26. Juni 2012

Der Wunsch, die Welt in Bildern festzuhalten

Die großzügigen, hellen Räume des Erdgeschosses in der ehemaligen „Möbel-Fahr“-Nie­der­lassung in Gröbenzell bei München beherbergten am 24. Mai d.J. die Gemäldeausstellung des 1947 in Hermannstadt geborenen Malers Emo Schuschnig. Der in Würzburg und Pasadena/Kalifornien ausgebildete Künstler – seit 1991 freischaffend – beherrscht, was die Ausstellung eindrucksvoll veranschaulichte, sämtliche Techniken seines Fachs, von der Landschaft und dem Porträt in Öl über die pittura al fresco secco bis zur Palazzomalerei, dem Bühnenbild u.a.m.
Emo Schuschnig – dem Konrad Klein in der Folge vom 10. Juni 2011 dieser Zeitung (S. 8) eine vorzügliche Porträtskizze widmete – zeigte über sechshundert Arbeiten (!), die er wegen des unmäßigen Aufwands nicht gehängt, sondern lediglich an die großen Wandflächen gelehnt und auf dem Teppichboden ausgelegt hatte. Das tat, wenn auch ungewohnt, der Betrachtung nicht den geringsten Abbruch. Im Gegenteil, die Galeriebegehung wurde auf diese Weise zum kurzweiligen Spazierweg zwischen Groß- und Kleinformaten – Bildnisse, Städte- und Landschaftsansichten, Stillleben, Akte, Ornamentkompositionen etc. Alles gegenständlich.

Die Dichte der nebeneinander gestellten und gelegten Arbeiten – ausschließlich Leinwandmalerei – machte dabei die Vielgesichtigkeit des Schaffens Schuschnigs besonders deutlich. Sie ist nicht nur thematischer, sie ist vielmehr gestalterischer, vor allem farblicher Natur. Bald sieht Schuschnig die Santa Maria della Salute Venedigs in aquarellhaft durchsichtiger Helligkeit, dann wieder malt er den Gröbenbach seiner oberbayerischen Heimat im Großformat mit fast dramatischen Braun- und Grünvaleurs und energischem Pinselstrich.
625 Bilder aus zehn Jahren: Hans Bergel (links) ...
625 Bilder aus zehn Jahren: Hans Bergel (links) mit Emo Schuschnig in der Gröbenzeller Mammutschau vom 24. Mai. Foto: Konrad Klein
Daneben italienische Landschaften mit jener Atmosphäre toskanischer Klassik, die ungezählte deutsche Maler reizte – eine Zypressengruppe, ein solitäres Steinhaus vor leicht dunstigem Himmel. Zwei Schritte weiter ein van-Gogh und ein Richard-Wagner-Bildnis, südländisch überwucherte Toreingänge, deren blau-weiße Akkorde eine bestechende Poesie ausstrahlen. Ein See, dessen genial gemaltes Wasser über den Bildrand dem Betrachter entgegen zu quellen scheint. Gelegentlich Leinwände mit orientalisch inspirierten Bildideen. Doch auch ein monumental empfundener weiblicher Rückenakt. U.v.a. Einigen der ­Arbeiten ist die Flüchtigkeit des ruhelos weiterdrängenden Temperaments Schuschnigs anzusehen, anderen wieder dessen auf Genauigkeit im Detail bedachte, dem Detail fast minutiös verpflichtete Arbeitsauffassung.
Dramatische Braun- und Grünvaleurs mit ...
Dramatische Braun- und Grünvaleurs mit energischem Pinselstrich: der Gröbenbach im oberbayerischen Eichenau, gesehen von Emo Schuschnig. Acryl auf Leinwand, 2010. Foto: Konrad Klein
Was an der Gröbenzeller Gesamtschau der Arbeiten aus dem letzten Jahrzehnt – bei weitem nicht alles, was während dieses Zeitraums entstand – summa summarum ins Auge sprang, ist die barock anmutende Malfreude, mit der sich Emo Schuschnig der Magie des Griffs zum Pinsel hingibt, die Lust, mit der er das Angebot der Bilderfülle ringsum vom Menschengesicht bis zur weitgestreckten Hügellandschaft wahrnimmt und die optimistische Geste ihrer künstlerischen Besitzergreifung. Da ist einer, der jenseits des akademischen Disputs um Theorie und Lehrsatz in die Fülle der Erscheinungen hinein greift, besessen vom Wunsch, sie festzuhalten und getrieben vom „Willen zum Bild und von der Hoffnung, dass sich Unendliches in der Schönheit des Endlichen“ aufbewahren lasse, wie der aus Kronstadt in Siebenbürgen nach Innsbruck in Tirol verschlagene Kunst- und Kulturhistoriker Walter Myss (1920-2008) es ausdrückte.

Die nur für einen Tag anberaumte Ausstellung Emo Schuschnigs war nicht als Publikumsereignis gedacht – sie hatte, den Zweck, die Bilder filmisch und fotografisch „aufzunehmen“, um sie als DVD (digital versatile disc) multipliziert Kunstfreunden zugänglich zu machen. Es sei ihm und seinen Beratern bei der Auswahl eine glückliche Hand gewünscht.

Hans Bergel

Schlagwörter: Ausstellung, Malerei

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