18. Januar 2013

Fruchtbare verlegerische Tätigkeit

Paul Richter und Johann Lukas Hedwig gehören zu den besten Komponisten, die es in Siebenbürgen je gegeben hat. Was sie komponiert haben, weiß man – theoretisch. Doch bis vor kurzem waren zahlreiche Werke Richters und Hedwigs gar nicht für die Musikpraxis eingerichtet und konnten somit auch nicht aufgeführt werden. Der Musikverleger und Hobbymusiker Frieder Latzina aus Karlsruhe hat hier mit seinem „MusikNoten-Verlag Latzina, Karlsruhe“, kurz Musiknotenverlag, wie schon in vielen anderen Fällen dafür gesorgt, dass Musik aus Siebenbürgen auch den Weg zu ihrem Publikum findet.
Dass der inzwischen 76-Jährige einmal selbst Noten herausgeben würde – inzwischen umfasst sein Katalog stolze 141 Werke – hätte er wohl kaum gedacht, als er in der zweiten Grundschulklasse erstmals Geigenunterricht nahm, zuerst privat bei der bekannten Kronstädter Geigerin Irene Krüger und dann am dortigen Konservatorium. Er blieb seinem Instrument lange treu, spielte im Schülerorchester der Honterusschule und auch zu Studienzeiten im Studentenorchester und anderen Ensembles, bei Emil Honigberger und Norbert Petri, und sang im Bachchor. Beruflich freilich orientierte er sich in eine ganz andere Richtung: Latzina studierte Maschinenbau, Fach Gießerei, und arbeitete von 1960 bis 1982 als Ingenieur in der Tractorul-Fabrik in Kronstadt. Doch auch dort war er musikalisch tätig: Er gründete zusammen mit anderen Begeisterten eine Big Band, die er mehrere Jahre leitete. Schon damals knüpfte er Kontakte ins deutsche Karlsruhe, so dass er nach der Ausreise mit seiner Familie im Jahr 1982 in der badischen Landeshauptstadt sofort wieder Arbeit fand.

Die Musik rückte für Latzina ab 1987 wieder stärker in den Mittelpunkt: Er wurde Gründungsmitglied der „Siebenbürgischen Kantorei“ und holte 1994 auch seine Geige wieder vom Schrank, um in einem kirchlichen Kammerorchester spielen zu können. Dort waren immer Noten gefragt, oft jedoch nicht so arrangiert, wie der Dirigent sich das vorstellte: „Also habe ich mit einem ersten kopierten Notenschreibprogramm auf dem Computer Stimmen für unser Orchester erstellt“, erzählt Latzina. Initialzündung für sein enthusiastisch gepflegtes Hobby war dann ein Artikel von Karl Teutsch in der Siebenbürgischen Zeitung zum 150. Todestag von Johann Lukas Hedwig, dem Komponisten des Siebenbürgen-Liedes. „Teutsch beklagte zu Recht, dass nur so wenige Werke Hedwigs bislang in Druck erschienen seien. Das habe ich als Frührentner persönlich genommen und mich Stück für Stück darum gekümmert. Im Jahr davor hatte ich ja meine verlegerische Tätigkeit als Gewerbe angemeldet“, sagt Latzina. Im Jahr 2000 reiste er mit einem kleinen Kopierer im Gepäck nach Rumänien, um dort in Archiven in Kronstadt, Zeiden und Heldsdorf (unterstützt unter anderem vom Kantor Eckart Schlandt) Kompositionen Hedwigs zu sichten. Knapp 20 Werke von Hedwig hat Latzina seitdem herausgegeben, unter anderem mehrere Kantaten, das große Oratorium „Der Allmacht Wunder“ und kürzlich die „Festkantate“, Hedwigs größtes, von ihm selbst in Kronstadt aufgeführtes Werk. Die 1995 gedruckten „Spruchmotetten“ des Klausenburger Komponisten Hans Peter Türk, herausgegeben vor allem für die Siebenbürgische Kantorei, wurden dann die Nummer eins seines Verlagsprogramms.

Frieder Latzina ...
Frieder Latzina
Ein weiterer Auslöser für viele Werkausgaben waren die Musikwochen der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa, heute die Löwensteiner Musikwochen. Hier lernte Latzina viele Kompositionen gerade von sieben­bürgischen Komponisten kennen, die noch nicht in Druck erschienen waren, und nahm sich ihrer an. In diesem Zusammenhang sei als bestes Beispiel die überaus fruchtbare Zusammenarbeit seit 1999 mit dem aus Siebenbürgen stammenden Komponisten Helmut Sadler genannt. Latzina hat von Helmut Sadler über 30 Werke verlegt, von einfachen Blockflötenstücken bis zu Kantaten und großen Orchesterwerken.

Von Paul Richter, dem Kronstädter Meister, folgten in den nächsten Jahren dann u. a. die Komplettausgabe seiner Klavierlieder, seine Streichquartette und andere Kammermusik, die Variationen für Klavier und Orchester, das Cello- und das Klavierkonzert, seine 5. Sinfonie, sehr zur Begeisterung von Hans Peter Türk, dem wichtigsten Richter-Experten.

Weitere Ausgaben aus dem Musiknotenverlag: seit Kurzem Werke des Kronstädters Norbert Petri, der Leiter der Operette in Kronstadt und Komponist der „Bauernhochzeit“ war. Latzina hat u.a. die Originalfassung dieses legendären Werkes, wie es 1957 in Kronstadt und anderen Städten Siebenbürgens erklang, wieder für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Und zuletzt erschienen Werke des Schäßburgers Robert Jacobi. Das Verlagsprogramm ist im Internet einzusehen unter www.musiknotenverlag.de.

Gefragt nach seinen Zukunftsplänen, sagt ­Latzina im Hinblick auf die sehr gute Zusammenarbeit mit Eckart und Steffen Schlandt aus Kronstadt: „Wer weiß, was im Schwarze-Kirche-Archiv noch alles entdeckt wird.“

Gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler und Organisten Dr. Franz Metz und dessen „Edition Musik Südost“ hat Latzina auch eine bedeutende Grundlage für die Aufführungen der seit über 25 Jahren bestehenden „Musikwoche ­Löwenstein“ geliefert. Durch die eigens eingerichteten Notenausgaben wurden Konzerte der Musikwoche erst möglich. In diesem Zusammenhang hat der Musiknotenverlag z.B. in diesem Jahr die „Carmina selecta“, ein Oratorium über Texte und Melodien der Deutschen in Südosteuropa von Prof. Heinz Acker, herausgegeben, das zur Musikwoche 2012 in Heilbronn uraufgeführt wurde. Im gleichen Kontext sei das jährliche Kronstädter Musikfestival „Musica Coronensis“ genannt, wo seit vier Jahren Werke aus dem Musiknotenverlag aufgeführt wurden, als letztes die „Sinfonie“ von Norbert Petri am 11. Oktober 2012.

Mit all den Notenausgaben wirklich Geld zu verdienen, das hatte Frieder Latzina übrigens nie vor: „Ich bin aber froh, dass ich dazu beitragen kann, schöne, wertvolle Musik wieder so einzurichten, dass möglichst viele Menschen sie auch spielen und hören können.“

Johannes Killyen

Schlagwörter: Porträt, Musik, Verleger

Bewerten:

19 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.