28. November 2011

Pfarrer Konrad Möckel – ein Leben für eine lebendige christlich-sächsische Gemeinschaft

In der umfangreichen Biographie „Umkämpfte Volkskirche. Leben und Wirken des evangelisch-sächsischen Pfarrers Konrad Möckel (1892-1965)“ würdigt Andreas Möckel nicht nur das Leben und Wirken seines Vaters, sondern beleuchtet und hinterfragt zugleich kritisch die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse der siebenbürgisch-sächsischen Geschichte, vor allem der evangelischen Volkskirche, in den Jahrzehnten nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre. Konrad Möckel war in jenem Zeitabschnitt eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Siebenbürger Sachen.
Konrad Möckel wurde als Sohn des Pfarrers Gustav Möckel am 29. Juni 1892 in Petersdorf im Unterwald geboren. Nach Abschluss des Hermannstädter Gymnasiums entschloss er sich zum Studium der Naturwissenschaften, und zwar Chemie und Biologie, mit dem Ziel, Gymnasialprofessor zu werden. Nebenbei studierte er, wie es damals üblich und erforderlich war, auch Theologie. Er besuchte von 1912-1915 die Universitäten Leipzig, Berlin und Klausenburg. Im Jahr 1918 promovierte er als Assistent des Geologischen Instituts von Klausenburg im Fach Mineralogie und betrieb auch in der Folgezeit mineralogische Studien. Seine Berufung fand er aber ab 1920 als Professor für Naturwissenschaften am Hermannstädter Gymnasium. Im Jahr 1925 folgte er dem Ruf als Pfarrer nach Großpold und 1933 als Stadtpfarrer von Kronstadt. Damit besetzte er eine der wichtigsten Stellen in der evangelischen Kirche der Siebenbürger Sachsen. Hier wirkte er erfolgreich bis zu seiner Verhaftung durch die kommunistischen Repressivorgane (1958). Nach seiner Entlassung aus der Haft siedelte er 1963 mit seiner Frau in die Bundesrepublik Deutschland aus, wo er am 28. August 1965 verstarb.

Konrad Möckel um 1940. Foto: O. Netoliczka (?), ...
Konrad Möckel um 1940. Foto: O. Netoliczka (?), Bildarchiv Andreas Möckel
Konrad Möckel war verheiratet mit Dorothea, geborene Schullerus. Das Ehepaar hatte drei Söhne: Christian, der früh verstarb, Gerhard und ­Andreas. Die beiden letztgenannten Söhne verblieben nach Kriegsgefangenschaft bzw. Zwangsdeportation in die Sowjetunion in der Bundesrepublik Deutschland. Andreas Möckel, emeritierter Professor für Sonderpädagogik an der Universität Würzburg, bietet nun aus eigenem Erlebnis und aufgrund des Nachlasses seines Vaters und anderer Quelle ein umfangreiches Bild siebenbürgisch-sächsischer Geschichte im 20. Jahrhundert.

Konrad Möckel hat sich vor allem als Pfarrer einen Namen gemacht. Seine Bemühungen galten vor allem der christlich geistigen Belebung der siebenbürgisch-sächsischen Volkskirche. Wer an deren Existenz, wie einige Historiker, zweifelt, möge dieses Buch lesen. In der Volkskirche, die im Leben der Siebenbürger Sachsen eine identitätserhaltene, existentielle Rolle spielte, war das Völkische mit dem Kirchlichen eine Symbiose eingegangen. Pfarrer Möckel missfiel, dass zu seiner Zeit die Volkskirche mehr Volk als Kirche geworden war, dass das Weltlich-Völkische auf Kosten des Religiös-Sittlichen überhandgenommen, dass sie von politischen Vertretern vor allem als funktionale volkserhaltende Institution betrachtet wurde. Möckel hat sich zeit seines Lebens als Pfarrer für eine Rückbesinnung auf das christliche Erbe und einen vertieften Gottesdienst eingesetzt. In seiner Schrift „Volkstum und Glaube. Vom Ringen um die Gestaltung einer evangelischen Volkskirche“ (1930) schrieb er: „Wahrhaft zum Volk werden Menschen nur durch den gemeinsamen Gott“. Und an anderer Stelle: „So wird uns denn die Kirche wieder zum Mittelpunkt werden müssen, nicht als Organisation, nicht als Fürsorgekrücke, nicht als politische Einrichtung, nicht in der Verfälschung staatsbürgerlicher oder völkischer Erziehung, nicht als Hüterin und Lehrerin geschichtlicher Vergangenheit, sondern als die lebendige Verwirklichung heiliger Gegenwart.“ Möckel war nicht gegen die Pflege der völkischen Traditionen und die Verteidigung von national-ethnischen Belangen, meinte aber, dafür sollte nicht die Kirche funktionalisiert werden.

