17. Oktober 2014

Eine Gräfin mit Herz

150 Jahre seit der Gründung des Lehr- und Erziehungsinstitutes der Armen Franziskanerinnen in Hermannstadt durch Gräfin Julianna Montenuovo, geborene Batthyány
Am Anfang war ein kleines Gruppenbildnis des siebenbürgischen Fotopioniers Theodor Glatz, das ich bei Ebay ersteigert hatte. Ich saß damals gerade an einem Aufsatz über diesen für Hermannstadt so bedeutenden Fotografen. Die Aufnahme des treusorgenden Familienvaters mit seinen Kindern hatte mich angesprochen, weil sie weit weniger steif als die meisten Atelierbilder aus jener Zeit wirkte. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei dem Abgebildeten um keinen Geringeren als den Kommandierenden General von Siebenbürgen, Wilhelm Albrecht Fürst von Montenuovo (1821-1895). Der ­beliebte Landesgouverneur war Ehrenmitglied des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften, pflegte eine volksnahe Geselligkeit und schwor auf die Heilkraft der Salzburger Badeseen. Als er 1866 Siebenbürgen wieder verließ, ließ er sich ein Fass mit 50 Eimern Tököly-Wasser abfüllen und nach Wien bringen. Es war sicher nicht die schlechteste Zeit, als Fürst Montenuovo die Geschicke des Großfürstentums Siebenbürgen bestimmte (1861-1866).
Das erste Ordensgebäude der Armen ...
Das erste Ordensgebäude der Armen Franziskanerinnen in Hermannstadt war ein gemietetes Wohnhaus (Geringer’sches Haus). Aufnahme von Theodor Glatz (1865)
Dazu trug in entscheidender Weise auch die tiefe Gläubigkeit und tätige Liebe seiner Ehefrau bei. Gräfin Julianna Montenuovo, geb. Batthyány (1827-1871), der das Schicksal armer und elternloser Kinder sehr am Herzen lag, lernte eines Tages einige Franziskanerschwestern kennen, die es beim Almosensammeln bis nach Siebenbürgen verschlagen hatte. Ihr Entschluss, die damals erst seit wenigen Jahren bestehende Schwesterngemeinschaft der „Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“ in Pirmasens auch nach Hermannstadt zu holen, stand schnell fest. Binnen Jahresfrist hatte sie hierfür die bischöfliche Erlaubnis, so dass bereits am 19. November 1864 sechs Schwestern ein angemietetes Wohnhaus in der Berggasse beziehen konnten (seit 1869 firmierte als Mutterhaus der Armen Franziskanerinnen ein ehemaliges Benediktinerkloster im bayerischen Mallersdorf, wohin die Nonnen aus räumlichen Gründen gezogen waren). Bereits zwei Tage später hatten 20 Mädchen in Hermannstadt ein neues Zuhause gefunden, religiöse und ethnische Unterschiede spielten bei der Aufnahme keine Rolle.

Zwei Jahre später kauften die Schwestern das Mietshaus und bald darauf auch das angrenzende Mansardenhaus Berggasse 43 – es war das Elternhaus von Emil Sigerus, wo dieser bis zum frühen Tod seines Vaters, des Magistratsbeamten Karl Sigerus (1812-1868), eine unbeschwerte Kindheit verbracht hatte. Nun diente das einst protestantische Anwesen als Kapelle und Schlafstätte der Schwestern und im „Sitzzimmer“ des Hauses hatte man ein bescheidenes Refektorium eingerichtet.

Gräfin Julianna Montenuovo, geb. Batthyány, die ...
Gräfin Julianna Montenuovo, geb. Batthyány, die Begründerin des franziskanischen Lehr- und Erziehungsinstitutes in Hermannstadt. Foto: Theodor Glatz, um 1862
Im Schuljahr 1869/70 besuchten 91 Mädchen die Schule, von denen 49 im Ordenshaus wohnten. Wegen der anhaltenden räumlichen Enge nahm sich Bischof Dr. Mihálý Fogarassy 1873 der Einrichtung persönlich an und ließ, zum Teil sogar auf eigene Kosten, erhebliche Erweiterungen vornehmen. Mit dem Entwurf des neuen Gebäudes wurde der k.k. Militäringenieur Michael Seyfried beauftragt, die Ausführung lag bei Baumeister Michael Guth (die beiden hatten sich schon vorher mit der Errichtung der Landesirrenanstalt einen Namen gemacht, 1857-59 wurde nach Seyfrieds Plänen der Erlenpark angelegt). Mit Geschick schafften es die beiden sogar, die ursprünglichen Häuser ins neue Institutsgebäude zu integrieren, wie eine Fotografie von 1874 zeigt. Damals erhielt der Bau seine charakteristisch abgeflachten Giebel mit dem aufgesetzten Kreuz. 1896 kamen zweistöckige Seitenflügel und eine neue Kapelle hinzu, diesmal nach Entwürfen von Baumeister Franz Szalay, dem Erbauer der Synagoge in der Salzgasse.

