7. Januar 2014

Dressler-Abend in München

Den ehemaligen Hermannstädter Stadtkantor Franz Xaver Dressler in Ton, Bild und Musik zu erleben, und das einige Jahrzehnte nach dessen Tod, hat in so manchen Anwesenden Erinnerungen wachgerufen. Dr. Christine Stieger, Autorin des im Münchner Musikverlag Edition Musik Südost erschienenen Buches „Franz Xaver Dressler. Die Biographie“, war aus Wien angereist, um ihr jüngstes Werk am 9. Dezember 2013 im großen Pfarrsaal der katholischen St. Piuskirche in München vorzustellen.
Die zahlreichen Zuhörer lauschten mit größtem Interesse den Worten der Autorin, die darüber sprach, wie sie den Weg zum ehemaligen Hermannstädter Stadtorganisten Franz Xaver Dressler gefunden hat. Zugegen war auch die Tochter Dresslers, Christa Schlezak, die sich am Schluss der Veranstaltung sichtlich gerührt für diese Würdigung ihres Vaters bedankte.

Im Sinne Dresslers begann die Veranstaltung mit dem Presto der A-Dur-Violinsonate von Johann Sebastian Bach – jenem Komponisten, dem er sein ganzes Leben gewidmet hat: Fast jedes seiner Konzertprogramme enthielt Werke des Leipziger Thomaskantors und er war der Gründer des Hermannstädter Bach-Chors, eine musikalische Institution, die es ohne Unterbrechung bis heute gibt. Dr. Christine Stieger beschrieb den Werdegang Dresslers, der in Aussig (Böhmen) zur Welt gekommen ist, in Leipzig bei keinem anderen als Prof. Karl Straube studierte und ab 1922 in Hermannstadt an der großen Sauerorgel wirkte. Seine Chöre – der Brukenthalchor und der Bach-Chor – wurden zu seinem Markenzeichen und leiteten in Siebenbürgen die Bach-Renaissance ein. Unzählige Schüler gingen durch seine Hände und so manche mussten diese sogar leibhaftig spüren. Er war Organist, Dirigent, Lehrer, Komponist und Forscher in einer Person. Wie kein zweiter siebenbürgischer Kirchenmusiker hat er durch zahlreiche Schüler seine Spuren hinterlassen und so die Kirchenmusikszene Siebenbürgens geprägt.
Dressler-Abend in München, von links: Prof. Adolf ...
Dressler-Abend in München, von links: Prof. Adolf Hartmuth Gärtner, Dr. Christine Stieger, Christa Schlezak und Dr. Franz Metz.
Das letzte Konzert mit seinem Bach-Chor gab er 1978 mit Mozarts Requiem. Es war ein bedeutendes Ereignis, das jedem damaligen Zuhörer unvergesslich in Erinnerung bleibt. Trotz seines Alters – oder vielleicht gerade deswegen – beherrschte er sowohl seinen Chor wie auch das Philharmonische Orchester und die langen Ovationen am Schluss im überfüllten Hermannstädter Konzertsaal waren eine Hommage an den ergrauten Meister. Viele seiner Zeitgenossen und Begleiter würden zustimmen, dass er es nicht immer leicht hatte und dass man es auch mit ihm nicht immer leicht hatte. Sein Temperament ist so manches Mal mit ihm durchgegangen und seine musikalischen Forderungen gegenüber den Musikern und Chorsängern waren oft nervend. Doch er war ein Meister alten Schlags und da gab es keinen Widerspruch. Und wenn er am Schluss seines Orgelkonzerts im Bukarester Athenäum dem Publikum zurief „Bitte un Thema“ – sein Rumänisch war sehr kantig –, dann hatte er den voll besetzten Konzertsaal gewonnen. Er galt als genialer Improvisationskünstler an der Orgel und blieb darin bis ins hohe Alter ein Meister. Seine Musikalität überdeckte selbst so manche Unebenheiten auf seiner bekannten Einspielung aus dem Jahre 1969 mit Werken von Reger, Franck und Brahms.

Viele Details, die Dr. Stieger über Dressler in ihrem Vortrag schilderte, sind in ihrem Buch nicht vorhanden. Es sind pikante Nebensächlichkeiten und lustige Geschichten, die sie von Dressler-Schülern oder von seiner Familie erfahren konnte. Erst dadurch wird die Musikgeschichte lebendig und glaubhaft. So wichtig auch die Quellen- und Archivforschungen sind, bleiben doch die persönlichen Schilderungen und Berichte wegweisend für die Annäherung an das Forschungsobjekt.

Der Vortrag gewann an Bedeutung auch durch die Anwesenheit von Pfarrer Prof. Dr. Stefan Cosoroabǎ aus Hermannstadt, Pfarrer Michael Gross von der Christuskirche in München und Pfarrer Mathias Stieger aus Reutte. Aber noch rührender war die Anwesenheit von Prof. Adolf Hartmut Gärtner, Verfasser der Biographie des Kronstädter Kantors Viktor Bickerich (1895-1964). Wenn sich die beiden Giganten der siebenbürgischen Kirchenmusik – Dressler und Bickerich – zeitlebens auch nicht oft trafen, so konnten wenigstens ihre Biographen zueinanderfinden. Und dies trotz des großen Altersunterschieds. Christa Schlezak bemerkte zum Schluss zurecht, dass durch diese Dressler-Biographie eine große Lücke in der siebenbürgischen Musikwissenschaft geschlossen wurde.

Der Höhepunkt des Abends aber war ein Schwarzweißfilm mit jenem Interview, das Franz Xaver Dressler dem Rumänischen Fernsehen um 1972 gegeben hat. Darin sieht man den Meister in seinem Element: als Dirigent, als Organist, als Lehrer und als Musikforscher. Durch dieses mehr als vierzig Jahre alte Bild- und Tondokument wirkt der Geist Dresslers fast wie lebendig. Abgeschlossen wurde der Abend mit zwei Liedern des Komponisten in Bearbeitung für Violine und Klavier, „Dass du mit Leib und Seele“ und „Jasminstrauch“, interpretiert von Andreas Kaufmann (Violine) und der Buchautorin Dr. Christine Stieger. Gefördert wurde diese Veranstaltung durch die Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa e.V. München.

Dr. Franz Metz

Schlagwörter: Musik, Dressler, München

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