1. Juni 2014

„Solidarität in der Nachbarschaft“: Kultur- und Frauenreferentinnen tagten

Zwei Tage lang waren die bayerischen Kultur- und Frauenreferentinnen wahre Schatzgräber! Sie hoben Schätze aus dem reichen Nachlass der Sitten und Bräuche unserer Vorfahren sowie einige in unseren Kreisverbänden schlummernden Thesauri. Dabei ging es auch um Überlegungen, welche der kostbaren Funde wir heute in Deutschland unverändert übernehmen können oder abändern sollten.
Nach herzlichem Empfang mit Imbiss begrüßte der Vorsitzende der Kreisgruppe Augsburg, Gottfried Schwarz, die Teilnehmer im neu renovierten „Vereinsheim der Deutschen aus dem Osten“. Mit einem stabilen Bezug zur Stadtpolitik und reibungsloser Zusammenarbeit mit den Russlanddeutschen verwirklichte die Kreisgruppe dieses lang ersehnte Vorhaben, so dass sich Jung und Alt aus der Kreisgruppe zu regelmäßigen Proben und Veranstaltungen treffen können.

Christa Wandschneider, Frauenreferentin des Landesverbandes Bayern, führte mit dem Zitat „Öffne der Veränderung deine Arme; aber verliere dabei nicht deine Werte aus den Augen“ (Dalai Lama) in die Seminarthematik „Solidarität in der Nachbarschaft“ ein. Landeskulturreferentin Doris Hutter würdigte die finanzielle Förderung der Tagung durch das Bayerische Sozialministerium, gewährt über das Haus des Deutschen Ostens, und moderierte im Anschluss geschickt einen sehr regen Meinungsaustausch, während dessen die Teilnehmer über bereits gehobene Schätze in ihren Gruppen berichteten, wie z.B. die Gründung einer neuen Jugendgruppe in Kempten, das erfolgreiche Proben der Kindertanzgruppe München am Sonntag, der wichtige Stellenwert der Projektarbeit und der lange Atem in Augsburg, Stadtführungen in München oder kleine Gesten wie die Grußkarten in Ebersberg. Auch die junge Generation ließe sich begeistern, wenn sie mit einem ansprechenden Thema altersgerecht zu einem erstrebenswerten Ziel geführt wird. Dabei sollten wir „alten Hasen“ ihnen ruhig mehr Aufgaben und Initiativen zutrauen.

Aus der angeregten Diskussion lockte uns ein unwiderstehlicher Gulaschgeruch in den Speisesaal. Wir danken auch auf diesem Wege der Frauengruppe unter der Leitung von Heidi Kellinger für die köstliche und vielseitige Bewirtung!

Roswitha Kepp, Nachbarmutter in Schwabach, befasste sich mit der Frage: „Ehemalige siebenbürgische Nachbarschaft – ein Vorbild für den Kreisverband?“. Sie informierte mit einem historischen Überblick und erläuterte die Aufgaben der Nachbarschaften in den verschiedenen Zeiträumen. Maria Schenker, Kulturreferentin in Augsburg, berichtete sehr anschaulich und lebendig über den Aufbau der Nachbarschaften in Großau, einer Gemeinde bei Hermannstadt, in der Siebenbürger Sachsen und Landler in Eintracht ihre Sitten und Bräuche pflegten. Christa Wandschneider ergänzte mit Bräuchen und Regeln der Großpolder Nachbarschaften. Liane Schmidts verdeutlichte begeistert, wie die Nachbarschaft heute in Geretsried mit Hilfe der Zehntfrauen funktioniert. Überhaupt verstärkte sich während des ganzen Seminars die leidenschaftliche Arbeitslust aller ehrenamtlichen Aktiven, die viel Zeit und Energie in die Bewahrung urväterlicher Werte und das Wohlergehen der Landsleute nah und fern investieren. Tenor der Diskussion war, dass Nachbarschaft noch immer eine berechtigte und nützliche Organisation des Zusammenlebens sei. Besonderes Augenmerk sei auf eventuell verwitwete und vereinsamte Landsleute zu richten, die auch über Kirchen und Wohlfahrtsverbände ausfindig gemacht werden sollten. Ganz wichtig dabei ist, dass weiterhin Netzwerke gepflegt und aufgebaut werden. Es stellte sich heraus, dass Mundwerk und die persönliche Übergabe von Einladungen den Erfolg des Besuches der Landsleute bei unseren Veranstaltungen wesentlich erhöht.

