9. Dezember 2012

Projekt „Zusammen“

Projekte, die Grenzen sprengen, können oft sehr ergiebig sein. Etwa das ungewöhnliche Projekt „Zusammen“. Am 27. und 28. September war das Nürnberger Forum für Bildung und Kultur Südpunkt Gastgeber eines deutsch-rumänische kulturellen Dialogs. Ein zahlreiches Publikum folgte der Einladung durch den rumänischen Kulturverein Dacia e. V. Nürnberg und die Heimatgemeinschaft (HG) Mediasch e.V. Tutzing.
Mitglieder und Zielgruppe beider Vereine sind Menschen, die in der Diaspora leben und deren gemeinsame Heimat Rumänien ist. Während „Dacia“ als Kulturplattform die zahlreichen in Deutschland lebenden Rumänen anspricht, ihre kulturellen Aktivitäten bündeln möchte und sich als Mittler ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft profiliert, richtet die HG Mediasch ihr Augenmerk auf die aus der Stadt an der Kokel stammenden Siebenbürger Sachsen, denen sie einen Ort der Begegnung bieten will, und natürlich auch auf die in der Heimat verbliebenen Deutschen, denen sie geistige und materielle Unterstützung bietet. Beide Vereine beschritten an diesen beiden Abenden Neuland, indem sie gemeinsam rumänische Künstler, in Rumänien und in Nürnberg lebend, zusammen auf eine Bühne luden. Durch kulturelle Darbietungen wollen diese auf ihr Land aufmerksam machen und mit dem deutschen Publikum darüber ins Gespräch kommen.

„Zusammen“ lautete das Motto der beiden Abende, die Ionela van Rees-Zota, Vorsitzende von „Dacia“, und Hansotto Drotloff, Kulturreferent der HG Mediasch, organisiert hatten, unterstützt von zahlreichen Freunden und Sponsoren, so dem Haus der Heimat Nürnberg, der Kreisgruppe des Bundes der Vertriebenen (BdV), dem Verband der Siebenbürger Sachsen und nicht zuletzt dem Kulturreferat der Stadt Nürnberg. Zusammen moderierten sie zweisprachig und führten die Gäste durch das Programm. Aus Rumänien waren zahlreiche Ehrengäste angereist, allen voran Andrei Marga, Vorsitzender des Rumänischen Kulturinstituts und langjähriger Minister in Bukarest, für das Unterrichtsressort und zuletzt das Äußere zuständig. Aus Petersdorf bei Bistritz stammend, in Durles bei Mediasch aufgewachsen, erinnerte er in seinem teilweise in deutscher Sprache vorgetragenen Grußwort an die gute Ausbildung, die er am Mediascher Stephan-Ludwig-Roth-Gymnasium erfahren hat. Er bekundete seine Absicht, ein Rumänisches Kulturinstitut in Bayern zu eröffnen, und stellte Nürnberg als einen möglichen Standort dar.

