25. Dezember 2013

Vor 500 Jahren: Sachsen in königlichen Ämtern nicht einmal zu Weihnachten zu Hause

Eine wenig bekannte Zeit in der Geschichte Siebenbürgens ist jene der Jagiellonenkönige, einer polnisch-litauischen Familie, die von 1490 bis zur Schlacht in Mohács 1526 in Ungarn regierte. Im spätmittelalterlichen Ostmitteleuropa herrschten sie in mehreren Reichen. 2013 wurde die Ausstellung „Europa Jagiellonica“ u.a. in Potsdam gezeigt, wobei Ungarn und Siebenbürgen nur am Rande beachtet wurde. Reiche Quellen dazu werden gerade im Rahmen des Urkundenbuchs zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen erschlossen. Mit Förderung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien werden Urkunden bis zum Ende des 15. Jahrhunderts bearbeitet und online verfügbar gemacht. Die geschichtlichen Hintergründe erläutert der Historiker Martin Armgart in einem Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung.
--Nach Matthias Corvinus fehlte den Jagiellonenkönigen Wladislaw II. und Ludwig II. die finanzielle und militärische Durchschlagskraft, was für die Siebenbürger Sachsen und vor allem die großen Städte mit Finanzkraft durchaus mit Chancen verbunden war. So wurde die Rechtsgemeinschaft gestärkt und das „Andreanum“ von Bistritz bis Kronstadt ausgeweitet. In der „Sächsischen Nationsuniversität“ wurden die Rechte der Siebenbürger gemeinsam vertreten, gerade gegenüber dem König und den am Hof einflussreichen Adelsfamilien, so Armgart.

Da keine finanziellen Reserven in der königlichen Schatzkammer bereitlagen, wandte sich der König an die Siebenbürger Sachsen, wenn er in Not war: vom Wassereinbruch beim Goldbergbau in Frauenbach (Baia Mare) bis zur Bezahlung von Söldnern oder Handwerkern, die er für den Festungsausbau benötigte. 1500 klagte der König, dass das Salz an Somesch und Mieresch auf den Weitertransport warte und dort Regen und Sturm ausgesetzt sei, da es an überdachten Lagerräumen mangele. Er war also auf Investitionen von finanzkräftigen Kaufleuten, aus Extrazahlungen oder Vorschüssen auf Steuerzahlungen angewiesen.

Als Gegenleistung für die sofortige Zahlung konnte die von Königsrichter Laurentius Hann angeführte Hermannstädter Gesandtschaft 1492 am Hof Steuerermäßigungen erreichen. Königliche Einkünfte, wie der Einfuhrzoll an den Karpatenpässen, wurden an Hermannstadt, Kronstadt oder an einzelne Bürger, wie den Hermannstädter Georg Hecht, verpachtet. Dem Pächter oblagen die Arbeit und zugleich das Risiko der Zollerhebung, der König bekam dafür eine feste Summe. Die Törzburg, die wichtige Zoll- und Grenzburg auf dem Handelsweg über die Karpaten, wurde 1498 an die Stadt Kronstadt verpfändet, die dem König zustehende Rechte ausüben und beispielsweise einen Kastellan einsetzen konnte.
Kardinal Oliverus [Caraffa] von St. Sabina und ...
Kardinal Oliverus [Caraffa] von St. Sabina und sieben weitere Kardinäle gewähren am 16. März 1497 allen Bauspendern der Henndorfer Kirche einen hunderttägigen Ablass. Staatsarchiv Hermannstadt, Kirchenarchive, Serie II (Inv. 228) Nr. 840 (Henndorf Nr. 8). Foto: Thomas Șindilariu
Wie in der heutigen Zeit wollten auch die damaligen Investoren mitkontrollieren. Siebenbürger Sachsen, insbesondere Hermannstädter, übernahmen königliche Ämter bis hin zum königlichen Kämmerer oder Salzkammergrafen – zu beiderseitigem Vorteil. Allerdings artete der mit diesen „Nebenämtern“ verbundene Arbeitsaufwand manchmal aus. Dr. Martin Armgart fand im Hermannstädter Archiv eine Urkunde aus dem Jahr 1498, in der sich Bürgermeister Nikolaus Proll entschuldigt: Der königliche Dienst lasse ihn nicht einmal zu Weihnachten nach Hause kommen, selbst zur Rechnungslegung und Neuwahl der städtischen Amtsträger am Dreikönigstag könne er nicht erscheinen.

Der Reichtum dieser Jahre prägt auch das heutige Stadtbild Hermannstadts, etwa die Casa Altemberger des 1491 gestorbenen Bürgermeisters und Investors oder die Häuser am Großen Ring.

Auch sächsische Dörfer verfügten über erhebliche Finanzkraft – zeittypisch wurde Geld auch in Ablass „investiert“. Gerade unter dem Borgiapapst Alexander VI. konnte für viel Geld auch viel erworben werden. Henndorf im Harbachtal konnte bei der einschlägigen Kommission, bestehend aus acht Kardinälen, angeführt von Oliverius Carafa, dem Onkel des späteren Papstes Paul IV., die Ausstellung eines großen Ablasses von 100 Tagen bewirken. Gewährt wurde der Ablass allen, die für den Henndorfer Kirchenbau spendeten. Die Finanzkraft Henndorfs fand ihren Niederschlag auch in der ­optisch ansprechenden Ausgestaltung des Ablassbriefes, der üblicherweise in der Kirche vorgezeigt wurde. Laut Armgart ist es die schönste Urkunde aus dieser Zeit.

Als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter hat Dr. Armgart diese Quellen – Schreiben der sächsischen Gesandten am Hofe, von Sachsen an Fürsprecher am Hof, alleine über 160 Königsurkunden zwischen 1490 und 1500, nun für die Forschung erschlossen und für alle an der Geschichte Siebenbürgens Interessierten im Internet zugänglich gemacht. Aufzurufen sind die ­Dokumente über die Internetseite des Siebenbürgen-Instituts: http://siebenbuergen-institut.de/special-menu/e-transylvanica/urkundenbuch-zur-geschichte-der-deutschen-in-siebenbuergen-online/.

S. B.

Schlagwörter: Urkunden, Geschichte, Siebenbürgen

Bewerten:

16 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.