25. September 2014

Internationale Tagung in Graz: „Siebenbürgen und der Erste Weltkrieg“

Das brisante Groß-Thema, der Erste Weltkrieg, das in den letzten Wochen und Monaten in den Medien und im kollektiven Bewusstsein vieler Menschen wieder verstärkt präsent ist, war – da es räumlich Siebenbürgen im Mittelpunkt hatte – Anlass einer der spannendsten Tagungen dieser Art der letzten Jahre.
Als Veranstalter zeichneten: das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas, München (IKGS), der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, Heidelberg (AKSL), das Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität, Graz, und das Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Oldenburg (BKGE). Die Organisatoren hatten in das traditionsgebundene und zugleich modern gestaltete Bildungshaus Mariatrost nach Graz eingeladen. Über 70 Teilnehmende kamen, unter ihnen eine Reisegruppe, die sich vorher unter der Führung von Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch eine Woche lang auf einer Studienfahrt mit dem Thema „Der Erste Weltkrieg in den Dolomiten und am Isonzo“ befunden hatten.
Die Historiker Dr. Harald Roth (links) und Hon. ...
Die Historiker Dr. Harald Roth (links) und Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch während der Tagung in Graz. Foto: Konrad Klein
Die Tagung – sie war zugleich die 49. des Arbeitskreises – wurde auf Anregung und unter der kompetenten organisatorischen und fachlichen Betreuung des Grazer Historikers Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Harald Heppner durchgeführt. „Im Vordergrund stand das prägende Ereignis des 20. Jahrhunderts, der Erste Weltkrieg und seine unmittelbaren Folgen in und für Siebenbürgen. Neue Forschungsergebnisse wurden durch ausgewiesene Experten und erfreulich zahlreiche Nachwuchswissenschaftler vorgetragen und zur Diskussion gestellt“, so Dr. Ulrich Andreas Wien, Vorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, in der Einladung zur Tagung. Schon der einleitende Vortrag mit dem Titel „Siebenbürgen im strategischen Focus des Krieges“ des wohl besten Fachmanns zum Thema, Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner aus Wien, eröffnete den Zuhörern die Vielfalt der Facetten um Siebenbürgen und die Zeit von 1914 bis 1918. Fragen der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rumänien in den Jahren 1914-1916 wurden im Referat von Dr. Dr. Gerald Volkmer behandelt. Weitere drei Mitteilungen (Dr. habil. Zsolt Lengyel, Stephanie Danneberg und Dr. Franz Horváth) hatten Ungarn und die Beziehungen zwischen den Ethnien in Siebenbürgen zum Thema. Geschildert und analysiert wurde auch die Lage in den Dörfern (Prof. Dr. Harald Heppner) und Städten (Dr. Harald Roth) Siebenbürgens in der Zeit des Ersten Weltkriegs.

Die Rolle einzelner Gruppen in Siebenbürgen um jene Zeit beinhalteten die Vorträge von Ingrid Schiel (Die siebenbürgisch-sächsischen Frauen), Emese Veres (die Flucht der Sachsen und Magyaren aus Südsiebenbürgen, 1916) und Dr. Enikő Dácz (die siebenbürgischen Abgeordneten im ungarischen Parlament). Exemplarisch war auch die Präsentation von Hansgeorg v. Killyen zum Thema siebenbürgisch-sächsische Ärzte im Ersten Weltkrieg. Die Rolle der Kirchen in diesem Zeitraum beleuchteten Dr. Ulrich A. Wien (Die Evangelische Kirche A.B. in Siebenbürgen während des Ersten Weltkriegs) und Ionela Zaharia (Der rumänische Militärklerus während des Großen Krieges). Anschaulich wurde das Thema auch im Vortrag von Dr. Eckbert Schneider und Dr. Erika Schneider präsentiert, die den siebenbürgischen Arzt Dr. Hermann Breckner und seine sechsjährige Gefangenschaft in Sibirien während und nach dem Ersten Weltkrieg untersuchten.
Ingrid Schiel während ihres Vortrages über ...
Ingrid Schiel während ihres Vortrages über siebenbürgisch-sächsische Frauen. Foto: Konrad Klein
Kunst und Literatur im Krieg kamen ebenso zur Sprache in den Referaten von Dr. Markus Lörz über Ludwig Hesshaimers Grafik zum Kriege und von Dr. András Balogh über den Krieg und das kollektive Gedächtnis im Spiegel der Literatur. Timo Hagen sprach über den „‘Retter Siebenbürgens‘ in Michelangelos Kentaurenschlacht. Entwurfszeichnungen für ein Denkmalprojekt aus den Jahren des Ersten Weltkriegs“ in Hermannstadt. Dr. Bernhard Böttchers Referat über Kriegerdenkmäler in Siebenbürgen wurde verlesen. Die unmittelbare Nachkriegszeit wurde in zwei Referaten thematisiert: Dr. Florian Kührer-Wielach analysierte „Die Union Siebenbürgens mit Rumänien“, Prof. Dr. Rudolf Gräf sprach über „Die wirtschaftliche Neuorientierung Siebenbürgens und des Banats nach 1918“. Ideale Tagungsbedingungen machten es möglich, dass fast alle Vorträge von Power-Point-Präsentationen begleitet waren. Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch stellte eine kleine, aber anschauliche Rollup-Wanderausstellung mit dem Thema „Aus der Werkstatt des Krieges: Der Erste Weltkrieg in den Beständen des IKGS“ vor.
Während der Diskussion des Referates von Emese ...
Während der Diskussion des Referates von Emese Veres (stehend). Sitzend: Prof. Dr. Manfred Rauchensteiner und Dr. Ulrich A. Wien (von links), stehend: Dr. Konrad Gündisch als Moderator. Foto: Konrad Klein
Am Rande der Tagung gab es für alle Teilnehmer einen Empfang im wunderschönen historischen Rathaus der Stadt Graz, auf dem die Stadträtin Ingrid Heuberger den Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl vertrat. Zwei historische Führungen für die Tagungsteilnehmer wurden angeboten, eine in den Süden der Steiermark zu Sehenswürdigkeiten in Ehrenhausen, auf Schloss Seggau und nach St. Veit im Voggau. Anschließend gab es ein gemütliches Zusammensein in einer steirischen Buschenschenke in Mitteregg. Die zweite hoch interessante und immer wieder mit Siebenbürgen im Zusammenhang stehende Führung ging durch die Altstadt von Graz, durchgeführt von Prof. Harald Heppner, gebürtiger Grazer und großer Kenner der Vergangenheit und der Gegenwart der Steiermark, aber auch Siebenbürgens.

Am Sonntag fanden traditionsgemäß ein Gottesdienst, dieses Mal in der evangelischen Heilandskirche, und daran anschließend die Mitgliederversammlung des Arbeitskreises statt.

Fazit: Eine Tagung von großem Wert für alle historisch Interessierten mit zahlreichen Vorträgen und mit wertvollen Diskussionsbeiträgen über die spannende Zeit des „Großen Krieges“ 1914-1918, dessen Folgen bis in die Gegenwart hinein ausstrahlen.

Hansgeorg v. Killyen

Schlagwörter: Tagung, Graz, Weltkrieg, AKSL, IKGS

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