14. März 2013

Blicke von außen - Blicke von innen: "Siebenbürgen in zeitgenössischen Dokumentarfilmen"

Unter dem Titel „Siebenbürgen in zeitgenössischen Dokumentarfilmen“ fand vom 22. bis 24. Februar in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen die zweite Veranstaltung in der Reihe „Dokumentarfilme über Siebenbürgen“ statt. Das Programm versprach vieles, die Erwartungen der 63 Teilnehmer sollten übertroffen werden.
Nach der Begrüßung durch Seminarleiter Gustav Binder ging es los mit „Die Leute von Michelsberg“, einer Meisterleistung des damaligen ARD-Korrespondenten in Wien, Peter Miroschnikoff, berücksichtigt man die Tatsache, dass diese Dokumentation 1984 entstand. Der Film zeigt – wie aum ein zweiter – siebenbürgisch-sächsische Kultur realitätsnah, so wie das Leben in Siebenbürgen kurz vor der großen Auswanderungswelle war. Die Nachbarschaften, die unzensierten Berichte der Veteranen über die Kriegsjahre, die Pläne und Sorgen der Familie, die auf den gepackten „Kisten“ kurz vor der Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland sitzt, all dies zu einer Zeit, in der die Securitate mächtig war, ist ein Dokument einer heute nicht mehr existierenden Kultur. Anschließend wurde im Dokumentarfilm „Grüße aus der alten Heimat“ (1991) zwar schon die „neue Freiheit“ im Land zwischen den Karpaten präsentiert, aber auch die durch die Massenauswanderung entstandenen Probleme trefflich dargestellt. In Michelsberg waren bereits die Nachbarschaften aufgelöst. Der damalige Michelsberger Pfarrer Dietrich Binder versuchte noch eine Nachbarschaft für ganz Michelsberg ins Leben zu rufen.

2007 trat Peter Miroschnikoff in den Ruhestand. Seine Erfahrungen als Korrespondent aus Krisengebieten gibt er nach wie vor angehenden Journalisten weiter. Er hält heute noch Seminare an verschiedenen Fortbildungseinrichtungen für Redakteure des Bayerischen Rundfunks, der Deutschen Welle und der Bayerischen Akademie für Fernsehen.
Studienleiter Gustav Binder begrüßt die ...
Studienleiter Gustav Binder begrüßt die Teilnehmer des Filmseminars in Bad Kissingen. Foto: Josef Ramsauer
Der zweite Tag begann mit einer Dokumentation des Regisseurs Dieter Auner, einem jungen Siebenbürger Sachsen, dessen Weg aus Arbegen, wo er 1970 geboren wurde, 1990 über Deutschland – er studierte Physik an der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn – nach Galway in Irland führte. 2006 gab Auner sein Regiedebüt. Im Streifen „Ein Siebenbürger Abschied“ (2001/2006) wird die Geschichte von Hans und Maria Kenzel, beide 70, erzählt. 1990 hielten sie dem Exodus stand. Zehn Jahre später wischen auch sie nicht mehr den Staub in der örtlichen Kirchenburg oder ziehen die Kirchturmuhr auf. Für die beiden ist die Zeit der Auswanderung gekommen. Der Film begleitet sie bei der letzten Ernte, bei den Vorbereitungen zur Ausreise und zeigt dann zum Schluss Bilder aus Augsburg, ihrem neuen „Zuhause“. Hier, so Hans „ist jeder Tag Sonntag und das Hemd wird auch nach einer Woche nicht schmutzig“.

Von Christel Ungar-Țopescu (Bukarest), Leiterin der deutschen Redaktion im öffentlich-rechtlichen rumänischen Fernsehen (TVR), stammte der dann folgende Dokumentarfilm „Der Schriftstellerprozess“. Die zum Zeitpunkt der Entstehung der Dokumentation junge, heute jung gebliebene Redakteurin wagte sich an ein heikles Thema. Mit der Erfahrung der Dokumentation „Schwarze Kirche Prozess“ gelingt ihr ein bemerkenswerter Film über den sogenannten „Schriftstellerprozess“. Die angeklagten fünf deutschsprachigen Schriftsteller wurden 1959 beschuldigt, Organisationen zum Zweck der Änderung der bestehenden Ordnung gründen zu wollen durch Kontakte zum Ausland. Hierzu sollten auch die Werke der Autoren dienen. Verurteilungen zu 20 Jahren Haft wurden ausgesprochen. 1962 bzw. 1964 wurden die Schriftsteller Wolf von Aichelburg, Hans Bergel, Andreas Birkner, Georg Scherg und Harald Siegmund nach Amnestien jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt und bis auf Eginald Schlattner, dem einzigen Zeugen unter den Schriftstellern, auch rehabilitiert.

