5. Dezember 2013

„Säng ta mer mi“

Die Kreisgruppe München und das Bundeskulturreferat des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland hatten zu einem Liederabend unter dem Titel „Säng ta mer mi“ am 20. Oktober im Haus des Deutschen Ostens München geladen. Und viele sind der Einladung gefolgt. In dem voll besetzten Saal warteten alle gespannt auf die beiden Protagonisten des Abends: Annette Königes und Prof. Heinz Acker. Die stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe München, Renate Kaiser, begrüßte die Gäste und stellte die beiden Künstler kurz vor. Dabei unterstrich sie auch den Zweck solcher Veranstaltungen, „wider das Vergessen zu wirken“. Sie betonte, dass es um unsere Geschichte, unsere Kultur gehe und darum, diese zu dokumentieren und vor allem weiter zu leben.
Dann nahmen uns Annette Königes (Gesang und Assistenz) und Prof. Heinz Acker (Moderation und Klavier) mit auf einen „Streifzug durch die Geschichte des siebenbürgisch-sächsischen Mundartliedes von der Einwanderung bis zur Hochblüte des Mundartliedes“, wie es in der Einleitung zu den Liedtexten steht. Die ausgewählten Lieder hat Prof. Acker extra für dieses Programm bearbeitet und, wie es scheint, Annette auf den Leib geschrieben. Wie ein roter Faden zog sich durch das gesamte Programm das eindringliche Plädoyer der beiden Künstler für das Treffliche unserer Mundart, die – vielen Landsleuten kaum oder gar nicht bewusst – ein Schatz, ein wahres Wunder, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten ist. Diesen Schatz, diese einmalige Sprache gilt es zu hüten, zu pflegen und nach Möglichkeit weiter zu geben an die nächste Generation. Eindringlich wies Prof. Acker darauf hin, wie klangvoll und ausdrucksstark unsere Sprache sei mit ihren mysteriösen, dunklen Vokalen und wie vielfältig die Dialektvarianten seien. Das belegte ein Satz, den Prof. Acker vorgegeben hatte und den einige Zuhörer in der Variante ihres Dorfes nachsprachen. Es entstand ein erstaunlich vielfältiges Klangbild.
Annette Königes und Heinz Acker beim Lieder­abend ...
Annette Königes und Heinz Acker beim Lieder­abend in München. Foto: Udo Buhn
Der Liedvortrag begann mit einem Klangdokument aus der Zeit der Einwanderung der Sachsen. „Naer Oostland willen wy ryden“ (Nach Ostland wollen wir reiten) ist ein altes flandrisches Einwanderungslied um 1150. Es folgte eines der ältesten und wohl auch schönsten Lieder, das die Siebenbürger Sachsen besitzen, und das dem Textlaut und dem Melodietypus nach noch aus der Urheimat stammt. „Et saß e kli wäld Vijelchen“ ist nicht nur eines der schönsten Liebeslieder, sondern auch ein Symbol für den Freiheitswillen unseres Völkchens. Im 19. Jahrhundert führte letzterer dazu, dass viele wunderbare Kunstlieder im Volkston entstanden, die alle zu echten Volksliedern geworden sind. Eines davon, „Äm Hontertstroch“, brachte Annette zu Gehör. Nach diesem Lied von Karl Römer (Melodie H. Kirchner) folgte das wohl bekannteste Lied von Karl Reich: „Angderm Lirber saß ech ist“. Mit dem Themenkomplex „Dorfleben“ hörten wir Lieder von Georg Meyndt, der sich als feinsinniger Beobachter desselben erweist. „Gäde Morjen! Gäde Morjen!“, „Brännchen um gräne Rin“ beweisen das. „Treißig Krezer af den Dach“ schildert den Arbeitstag im Dorf und bietet den Künstlern die Gelegenheit, zu zeigen, dass es in der sächsischen Sprache Lehnwörter aus anderen Sprachen gibt und dass „unsere schöne sächsische Sprache eigentlich ein bunter Sprachen-Flickenteppich, ein schmackhaftes Sprachen-Giwetsch, gewürzt mit vielen fremdartigen Zutaten, ist“.

Nach der Pause, in der man sich mit einem Glas Wein und Salzgebäck stärken konnte, wurde das Konzert mit Liedern zum Thema Heiraten fortgesetzt. Auch das echte Volkslied „Medchen wällt t`en Kanter nien“ bot Annette die Möglichkeit, nicht nur ihre wunderbare Stimme zur Geltung zu bringen, sondern auch ihr schauspielerisches Talent. Und Prof. Heinz Acker erwies sich wieder einmal als Virtuose auf dem Klavier, indem er z.B. ganz sachte auf den „Wunschkandidaten“ hinwies und ein paar Takte des Liedes „Im Märzen der Bauer“ anschlug. „Det Brännchen“, vorgetragen in Zeidner Mundart, bot die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Publikum die erstaunlich vielfältigen Färbungen unseres Dialektes zu entdecken. Das letzte Lied, das als unvollständiges Text-Fragment aus grauer Vorzeit herüberzugrüßen scheint und dessen ursprünglicher Sinn nur noch erahnt werden kann, bekam eine neue Deutung durch eine der Zuhörerinnen. „Alle Birebimcher“ versetzte uns in eine wunderbare Abendstimmung, besonders durch das Hinzufügen einer zweiten Strophe eigens für das Münchner Publikum.

Da der Liederabend „Sängt a mer mi“ hieß, war klar, dass das Duo nicht ohne Zugabe den Vortrag beschließen konnte. Wir hätten noch lange den wunderbaren Klängen unserer Volkslieder zuhören können, besonders wenn sie so virtuos vorgetragen werden wie an diesem Abend. Und tatsächlich gab es eine Zugabe, an der sich der ganze Saal beteiligte: Gemeinsam sangen wir „Äm Hontertstroch“. Tief bewegt und wunderbar angeregt, aber auch nachdenklich über den Schatz, den es zu bewahren gilt, begaben wir uns auf den Heimweg. Unser herzlicher Dank gilt allen, die zum Gelingen des Abends beigetragen haben.

H. Weber

Schlagwörter: Liederabend, Mundart, München

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