Nach Kaffee und herrlichem selbst gebackenem Kuchen fuhren wir ins nahe Leitershofen, bezogen unsere Zimmer im Diözesan-Exerzitienhaus und stärkten uns mit dem Abendessen für das Abendprogramm.
Die Teilnehmer der Tagung in Leitershofen (oder ...
Die Teilnehmer der Tagung in Leitershofen (oder die „Schatzgräber“ von Leitershofen). Foto: Siegfried Krempels
Sehr kompetent referierte Christa Wandschneider zum Thema: „280 Jahre – Die Landler in Siebenbürgen“. Sie ist in Großpold (wie Großau und Neppendorf eine „Landlergemeinde“) aufgewachsen. Ihre Vorfahren waren sowohl Sachsen als auch Landler. Österreichische Protestanten aus dem streng katholischen Kaiserreich wurden ab 1734 zuerst nach Franken und dann in das reformierte Siebenbürgen transmigriert. Die siebenbürgischen Dörfer, in denen sie Fuß fassen konnten, erfuhren vielfältige positive Wandlungen. Als eine „Sprachinsel in der Sprachinsel“ gelang es den Landlern, ihre altösterreichische Sprache und ihre Tracht fast dreihundert Jahre lang zu bewahren. Trotz des anstrengenden Tages fanden sich die Teilnehmerinnen in fröhlicher Runde ein und ließen den ereignisreichen Tag bei einem guten Tropfen ausklingen.

Am Sonntag führten der Vorsitzende des HOG-Verbandes, Hans Gärtner, sowie Rosi und Gottfried Schwarz, moderiert von Doris Hutter, eine offene Gesprächsrunde zum Thema: „Mein Traum: HOG und Kreisverband, Hand in Hand“. Gottfried Schwarz hat diesbezüglich einen wichtigen Schritt unternommen und ein HOG-Referat in der Kreisgruppe eingerichtet. Hans Gärtner erklärte, dass die HOGs eher projektmäßig arbeiteten, und unterstrich u.a. sein Bestreben, die Jugendarbeit neu zu strukturieren, damit die Jugendlichen die Heimat ihrer Vorfahren besser kennen und lieben lernen. Siegfried Krempels, HOG Gierelsau, der seit Jahren erfolgreich mit Jugendlichen aus Siebenbürgen musiziert, betonte unterstützt von mehreren Kulturreferentinnen, wie wichtig es sei, über die Kreisgruppen die Kinder von klein auf einzubinden, ihnen sächsische Kultur zu vermitteln, auf dass sie im Glücksfall vom „Siebenbürger-Virus“ befallen werden. Davon könnten die HOGs bei ihren Treffen profitieren, z.B. durch ein schnell einzurichtendes Blasorchester oder eine funktionierende Tanzgruppe. Andererseits könnten sich die HOGs in den Kreisgruppen z.B. mit einer Trachtenvorstellung präsentieren oder im Wechsel ihre Bräuche vorstellen. Einen regen Meinungsaustausch löste das Thema Trachten beim Umzug in Dinkelsbühl aus. Doris Hutter versicherte, dass eine Datenbank in Arbeit sei, in der jede HOG ihre Tracht in Bild und Wort genau beschreibt, und wo man gezielt Trachtenteile suchen und Trachten richtig zusammenstellen kann. Die Teilnahme am Trachtenumzug mit der HOG oder mit der Kreisgruppe könne ruhig jedem überlassen werden, weil sie davon abhänge, ob man das Kriterium Trachtenlandschaft oder Zusammengehörigkeitsgefühl zur praktizierenden Gruppe ansetzt.

Während der ganzen Tagung war das Thema präsent, die Leute zu motivieren, mitzumachen. Es ist ganz wichtig, unermüdlich und konsequent am Ball bleiben, neue Mitglieder zu gewinnen und neue Wege zu erproben, u.a. auch Freizeitgruppen zu gründen, in denen z.B. Eislaufen, Wandern, Radfahren oder Stadtführungen angeboten werden. Und die begonnene ­Toleranz zwischen den HOGs und den Kreisverbänden sollte weiter ausgebaut und intensiviert werden, wie Hans Gärtner in seinem Schlusswort sagte.

Nach dem Mittagessen wurden wir durch die beeindruckende siebenbürgisch-sächsische Sammlung von Gerhard Rill in Augsburg geführt. Herr Rill hat vierzig Jahre lang sächsisches Kulturgut nach Deutschland gebracht. Jeder seiner Schätze hat eine interessante Geschichte. Wir staunten über die Vielzahl der Haushaltsgeräte, Bauernmöbel, Trachten, Werkzeuge, Kacheln, Bücher, Fotos usw. Einige Seminarteilnehmer besuchten anschließend das von der Augsburger Theatergruppe unter der Leitung von Maria Schenker dargebotene Stück „As Susi huet Geest“. Was für eine Ausbeute für die „Schatzgräber“! Wir werden sie sorgfältig in unserer Schatztruhe verstauen, die nun leichter zu öffnen ist, so dass wir bei Bedarf nicht mehr lang graben müssen.

Angelika Meltzer

Schlagwörter: Kulturreferenten, Frauen, Tagung, Augsburg, Nachbarschaften

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