Wolfgang Ettlich vom Bayerischen Rundfunk, dessen Spezialgebiet die Langzeitbeobachtung ist, porträtierte kurz nach dem Sturz Ceaușescus vier Frauen quasi stellvertretend für die ethischen Gruppen Rumäniens: Ungarn, Siebenbürger Sachsen, Zigeuner und Rumänen. Zwanzig Jahre nach der politischen Wende kehrt der Autor zu den Schauplätzen und zu den Menschen zurück, die damals im Fokus seiner Reportage standen. Große Unterschiede treten zutage, was die Bewertung der westlichen Einflüsse oder die Bewahrung der Traditionen betrifft.

Fabian Daub, dessen Firma Bildfolge Filmproduktion ihren Sitz in Hamburg hat, stellt mit seinem Dokumentarfilm „Roșia Montană. Ein Dorf am Abgrund“, für dessen Schnitt übrigens die gebürtige Großpoldnerin Astrid Rieger verantwortlich zeichnet, die Zwickmühle dar, in der sich die Bewohner dieser Region befinden: Milliardeninvestitionen ausländischer Konzerne oder Antrag auf Erteilung des Titels Weltkulturerbe. In Roșia Montană, seit Römerzeiten die wahrscheinlich größte Goldgrube Europas, soll nun großflächig mittels eines umstrittenen Verfahrens, bei dem Zyanid in großen Mengen zum Einsatz kommt, Gold abgebaut werden. Malerische Dörfer fallen einem riesigen künstlichen Stausee, der mit Ablagerung aus dem Produktionsprozess und damit auch mit Zyanid-Rückständen gespeist wird, zum Opfer. Den betroffenen Bewohnern werden Umsiedlungen in einen neuen Stadtbezirk von Karlsburg (Alba Julia) angeboten. Der Widerstand der Bevölkerung ist zwar groß, doch tritt auch Uneinigkeit unter den Gegnern der Großinvestition auf. Eigentlich kann ja Goldabbau erfolgen, aber durch rumänische Firmen.
Filmseminar in Bad Kissingen. ...
Filmseminar in Bad Kissingen.
Im Schwarz-weiß-Modus wurde der Dokumentarfilm „Dem Himmel ganz nah“ von Prof. Dr. Titus Faschina, einem gebürtigen Ost-Berliner, gedreht (siehe Besprechung in der Siebenbürgischen Zeitung). Maria, Dumitru und Sohn Radu, eine der letzten traditionellen Schäferfamilien aus Jina bei Hermannstadt, wurde über ein Jahr lang beim Hüten, Melken, Käsemachen etc. begleitet. Der EU-Beitritt Rumäniens hat auch in den Bergen Spuren hinterlassen. Die meisten Hirten haben ihre Herden und Berghütten verkauft und sind in die Stadt umgezogen. Dumitru muss nun allein seine Herde gegen den Angriff der Wildtiere schützen. Nachbarn hat er keinen mehr.

Zum Abschluss eines langen Filmetages stellte Wilhelm Ernst Roth einen Ton-Diavortrag über den Zustand der Burgen aus der Repser Gegend vor. Darunter sind wenige noch relativ gut erhaltene, jedoch viele dringend renovierungsbedürftige Burgen.

Der Sonntag begann mit der Vorführung des Dokumentarfilmes „Die Kippe“ von Andrei Schwartz (Hamburg). Hier wird die Lebenswelt einer großen Roma-Sippe auf einer Müllkippe bei Klausenburg im Jahr 1996 gezeigt. Die Mülltrennung, in unseren Breitengraden schon seit langem von hochmodernen Maschinen übernommen, wird hier durch die Roma, Erwachsene wie Kinder, manuell bewältigt. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist, dass die Kinder eine Schule besuchen.

Zum Abschluss der Tagung wurden historische und private Filmaufnahmen gezeigt, darunter Filme von Hans Retzlaff, Fotograf, Dokumentarfilmer und Volkskundler. Bräuche und die Trachten bei Kirchgang oder Hochzeiten, aber auch die schwere körperliche Arbeit der Siebenbürger Sachsen der damaligen Zeit wurden für die nachkommenden Generationen festgehalten. Den Vorführungen folgten jeweils interessante und lebhaft geführte Diskussionen mit den Regisseuren, die nahezu alle anwesend waren.

Die Darstellung Siebenbürgens in zeitgenössischen Dokumentarfilmen wird, so Seminarleiter Gustav Binder (wieder einmal ein hervorragender Organisator) 2014 sicherlich in die dritte Runde gehen.

Josef Ramsauer

Schlagwörter: Film, Bad Kissingen

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  • 14.03.2013, 17:05 Uhr von orbo: Zu "Die Leute von Michelsberg": 7 Jahre später wurde wieder vor Ort gefilmt und über die Folgen des ... [weiter]

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