26. Oktober 2013

Wertvolle Porträts sächsischer Patrizier in Kronstadt ausgestellt

Im Kunstmuseum am Fuße der Zinne ist bis zum 10. November die Ausstellung „Bildnisse sächsischer Patrizier aus Kronstadt“ zu sehen. Die Kunstschau bietet einen Überblick der siebenbürgischen Porträtkunst bis Anfang des 19. Jahrhunderts und ermöglicht zugleich den Zugang zur Geschichte der einstigen sächsischen Führungselite aus den Reihen des Kleinadels, der wohlhabenden Kaufleute und der politischen Stadtvertreter. Die Gemälde stammen aus den museumseigenen Beständen sowie aus den Kollektionen der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Kronstadt (Honterusgemeinde), des Brukenthal-Museums Hermannstadt und des Nationalmuseums Törzburg.
Auf den Erklärungstafeln neben den Gemälden erfährt man Einzelheiten über den Werdegang der abgebildeten Persönlichkeiten. Deren Karrieren beginnen oft an angesehenen europäischen Universitäten – etwa Jena, Halle oder Wittenberg –, werden in der Heimatstadt in Bereichen wie Jura, Verwaltung und Medizin fortgesetzt und erfahren ihre Krönung in politischen Leitungsfunktionen. Die Porträtierten tragen feine Kleidung aus ornamentiertem Samt und Seide, strahlen Selbstbewusstsein und Verantwortung aus und sind nicht selten mit symbolischen Elementen umgeben, die ihre Werte und Macht reflektieren: Wappen, Inschriften, Landschaften der Heimat oder Bücher – bei den Frauenporträts sind es häufig Blumen, Perlen und elegante Fächer. Einige Namen wie Hirscher, Drauth, Seuler, Closius, Fronius oder Tartler kommen in mehreren Porträts vor – ein Zeichen dafür, dass die Elite der Zeit ein geschlossener Kreis war, und nur wenige als „ratsfähig“ betrachtet wurden.

Herzstück der Ausstellung ist das Bildnis des Stadtrichters Lucas Hirscher, das im Jahre 1535 gemalt wurde. Ursprünglich wurde als Autor ein Maler aus der Umgebung von Lucas Cranach oder Hans Holbein vermutet, doch dem Historiker und Archivar Gernot Nussbächer gelang es 1963, den Künstler in der Person des Kronstädters Gregorius zu identifizieren. „Es geht dabei um das älteste weltliche Porträt auf rumänischem Boden“, erklärt Ausstellungkurator Radu Popica, der sich bereits seit knapp zehn Jahren mit dem Thema befasst.
Gregorius, Bildnis des Stadtrichters Lucas ...
Gregorius, Bildnis des Stadtrichters Lucas Hirscher, 1535, Öl auf Holz
Das Werk sei repräsentativ für die siebenbürgische Renaissance und mit der deutschen Malerei seiner Zeit stilistisch eng verbunden. „Nicht zufällig haben wir unserer Ausstellung den Untertitel ,Ein Kapitel siebenbürgischer Kunst‘ gegeben. Es war uns wichtig, klarzustellen, dass wir nicht nur ein strikt lokales Thema aus Kronstadt behandeln, sondern dass die hiesigen Porträts der sächsischen Patrizier in ein größeres Ganzes integriert sind – nämlich in die weltliche siebenbürgische Staffelmalerei des 16. bis 18. Jahrhunderts“, so Radu Popica. Ein weiteres wichtiges Kunstwerk in der Auswahl ist das Porträt des Johann Traugott Seuler von Seulen, das etwa 1750 entstand. Der Künstler, Jacob van Schuppen, war Maler am Habsburgischen Hof und leitete die Wiener Akademie für Bildende Künste. „Das zeigt, wie niveauvoll das Leben der Patrizier aus Kronstadt war, was sie sich leisten konnten“, unterstreicht der Ausstellungkurator.

Zwischen den beiden erwähnten Porträts liegen zwei Jahrhunderte, in denen sich sowohl die Kunst, als auch die Gesellschaft stark gewandelt haben. Nach der hochwertigen künstlerischen Etappe, in der Gregorius sein Meisterwerk schuf, folgte laut Radu Popica ein Rückgang zu einer etwas provinziellen, schematischen Manier, so wie sie etwa in den Bildnissen von Simon Drauth dem Älteren und Simon Drauth dem Jüngeren (unbekannter Maler, zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts) festzustellen sei. In die gleiche kunsthistorische Kategorie gehöre das Bildnis des Valentin Hirscher (unbekannter Maler, 1599), das älteste datierbare Porträt aus den Beständen des Kronstädter Museums. Das 18. Jahrhundert sei auch in der Kronstädter Malerei von dem Barock beeinflusst – kennzeichnend sei das aristokratische Porträt des Joseph Gottlieb Seuler von Seulen (Mitte des 18. Jahrhunderts).
Jacob van Schuppen, Johann Traugott Seuler von ...
Jacob van Schuppen, Johann Traugott Seuler von Seulen, 1750, Öl auf Leinwand
Neoklassische Elemente kommen in den Malereien von Johann Martin Stock und Franz Neuhauser dem Jüngeren vor, während sich Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Kronstadt das bürgerliche Bildnis durchsetzt. „Die Patrizier stehen im Wettbewerb mit den neuen aufstrebenden Familien, die aus den Reihen der Sachsen, und erstmals auch aus den Reihen der Rumänen kommen“, erklärt Radu Popica. „Deshalb sollten diese Werke nicht nur aus kunsthistorischer, sondern auch aus geschichtlicher Perspektive, als visuelle Dokumente einer Epoche, betrachtet werden.“

Der zweisprachige Begleitkatalog der Ausstellung ist in rumänischer und deutscher Sprache verfasst und beinhaltet ein Verzeichnis von 98 Bildnissen sächsischer Patrizier aus Kronstadt, zahlreiche Reproduktionen sowie drei Fachstudien: einen Überblick des Kurators über die Ausstellungsthematik, eine Studie zur Rolle der Kleidung als Status-Symbol im 18. Jahrhundert, von Silvia Popa, sowie eine Facharbeit von Alexandru Sonoc und Iulia Mesea, die „neue Betrachtungen“ zum Bildnis des Lucas Hirscher besprechen. Der Katalog kostet 33 Lei und kann im Kunstmuseum gekauft werden. In den kommenden Wochen soll er auch in der Schiller-Buchhandlung in Hermannstadt sowie in den Kronstädter Buchläden erhältlich sein. Einzelheiten zur Kunstschau stehen in rumänischer Sprache im Internet unter www.muzeulartabv.ro zur Verfügung. Das Kronstädter Kunstmuseum am Rudolfsring 21 ist dienstags bis sonntags von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Ausstellung, Kronstadt, Malerei, Porträts

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