage (2003) der Kronstädter Musik gewidmet ist. Interpreten und Komponisten aus Kronstadt bilden den Kernpunkt der Festspiele; es werden neue Werke uraufgeführt (wie heuer das „Hommage à George Enescu“ für Solovioline von Gabriel Mălăncioiu); Instrumentalisten, Dirigenten und Sänger von nah und fern bringen selten gespielte oder gesungene Musik Kronstadts zu Gehör und machen sie bekannt. Möglichst viele Institutionen und Konzertsäle der Zinnenstadt beteiligen sich am Festival und schaffen eine Vielfalt von musikalischen Stimmungen: Diesmal waren das Museum der Städtischen Zivilisation, der Gemeindesaal der Honterusgemeinde, das Museum „Casa Mureșenilor“, das Armeehaus, das Kulturzentrum Rédoute und die Schwarze Kirche dabei. Zudem bietet die Webseite www.musica.coronensis.ro wertvolle Informationen zum Kronstädter Musikleben und zur Musikgeschichte sowie ein immer reicheres Audioarchiv von Live-Mitschnitten von den Konzerten.

Ein weiterer Pluspunkt liegt in der dynamischen Gestaltung des Festivalprogramms: Heuer gab es drei Kammermusikkonzerte, zwei Liederabende, eine Instrumentalmatinee, ein symphonisches und ein vokal-symphonisches Konzert. Die Vorstellung des „Hauses der Musik“ in den Räumlichkeiten des Museums „Casa Mureșenilor“ war ein festlicher Rahmen für die Auftritte des Duos „Charisma“ aus Temeswar und der Sopranistinnen Maria Petcu-Catrina und Cristina Radu, am Klavier begleitet von Petruța Măniuț-Coroiu. Außerdem wurde mit der Vorstellung des Buchs und der CD „Heimatlieder aus dem Burzenland“ gleich in der Eröffnungsveranstaltung der Festspiele der Bezug zum Burzenland-Jubiläum hergestellt. Um beim Burzenland zu bleiben: Auch die Michael-Weiß-Gedenkfeier in Marienburg wurde ins Programm der „Musica Coronensis“ aufgenommen. In der Schwarzen Kirche konzertierte der Organist Gedymin ­Grubba, der aus Pelplin kommt, einer Stadt die nur wenige Kilometer vom polnischen Marienburg (Malbork) entfernt liegt. Da die Konzertreihe im Zeichen des 150. Geburtstags von Rudolf Lassel stand, spielte die Einweihung der Gedenktafel zu Ehren des Kronstädter Organisten, Dirigenten, Komponisten, Pianisten und Pädagogen am Honterus-Hof eine zentrale Rolle. Die Dankbarkeit, die auf der Gedenkplatte erwähnt wird, war auch im Konzertrepertoire zu spüren, denn Musik von Lassel war an fast jedem Abend präsent. Ein weiterer Jubiliar ist Helmut Sadler, der heuer seinen 90. Geburtstag feiert und dessen schöne „Sinfonietta“ in der Interpretation der Kronstädter Philharmonie erklang.
Abschlusskonzert in der Schwarzen Kirche mit dem ...
Abschlusskonzert in der Schwarzen Kirche mit dem Bach- und dem „Astra“-Chor, dirigiert von Steffen Schlandt, dem Koordinator der Festspiele. Sopran: Bianca Manoleanu. Foto: Christine Chiriac
Die Konzerte halten sich an hohe Standards. Am ersten Festspieltag interpretierte das Quartett „Sine nomine“ sehr überzeugend und mit Geschmack für das Genre Streichquartett Werke von R. Lassel und P. Richter. Die Musikerfamilie Manoleanu aus Bukarest bot auch in diesem Jahr einen sehr gelungenen Liederabend. Ein absolutes Highlight war das Konzert der 12 Celli aus Klausenburg (mit Humor genannt „Napocelli“), die mit großer Hingabe ein buntes Repertoire präsentierten. Vielleicht hätte man im Rahmen des ­Festivals auch ein Werk von Franz Liszt hören wollen, dessen zweihundertjähriges Geburtsjubiläum wenige Tage nach dem Festivalabschluss von der Musikwelt gefeiert wurde.

Im Abschlusskonzert der Festspiele standen Mendelssohn als „Lehrer“ und seine Kronstädter Schüler Rudolf Lassel und Gheorghe Dima in einem eindrucksvollen kirchenmusikalischen Dialog. Es beteiligten sich der Bachchor und der „Astra“-Chor – zwei Laienchöre, die sich nur selten von professionellen Musikensembles unterscheiden lassen; an der Buchholz-Orgel spielten Eckart Schlandt und Steffen Schlandt, während das Vokalensemble „Anatoly“ das Programm mit Klängen des Ostens ergänzte. Nur eine Bemerkung: Die Psalmvertonung „Wie der Hirsch schreit“ von Mendelssohn war im Part der Solostimme dramatisch und expressiv, jedoch an manchen Stellen etwas zu opernhaft.

Die Festspiele haben den Vorzug, dass sie von der deutschen Minderheit, der Honterusgemeinde und der Deutschen Botschaft in Bukarest (als Hauptveranstalter) ausgehen, aber offen und multikulturell wie Kronstadt und Siebenbürgen selbst sind. Außerdem stehen auf den Plakaten unter „Förderer“ immer wieder Sponsoren aus der freien Wirtschaft – ein Zeichen dafür, dass sich auch die Firmen unterstützend in das Kulturleben einbringen.

In mancher Hinsicht gibt es auch Entfaltungsspielraum nach oben. Was könnte besser werden? Erstens die Publikumszahl: Zwar gab es erfreulicherweise viel junges Publikum, doch gerade bei sehr guten Konzerten wie beispielsweise dem der „Napocelli“ blieben viele Plätze unbesetzt. Schade, denn die meisten Konzerte hatten entweder freien Eintritt (heutzutage ein Luxus!) oder einen guten Zweck, nämlich den Vorsatz, einen Großteil des Erlöses vom Kartenverkauf in verschiedene Orgelrestaurierungsprojekte fließen zu lassen (heutzutage eine Ausnahme!). Vielleicht hätte die Presse das Festival intensiver begleiten müssen? Oder vielleicht brauchen große Projekte generell mehr als neun Auflagen, um über die Grenzen des Stammpublikums (das fleißig von einem Konzertsaal zum anderen geeilt ist) hinauszuwachsen. Vielleicht sollten noch mehr Kronstädter Ethnien musikalisch einbezogen werden? Technisches Verbesserungspotential liegt (mit wenigen Ausnahmen) in der Aussprache der deutschen Texte, sowohl bei Solisten als auch bei Chören.

Fazit: „Musica Coronensis“ ist Jahr für Jahr eine wahre Freude: Man fragt sich schon gespannt, was die Veranstalter für die 10. (Jubiläums)Auflage vorbereiten.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Kronstadt, Konzertreihe, Musik

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