20. Dezember 2012

Kunsterzieher Horst Zay prägte am Pädagogischen Lyzeum in Hermannstadt über 20 Jahrgänge

Horst Zay war am Pädagogischen Lyzeum in Hermannstadt als Kunsterzieher tätig. Über zwanzig Jahrgänge von deutschen Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern sowie Kindergärtnerinnen erhielten von ihm ihre künstlerische Ausbildung. Der gebürtige Hermannstädter verstarb vor bald 30 Jahren in Freiburg.
Horst Zay war mein Freund. Den Altersunterschied von sieben Jahren hat er mich nie spüren lasen. Kennen gelernt haben wir uns Ende der 50er Jahre bei einem Abenteuerurlaub im Retezat-Gebirge. Mit einer Gruppe junger Lehrer durchstiegen wir das Granitmassiv in den Südkarpaten anhand einer k.u.k.-Militärkarte. In der war das neue Naturreservat noch nicht ausgewiesen, das heute einen Teil des Gebirges sowie dessen seltene Tiere und Pflanzen schützt, und so hielten wir uns, ohne es zu wissen, zwei Tage und eine Nacht in dem wunderschönen, aber für Touristen verbotenen Gebiet auf, wunderten uns nur über die schlechte Pflege der Wanderwege, die verwitterten Markierungen und die verfallenen Brücken und Hütten. Ein solcher Urlaub, in dem man gemeinsam unvorhergesehene Hindernisse überwinden muss, verbindet. Die Freundschaft vertiefte sich, als wir Kollegen an der Lehrerbildungsanstalt in Hermannstadt wurden, und sie weitete sich auch auf unsere Familien aus. Bei gegenseitigen Besuchern und gemeinsamen Unternehmungen mit Kind und Kegel lernten wir uns immer besser kennen und schätzen.
1967 entstandene Porträtaufnahme von Horst Zay. ...
1967 entstandene Porträtaufnahme von Horst Zay.
Horst Zay wurde am 5. Dezember 1927 in Hermannstadt geboren. Sein Vater war Bankbeamter, seine Mutter Modistin. In der Goethestraße wuchs er als Einzelkind auf, erhielt viel Zuneigung und jede Art von Förderung. Bald sollte er aber die Kehrseite des Lebens kennen lernen: Im Januar 1945 verschleppte man den Siebzehnjährigen in die Sowjetunion zum Wiederaufbau. Dort erlebte er die schlimmste Zeit seines Lebens. Er erfuhr, was Entbehrung, was Hunger ist, lernte aber auch, sich durchzubeißen, um zu überleben. Ausgemergelt und geschunden kehrte er Ende 1949 nach Hermannstadt zurück, doch sein Leidensweg war noch nicht zu Ende. Schon 1950 wurde er in das rumänische Heer eingezogen und weitere zweieinhalb Jahre als Arbeitssoldat ausgenützt. Krieg, Deportation und Militärdienst raubten ihm seine jungen Jahre, nicht aber seine Träume.

Nach seiner Entlassung ging er nach Bukarest und studierte zwölf Semester Wandmalerei an der Kunstakademie Nicolae Grigorescu. 1958 erhielt Horst Zay die Stelle eines Kunsterziehers am Pädagogischen Lyzeum in Hermannstadt. Dort unterrichtete er bis 1979, dem Jahr seiner Aussiedlung nach Deutschland, Zeichnen, Malen, Modellieren, Kunstgeschichte sowie Methodik und Didaktik der Kunsterziehung. Die Schülerinnen und Schüler verehrten und liebten ihn wegen seines Könnens und seines verständnisvollen Umgangs. Horst Zay wich eigenmächtig vom vorgeschriebenen Lehrplan ab zu Gunsten eines mehrstündigen Kurses für Kunstgeschichte, weil er der Überzeugung war, dass angehende Lehrer Grundkenntnisse über die Entwicklung der Kunst- und Stilrichtungen haben müssten. Als Kunstinteressierter habe ich die Idee nicht nur gebilligt, sondern den Vorträgen mit großem Interesse beigewohnt.