Unter dem Titel „Siebenbürgische Schätze“ wurde am ersten Abend ein Album mit vier Dokumentarfilmen von Nick Langa und Stefan Elefteriu aus Bukarest lanciert. Kulturellen Höhepunkten aus Siebenbürgen gewidmet, sollen sie ganz bewusst dem „Dracula“-lastigen Bild der Karpatenregion entgegen gestellt werden, mit dem stellenweise versucht wird, Rumänien als Reiseland zu profilieren. Den Reigen eröffnete der Streifen „Das Licht der Erkenntnis“, der den Betrachter in die Mitte des 19. Jahrhunderts und an den Fuß der Südkarpaten entführt, wo der vom Wissensdurst geradezu getriebene rumänische Bauer George „Badea“ Cârțan lebte, der durch seine Fußreise nach Rom und seine zum Verdruss der Obrigkeit über die Karpaten geschmuggelten rumänischen Bücher zu einer Legende des siebenbürgischen Rumänentums wurde. Den wunderbaren Bildern dieses Streifens standen einige anstrengende Längen entgegen, die sicherlich dem Enthusiasmus der Produzenten für dieses Thema geschuldet sind.
„Zusammen“ – beim deutsch-rumänischen ...
„Zusammen“ – beim deutsch-rumänischen Kulturdialog sprechen, von links: Prof. Dr. Andrei Marga, Direktor des Rumänischen Kulturinstituts (ICR), Hansotto Drotloff (HG Mediasch), Ionela van Rees-Zota (Dacia).
Beschwingter ging es nach der Pause zu, obwohl das Thema ernste nicht hätte sein können: Dem „Lustigen Friedhof“ aus der nordsiebenbürgischen Gemeinde Săpânța mit den weltbekannten, vom Holzschnitzer und naiven Bauernmaler Ion Stan Pătraș gestalteten Grabkreuzen war der Stil und Tenor des nächsten Streifens. Mit „Moartea ca o glumă“ (Der Tod als Scherz), wie der Originaltitel lautet, ist Langa und Elefteriu ein Meisterwerk gelungen. Den Abend beschloss „Ein Siebenbürger auf dem Weg zu den Sternen“, den Drehbuchautor Nick Langa als Reverenz vor dem als „Vater der Weltraumfahrt“ geehrten, aus den Reihen der Siebenbürger Sachsen stammenden genialen Erfinder Hermann Oberth gestaltet hat. Eigentlich ist der Film ein Torso, überschattet vom unerwarteten Tod des Sponsors dieser Dokumentarreihe, Nick Langas väterlichem Freund Bruce Garrison aus den USA. Mit Unterstützung des Kulturreferats der HG Mediasch entstand der Film, der Oberths siebenbürgischen Jahren bis 1938 gewidmet ist, zu Werbezwecken. In den Reihen der Siebenbürger Sachsen soll dafür geworben werden, ein größeres Projekt zu starten, um Oberths gesamtes Leben und Werk filmisch aufzuarbeiten. Über die Erstaufführung beim Mediascher Treffen im Juni 2011 berichtete die Siebenbürgische Zeitung in Folge 17 vom 31. Oktober 2011, Seite 8.

Der darauffolgende Abend bot ein musikalisches Event, bei dem je eine Gruppe aus Rumänien und Deutschland auftraten. Der Auftakt gehörte der Band „Crazy UHU“, bestehend aus Constantin Femmig, Gitarre und Bandleader, Sergio Andrei, Percussions und Gesang, und Ditmar Sablov, Bass, mit einer Darbietung von Ambient-Musik und Instrumentalmusik. Sich selbst nennen die temperamentvollen Sänger UHUs in Anspielung an den der Jugendsprache entlehnten Begriff „unter Hundert“. Mit ihrem bunten Programm quer durch die Popmusik sorgten sie für gute Stimmung. Auf das leider nur sehr spärlich erschienene Publikum wartete danach ein fulminantes Erlebnis, als Ștefan Elefteriu sein neues Album mit vokal-instrumenteller Musik „Outer Space – Beyond Time“ („Im Weltraum - Jenseits der Zeit“) vorstellte. Vor Beginn des Konzertes brachte der Komponist seinen Respekt gegenüber Klaus Schulze, dem Altmeister der elektronischen Musik, zum Ausdruck und seine Freude, nun im Land seines großen Vorbildes musizieren zu dürfen. Vorgetragen vom Komponisten am Keyboard sowie der Vokalsolistin Aryna (Ramona Gațe) vom Chor des Rumänischen Rundfunks in Bukarest, erklangen sechs Stücke aus dem Album. Die Musik des weniger bekannten Genres von Elektro-Opera entführt den Zuhörer zu einer Reise in ferne Welten, wobei in jedem Stück ein kleines Szenario zum Philosophieren und Meditieren einlädt über das, was wir sind und was in naher Zukunft aus uns werden könnten. Der Story liegt die Sorge zugrunde, dass sich der Mensch als Spezies unter die Oberhoheit der von ihm selbst geschaffenen Maschinen begibt - ein recht wahrscheinliches Szenario, wenn nicht bald gegengesteuert wird. Die Vorstellung war als Licht- und Tonschau konzipiert, wobei sich Ștefan Elefteriu auch als Meister des Animations-Films profilierte. Phantastische Bilder aus erdachten fernen Welten entführten den Zuschauer zusammen mit der Musik in eine Welt der Träume, aus der er nur ungern in die Wirklichkeit zurückkehrte, als der letzte Ton verklungen war. Es gab reichlich Lob und die Empfehlung, bei einem weiteren Konzert gezielt auch jüngeres Publikum, insbesondere auch an der Universität, anzusprechen, um dieser gelungenen Musik mehr Gehör zu verschaffen.

