7. September 2014

Friedrich-Mieß-Retrospektive in Kronstadt

51 Werke des Kronstädter Malers Friedrich Mieß (1854-1935) sind bis zum 28. September im Kunstmuseum Kronstadt zu sehen. Die Gemälde, Grafiken, Zeichnungen und Fotografien stammen aus den museumseigenen Beständen und Privatkollektionen oder sind Leihgaben des Brukenthal-Museums Hermannstadt, der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Kronstadt sowie des Hermannstädter Begegnungs- und Kulturzentrums „Friedrich Teutsch”. Sie dokumentieren den künstlerischen Werdegang von Friedrich Mieß seit seinen Studienjahren bis hin zur Zwischenkriegszeit, beleuchten die thematischen Schwerpunkte seines Schaffens sowie die von ihm angewandten Arbeitstechniken.
Laut Radu Popica, Ausstellungskurator und Abteilungsleiter im Kronstädter Kunstmuseum, verhält sich die Retrospektive Friedrich Mieß komplementär zur Gesamtrückschau auf Arthur Coulins Werk, die 2009 bis 2010 zu sehen war, „denn Mieß und Coulin haben zur künstlerischen Entwicklung Kronstadts maßgeblich beigetragen und die visuelle Wahrnehmung unserer Stadt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt.“ Friedrich Mieß, der einer wohlhabenden Kronstädter Familie angehörte, hatte sich erst nach einer kaufmännischen Ausbildung für die Künstlerlaufbahn entschlossen. Er studierte in Wien und München (1883-1889) und lebte zwei Jahre in Rom, bevor er in seine Heimatstadt zurückkehrte und sich einen Namen als Maler, Buchillustrator, Ausstellungsveranstalter, Pädagoge und Restaurator machte. Im kleinen Saal am Eingang des Kronstädter Museums kann der Besucher einen guten Überblick über die frühen Werke gewinnen: italienische Landschaften oder ein Porträt des Kaisers Franz Josef I. aus der Studienzeit in Wien, sowie „Frau im Garten“ (1890) und „Frauenporträt in sächsischer Tracht (Frieda Teutsch)“, all diese Gemälde lassen bereits den späteren prominenten Künstler erahnen.

Seine berühmtesten Arbeiten sind im großen Saal ausgestellt: Porträts und Landschaften, die eine friedliche, harmonische Welt vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs bzw. abseits der großen Konflikte darstellen. Viele Werke sind dem siebenbürgischen Kunstliebhaber bekannt, etwa drei Selbstporträts des Malers vom Jahrhundertanfang, das Porträt Rudolf Lassels oder das großformatige Gemälde „Frühlingsstimmung“ (1914), das den ganzen Raum dominiert.
Plakat der Ausstellung mit einem Selbstporträt ...
Plakat der Ausstellung mit einem Selbstporträt des Künstlers
Mehrere Burzenländer Landschaften sind von Fotografien begleitet, auf denen man identische Szenerien erkennt. Dass Mieß auch ein eifriger Fotograf war, ist weniger bekannt, doch sein Nachlass umfasst 544 Negative auf Fotoplatten, von denen rund 300 im Kronstädter Ethnographie-Museum aufbewahrt werden. „Fotografie ist ein einzigartiger Aspekt im Werk von Friedrich Mieß“, erklärt Kurator Radu Popica. „Er hat mit der Kamera den Arbeitsprozess in seiner Werkstatt sowie Teile seines Werks dokumentiert, sodass einige Gemälde, die inzwischen als verschollen gelten, zumindest in seinen Fotografien aufgezeichnet sind. Außerdem fotografierte er Landschaften, die er dann anhand der Lichtbilder in seiner Werkstatt nachmalte und gegebenenfalls mit Figuren ergänzte.“ Dies lag wahrscheinlich dem Credo von Friedrich Mieß nahe, so präzise wie möglich die Wirklichkeit abzubilden. Sein Werk beschrieb er selbst als von der italienischen Renaissance, der naturalistischen Schule und der impressionistischen Farbpalette beeinflusst, doch am meisten der Natur, ihren Formen und ihrer Harmonie verpflichtet. Ersichtlich ist dies auch in den Aktzeichnungen, Skizzen und Grafiken, die die Retrospektive ergänzen.

Die Ausstellung des Kronstädter Kunstmuseums ist nicht nur dem 160. Geburtstag des Malers gewidmet, sondern ebenso dem Ziel, eine Lücke in der Wahrnehmung der siebenbürgischen Kunst zu überbrücken, wie Radu Popica erläutert: „In den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfreute sich Mieß großer Anerkennung und positiver Kritik, doch nach 1944 wurden seine Werke überhaupt nicht mehr ausgestellt. Er teilte dieses Schicksal mit anderen Kronstädter Künstlern, denn seine Arbeiten, die eine bürgerliche Haltung widerspiegelten, passten nicht mehr zur vorherrschenden ideologischen Kunstauffassung.“ Erst spät, nach der Wende von 1989 konnte Mieß von den Museen und Kunsthistorikern „wiederentdeckt“ werden.

Die Retrospektivausstellung am Kronstädter Rudolfsring (B-dul Eroilor) 21 kann täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr besucht werden. Ein zweisprachiger Katalog soll zur Finissage in der letzten Septemberwoche veröffentlicht werden und stellt laut Radu Popica „den Versuch einer möglichst vollständigen Bestandsaufnahme des Werks von Friedrich Mieß“ dar, einschließlich kunstwissenschaftlicher Studien und kritischer Texte von Zeitgenossen des Künstlers.

Christine Chiriac


Schlagwörter: Kunst, Ausstellung, Kronstadt

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