Die vorliegende Biographie zeigt auf, wie Konrad Möckel in verschiedenen Abschnitten seines Wirkens dieses Ziel verfolgt hat. Zunächst galt es in den christlichen Gemeinden, denen er diente, durch einen vertieften Gottesdienst, aber auch durch andere Aktivitäten, vor allem mit der Jugend diese Einstellung zu vermitteln. Durch sein Wirken und seine Schriften drang sein Wort über seinen Wirkungskreis. Am Anfang der 1930er Jahre hoffte er, durch die Jugendbewegung des „Wandervogels“ und die genossenschaftliche Selbsthilfebewegung von Fritz Fabritius einen Nährboden für seine Vorstellungen zu finden, wandte sich aber ab 1933 von ihnen ab, da sie in den Sog des Nationalsozialismus geraten waren. In den folgenden Jahren hatte es die Kirche schwer, da die nationalsozialistische Erneuerungsbewegung sie zu vereinnahmen versuchte und eine christen- und kirchenfeindliche Stellung zugunsten einer heidnischen, „deutschen Kirche“ bezog, die evangelisch-kirchlichen Würdenträger, vor allem Bischof Viktor Glondys, angriff. In dem politischen Machtkampf zwischen der radikalen, nationalsozialistischen „Deutschen Volkspartei“ (Alfred Bonfert) und dem gemäßigten „Verband“ bzw. der „Volksgemeinschaft“ der Deutschen Rumäniens (Fritz Fabritius) wurde auch die Kirche mit hingezogen. Als der Streit durch den Eingriff des Dritten Reiches beendet wurde, geriet die „Deutsche Volksgruppe“ Rumäniens 1940 ganz in die Einflusssphäre des Reichskommissariats der SS und wurde mit der Politik Deutschlands gleichgeschaltet. Der neue Volksgruppenführer Andreas Schmidt erzwang den Rücktritt von Bischof Glondys und setzte durch manipulierte Wahl den der nationalsozialistischen Bewegung angehörenden und ihm gefügigen Wilhelm Staedel zum neuen Bischof ein. Dabei weist Andreas Möckel auch darauf hin, wie sich die Sachsen, einschließlich seines Vaters, gegenüber dem Dritten Reich verhalten haben.

Konrad Möckel ist in jenen Jahren verschiedene Wege gegangen und hat versucht, das geistliche Erbe der evangelisch-sächsischen Kirche zu retten, vor allem durch Erweiterung und durch die Gestaltung des Gottesdienstes, durch Vorträge, Arbeit mit Jugendgruppen, Veröffentlichungen u.a. Durch die Gründung des Frecker Kreises (1934), der später in der Evangelischen Michaelsbruderschaft aufging, gelang es ihm, gleichgesinnte Amtsbrüder für seine Arbeit zu gewinnen. Wichtige Impulse gab ihm sodann die Teilnahme an der Weltkirchenkonferenz von Oxford 1937. Das waren bedeutsame Stationen in Möckels Wirken.

Die Jahre nach dem Umsturz vom 23. August 1944 brachten für die Deutschen Rumäniens ­Verfolgung, die Deportation der arbeitsfähigen Männer und Frauen zu Zwangsarbeit in die Sowjetunion, Enteignung und andere Verluste. Rumänien wurde ein kommunistisches Land. Möckel verfolgte in diesen Jahren weiterhin seine seelsorgerliche Tätigkeit, die im Buch ausführlich geschildert wird. Besonderes Aufsehen ­erregte der so genannte „Schwarze-Kirche-Prozess“ des Jahres 1958. In diesem und anderen politischen Schau- und Einschüchterungsprozessen jener Jahre ging es der Securitate darum, die sächsische Bevölkerung und ihre Kirche einzuschüchtern und dem Regime gefügig zu machen. Das Kultur- und Gemeinschaftsleben sowie das Zusammengehörigkeitsbewusstsein der Sachsen, das sich in den 1950er Jahren nach den schweren Schlägen der Nachkriegsjahre allmählich zu erholen begann, brandmarkte sie als staatsfeindlichen Nationalismus. Sie sollten zerschlagen werden. Durch fingierte Beschuldigungen ohne jede plausible Grundlage und erpresste „Geständnisse“ wurden die Kronstädter Freundeskreise von Horst-Peter Depner und Günter Volkmer, die sich in deren Wohnung gelegentlich zu Gesprächen über Literatur- und andere Kulturfragen getroffen und auch die biblischen Jugendstunden von Pfarrer Möckel besucht hatten, als subversive, staatsfeindliche Geheimorganisation angeklagt, wobei Stadtpfarrer Möckel als ihr angeblicher Hauptführer und Hauptschuldiger „denunziert“ wurde. Die Angeklagten wurden in Kronstadt vom Klausenburger Militärgericht zu Strafen von fünf Jahren bis lebenslänglich verurteilt. Stadtpfarrer Möckel wurde als angeblicher Spion des westdeutschen Imperialismus und als Anführer einer geheimen, nationalistischen Verschwörerorganisation beschuldigt, die den Sturz des sozialistischen Regimes verfolgt habe. Zunächst wurde er zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde dann „strafmildernd“ in schweren Kerker auf Lebenszeit umgewandelt. Die Haftstrafe haben Möckel und die Mitangeklagten in verschiedenen Gefängnissen und Verbannungsorten verbracht. Zuletzt war Möckel in die im Bărăgan gelegene Ortschaft Valea Călmațiului verbannt. Aufgrund von Interventionen der Söhne und prominenter ­Persönlichkeiten und Institutionen der Bundesrepublik hat der Kronstädter Stadtpfarrer seine Strafe nicht ganz abgesessen, sondern ist 1963 entlassen worden und in die Bundesrepublik ausgewandert. Hier war er bis 1964 als ehrenamtlicher Heimleiter im Kloster Kirchberg tätig. Mit der Heimatkirche blieb er natürlich in Verbindung.

Dass die Verurteilten unschuldig waren, bezeugt u.a. der Beschluss des Obersten Gerichts Rumäniens von 1999, der alle im „Schwarze-Kirche-Prozess“ gefällten Urteile aufhob.

Michael Kroner


Andreas Möckel: „Umkämpfte Volkskirche. Leben und Wirken des evangelisch-sächsischen Pfarrers Konrad Möckel (1892-1965)“, Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2011, 393 Seiten (= Band 42, Studia Transylvanica), 49,90 Euro (für Mitglieder des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde: 34,93 Euro), ISBN 978-3-412-20662-8, erhältlich im Buchhandel und beim Siebenbürgen-Institut, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar.

Schlagwörter: Rezension, Pfarrer, Porträt, Möckel, Schwarze-Kirche-Prozess

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