31. März 2012

Schiller Verlag legt "Das Kulturpfeifen" von Schuster Dutz neu auf

Vor hundert und mehr Jahren war das gesellige Leben in unserer siebenbürgischen Heimat sehr viel anders als wir es in der medial durchdrungenen Gegenwart erleben. Dennoch: Bälle und Fasching wurden damals schon gefeiert und Vereine sorgten für Abwechslung und Vergnügen. Wenn etwa der „Mediascher Turnverein 1847“ am Silvesterabend seinen traditionellen Ball abhielt, gelangte die Silvesterzeitung zum Verkauf, in der man in Mundart oder Hochsprache, in Versen oder Prosa, mit Heiterkeit und nachsichtigem Spott das zurückliegende Jahr Revue passieren ließ und seine Mitbürger „durch den Kakao zog“. Zu den talentierten jungen Reimern, die auch beim „Sitttag“ der Kothgässer Nachbarschaft mit ihren Versen für Heiterkeit sorgten, gehörten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert neben Fritz Guggenberger, Josef Fabini und dem Apotheker Gustav Schuster auch der Sohn des letzteren, der später unter seinem Spitznamen Dutz allgemein bekannt wurde und in dem wir heute den Altmeister humoristischer Dichtung in sächsischer Mundart aus Siebenbürgen verehren.
Harald Krasser stellt Dutz’ Werk in die geistige Nachfolge von Gottfried Keller, wenn er notiert: „Das Seldwyla, in dem das Narrenspiel menschlicher Torheiten und Liederlichkeiten [...] abrollt, ist, sosehr es der Dichter hinter wechselnden, schalkhaft erfundenen Namen verschleiert, im Grunde doch immer wieder seine Heimatstadt.“ Seine Helden sind die kleinen Leute mit ihren banalen Schwächen, die sie in der engen bürgerlichen Gesellschaft ausleben. Mit spitzer Feder lässt er hier aufgeplusterte Vereinsvorstände sich selbst ad absurdum führen und stellt dort die ambivalenten Moralvorstellungen einer Mutter bloß, die ihrer Tochter während eines Kuraufenthalts eine „gute Partie“ verschaffen will. Mit nostalgischem Seufzen lässt er die mittelalterlichen Türme feststellen, dass die Zeiten vorbei sind, als die Städter zur Abwehr drohender Türkeneinfälle zusammenstanden und dass nun, mit dem Neubau des Gymnasiums etwa, der vor genau 100 Jahren feierlich eingeweiht wurde, auch ein neuer, als fremd empfundener Geist durch die altehrwürdige Stadt wehte.

Schuster Dutz: „Das Kulturpfeifen. Geschichten ...
Schuster Dutz: „Das Kulturpfeifen. Geschichten und Gedichte“.
Schuster Dutz’ gedrucktes Werk umfasste bis 1946 nur vier schmale Bändchen und einzelne Texte in Kalendern und Zeitungen. Bekannt wurde es bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor allem durch Lesungen, zu denen man ihn gerne einlud. Dass er seine Gedichte auch in der „Volksgruppenzeit“ als Leiter des Kreiskulturamts Weinland vorlas, musste er bitter bezahlen, als die Kommunisten die Macht übernahmen. Wie viele seiner Mitbürger hat er mehrmonatige Haft im Internierungslager Caracal und den Klausenburger Prozess gegen die „Schwerverbrecher“ aus Mediasch (1946) durchstehen müssen. Zwar wurde er freigesprochen, erlitt aber kurz danach einen leichten Schlaganfall. Diese Schicksalsschläge prägten seine letzten Lebensjahrzehnte, in denen er zunächst geächtet war wie fast alles, was damals deutsch bzw. sächsisch dachte, sprach oder schrieb.

Es war das Verdienst von Harald Krasser, der 1956 erreichte, dass der erste (und bisher einzige) Sammelband Dutz’scher Dichtung erscheinen durfte. Darin bündelte es die schmalen Bändchen „Eos menger Ährevakanz“ (Aus meinen Ernteferien), „De Tarockpartie“ und „Der gereimte Mensch“ nebst weiteren Gedichten und wies in seinem fundierten Nachwort auf die Bedeutung dieser Kleinkunst hin. Mit dem Band, der in den folgenden etwa 25 Jahren mehrere Auflagen erlebte, wurde die Rehabilitation des schmunzelnden Kritikers bürgerlichen Mittelmaßes eingeleitet. Seit kurzem ist das bisher vergriffene Buch nun wieder auf dem Buchmarkt präsent.
Im Schiller Verlag Hermannstadt erschien eine Neuedition, kein bloßer Nachdruck. Wilfred Römer aus Mediasch, der sich die Pflege der Mediascher Variante unserer sächsischen Mundart auf die Fahnen geschrieben hat und selbst gerne Dutz-Gedichte bei Veranstaltungen vorträgt, hat die Mundarttexte durchgesehen und, wenn nötig, Anpassungen, einschließlich bei diakritischen Zeichen vorgenommen. Alte Bilder aus dem Archiv der HG Mediasch stim­men optisch auf die vergangenen Zeiten ein. In schlankem Hochformat gestaltete Anselm Roth den eleganten Band, dessen Einbandmuster an die bibliophilen Kostbarkeiten der Insel-Bücherei erinnert. Freundlich lächelt uns darauf der Autor aus dem Fenster seines Hauses am Marktplatz zu, so wie er zu Lebzeiten seinen flanierenden Zeitgenossen zugelächelt haben mag. Er lädt den Leser des eiligen 21. Jahrhunderts zum Innehalten und Verweilen ein, um mit ihm hinter den Buchdeckeln seines „Kulturpfeifens“ in längst vergangene Zeiten einzutauchen.

Es lohnt sich, probieren Sie es aus! Die Lektüre sei nicht nur jenen ans Herz gelegt, die nach den Grundmustern „flausenmacherischen“ Humors suchen, sondern auch allen anderen, die die sächsische Mundart kennen lernen wollen und niemanden haben, dem sie zuhören können. Der Dutz’sche Sammelband ist eine seltene Kostbarkeit auf dem Buchmarkt. Zu wünschen wäre, dass auch die verstreuten, bisher nicht in Buchform veröffentlichten Werke sowie das, was sich in seinem Nachlass befindet, demnächst erschlossen und veröffentlicht wird.

Hansotto Drotloff


Schuster Dutz: „Das Kulturpfeifen. Geschichten und Gedichte“. Schiller Verlag, Hermannstadt und Bonn, 2011, ISBN 978-3-941271-54-8, erhältlich im Siebenbuerger.de/Shop, im deutschen Buchhandel oder direkt beim Verlag ­unter der Bonner Telefonnummer (0228) 90919557.
Das Kulturpfeifen
Schuster Dutz, Nachwort von Krasser, Harald. Mitwirkung (sonst.): Schneider, Maria / Römer, Wilfried. Umschlaggestaltung von Roth, Anselm
Das Kulturpfeifen

Schiller Verlag Hermannstadt/Bonn
23,5 x 13,8 cm
279 Seiten
EUR 9,95 (+ Versandkosten)
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Schlagwörter: Mundart, Gedicht, Kurzgeschichten, Mediasch

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