Wie es das Motto versprochen hatte, verbrachten die Künstler aus Rumänien und Deutschland, die Veranstalter und ihre Gäste „zusammen“ zwei anregende und gelungene Abende. Es ist, nicht nur mit Blick auf die bewegte Geschichte der Völkerscharen Siebenbürgens, keineswegs selbstverständlich, dass Menschen in friedlichem Miteinander in einer Nachbarschaft leben. Seit dem Sturz des Kommunismus in Rumänien haben sich Siebenbürger Sachsen, Deutsche und Rumänen eine weite Strecke aufeinander zu bewegt. Die Gastgeber hoffen, mit diesen beiden Abenden zum interkulturellen Dialog beigetragen zu haben und wollen gerne den Nürnbergern schon bald wieder ähnliche Angebote machen. Dadurch möge eine weitere Brücke geschlagen werden zwischen Deutschland und Rumänien, zwischen Deutschen und ihren aus Siebenbürgen stammenden Nachbarn, Siebenbürger Sachsen und Rumänen, von denen im Großraum Nürnberg viele eine Heimat gefunden haben.

Horst Göbbel, Hansotto Drotloff


Das DVD-Album „Comori Transilvane“ („Siebenbürgische Schätze“) enthält vier Dokumentarfilme: „Urmând Steaua Ciobanului” („Dem Stern des Sennen folgend“) über die traditionelle Schafzucht, die Transhumanz, „Moartea ca o glumă“ („Der Tod als Scherz“) über den Lustigen Friedhof von Săpânța, „Lumina Cunoașterii“ („Das Licht der Erkenntnis”) über Badea Cârțan und „Un transilvănean în drum spre stele” („Ein Siebenbürger auf dem Weg zu den Sternen“) über den Wissenschaftler Hermann Oberth. Alle Filme haben deutsche und englische Untertitel, der Oberth-Film hingegen einen deutschen Sprecher. Der Preis beträgt 29,99 Euro zuzüglich Versandkosten. Das Musik-Album „Im Weltraum – Jenseits der Zeit“ – „Outer Space – Beyond Time” von Stefan Elefteriu kostet 12 Euro zuzüglich Versandkosten. Der Vertrieb erfolgt über den Verein DACIA e.V. Nürnberg. Bestellungen bitte an Ionela van Rees Zota richten, Telefon: (00 49-1 60) 3 37 31 28, E-Mail: asii.romani[ät]yahoo.com.

Schlagwörter: deutsch-rumänische Beziehungen, Kultur, Nürnberg, Mediasch

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Neueste Kommentare

  • 14.12.2012, 16:00 Uhr von Äschilos: Ja, ich gehör halt nicht zur Kaugummi-(De-)Generation :-( [weiter]
  • 14.12.2012, 11:34 Uhr von Herzchen: :)) [weiter]
  • 14.12.2012, 11:05 Uhr von gehage: geh herzl, hea(r)st, du bist doch a gonz siasse...gäi? aba trotzdem soi die frag erlaubt sei: ... [weiter]

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