Gerne erinnere ich mich an das positive Echo, das Horst Zays Vorträge über Kunst bei den Hörern der deutschen Volkshochschule in Hermannstadt fanden. Wir organisierten sie in der Aula des Päda, so dass auch die Schüler davon profitieren konnten. Viel beachtet wurden seine Aufsätze zu Themen der Kunst in den deutschsprachigen Zeitungen Rumäniens. Neben seiner Lehrtätigkeit widmete sich Horst Zay mit Hingabe seiner künstlerischen Arbeit. Gerne hätte er sich der monumentalen Malerei gewidmet, doch in Ermangelung von Aufträgen und eines entsprechenden Ateliers bediente er sich anderer Techniken wie Malerei, Aquarell, Zeichnung und Grafik, wobei letztere den Schwerpunkt in seinem Schaffen bildete. Er war kein Bahnbrecher, eher Epigone, seine Arbeiten weisen aber einen hohen Grad der Eigenständigkeit auf. Nicht unerwähnt sollten seine kongenialen Buchillustrationen bleiben, die in Zusammenarbeit mit Verlagen in Rumänien entstanden. Vor seiner Ausreise schuf er einen Zyklus von Federzeichnungen, in denen er die charakteristischen Baudenkmäler der siebenbürgischen Städte jeweils zu einem collagenartigen Gesamtbild zusammenfügte. In Siebenbürgen wurde Horst Zay als Künstler geschätzt, viele seiner Werke hingen in Institutionen und Privathäusern. Jährlich beteiligte er sich an den Ausstellungen des Verbandes bildender Künstler Rumäniens im In- und Ausland.
Horst Zay: „Die Kirchenburg von Deutsch ...
Horst Zay: „Die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch", Farblinolschnitt
In Deutschland arbeitete Horst Zay kurze Zeit als Kunsterzieher am Gymnasium. Seine Bilder konnte er in nur vier kleineren Ausstellungen in Stuttgart, Freiburg, Waiblingen und Offenburg zeigen. Sein Werk blieb hier weitgehend unbekannt, weil ihn bald nach seiner Aussiedlung eine heimtückische Krankheit dahinraffte. Er starb am 6. April 1983 in Freiburg. Der Nachlass befindet sich bei seiner Witwe und wartet darauf, erschlossen zu werden.

Einige Werke von Horts Zay, die heute meine Wohnung schmücken, erinnern mich an ihn. Eines aber hat es mir besonders angetan und das kam so: Als ich ihn einmal in seinem Atelier in Hermannstadt besuchte, arbeitete Horst Zay gerade an seinem Farblinolschnitt „Die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch“. Das Bild zeigt die bekannte Burg, unter deren mächtigem Torturm Frauen in ihrer archaischen Tracht nach dem Gottesdienst den Heimweg antreten. Wie bei einer Prozession wandeln sie gemessenen Schrittes am Betrachter vorbei den Burgberg hinunter. Die Konturen der Individuen verschmelzen zur Gruppe, zur Gemeinschaft. Selbstsicher verlassen sie die Kirchenburg in der Überzeugung, bei Gefahr, wie schon seit Jahrhunderten, wann immer, wieder in deren Schutz zurückkehren zu können. Horst Zay lässt einen bedrohlichen Unterton, eine Vorahnung mitklingen, stellt das Geschehen in einen historischen Kontext. Die brodelnden Wolken kündigen ein nahendes Gewitter an. Durch den Kontrast zwischen dem dominanten Schwarz und dem leuchtenden Ocker und Grün steigert er die Dramatik der barock anmutenden Komposition. Ein Bild voller Symbolkraft. Ein Bild, das anspricht und nachdenklich macht.

Die drei Druckstöcke waren geschnitten. Horst Zay war dabei, die Farben übereinander zu drucken. Er arbeitete flink und mit sicheren Handgriffen. Auf Tischen reihten sich die fertigen Bilder. Ich war fasziniert vom Duft der Farben, von der Atmosphäre des Ateliers, in dem immer wieder Neues entstand. Ein Blatt lag auf dem Boden. Ich hob es auf, weil ich dachte, es sei hinunter gefallen. Horst meinte, es sei ein Fehldruck und gehöre in den Papierkorb. In der Tat war die Schablone der grünen Farbe auf dem Druck etwas verrutscht. Dadurch wurden die Konturen aber weicher und die farblichen Zwischentöne vermehrten sich. Das Blatt gewann deutlich an Ausdruckskraft und zog mich magisch an. Horst entging meine Begeisterung nicht und er schenkte mir den Druck. Auf Wunsch signierte er ihn sogar. Heute hängt der Farblinolschnitt „Die Kirchenburg von Deutsch-Weißkirch“ in meinem Wohnzimmer. Täglich erinnert er mich an meinen Freund, der ein begnadeter Künstler war.

Samuel Beer

Schlagwörter: Künstler, Lehrer, Hermannstadt, Pädagoge

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