Es hat etwas Tragisches, dass Gräfin Batthyány nicht einmal die erste größere Erweiterung der von ihr begründeten Lehranstalt miterleben konnte. Sie starb bereits 1871 in Wien an einem 19. November, ausgerechnet jenem Tag, an dem die ersten Armen Franziskanerinnen in Hermannstadt eintrafen. Von der Gräfin ist eine Fotografie erhalten, die ebenfalls von Theodor Glatz aufgenommen wurde – vielleicht zum selben Zeitpunkt, als auch das Atelierbild mit ihren Kindern entstand. Die edlen Gesichtszüge der damals etwa 35-Jährigen – sie trägt einen eleganten Reifrock mit einer Schleppe à la mode – hinterlassen beim Betrachter einen nachhaltigen Eindruck. Die Aufnahmen von Gräfin Batthyány sowie weitere vom Kloster bis in die Zeit um 1900 sind in der Monographie des Pädagogen und langjährigen Institutsdirektors Dr. Lajos Bilinszky in schönstem Lichtdruck wiedergegeben, was nicht weiter verwundert, wurde doch das Buch in der Kunstanstalt Jos. Drotleff 1903 in Hermannstadt gedruckt. Leider ist die auch kulturhistorisch interessante Veröffentlichung A szent Ferencz-rendi növérek nagyszebeni tan- és nevelöintézetének története (Geschichte des Lehr- und Erziehungsinstitutes der Franziskanerinnen in Hermannstadt) nur auf Ungarisch erschienen und schwer zu finden, neuerdings ­jedoch als pdf-Datei verfügbar (http://mek.oszk.hu/11900/11925/11925.pdf).
Wilhelm Albrecht Fürst von Montenuovo mit seinen ...
Wilhelm Albrecht Fürst von Montenuovo mit seinen Kindern Albertine, Marie und Alfred im Fotoatelier von Theodor Glatz (um 1862), Sammlung des Verfassers.
Der Name des Direktors und späteren Prälaten Dr. Lajos Bilinszky (1868-1940) ist mit dem Institut unlösbar verbunden, weil er es seit seinem Amtsantritt kontinuierlich ausbaute und modernisierte. 1894 errichtete er einen Kindergarten, 1896 eine Lehrerinnen-Präparandie (die einzige römisch-katholische in Siebenbürgen), 1904 eine Mädchen-Bürgerschule, 1914 ein Lehrerinnenseminar und 1921 eine Höhere Mädchen-Handelsschule. Nachdem er 1940 einen Teil des Gebäudekomplexes der Deutschen Wehrmacht überlassen musste, zog er sich verbittert nach Klausenburg zurück, wo er im Dezember 1940 starb. Es ist nicht zuletzt Bilinszkys weitsichtigem Wirken zu verdanken, dass Siebenbürgen 1924 15 franziskanische Ordenshäuser mit insgesamt 272 Schwestern besaß, 100 mehr als in allen anderen Frauenorden zusammen. 2003 wurde ihm mit der Enthüllung einer Gedenktafel am Eingang zur Schule eine späte Ehrung zuteil.

Unter kommunistischer Herrschaft sollte es freilich noch schlimmer kommen. 1948 wurden alle Konfessionsschulen – und damit auch die Klosterschulen der Franziskanerinnen und der elitäreren Ursulinen – verstaatlicht und die Schwestern erhielten Unterrichtsverbot. Im Jahr darauf wurden die Orden aufgelöst und alle Klosterschwestern aus der Stadt vertrieben. “Ich habe neun Jahre in dieser Schule in der Hauswirtschaft gearbeitet. Am 15. August 1949 mussten wir alle hinaus von hier. Nicht einmal in der Stadt haben sie mich gelassen”, so die Franziskanerschwester Agotha zu HZ-Reporter Wolfgang Fuchs (Hermannstädter Zeitung vom 17.10.2003).
Bier macht nicht dick, man darf nur nichts dazu ...
Bier macht nicht dick, man darf nur nichts dazu essen": Schwester Doris sorgt mit ihrer Braukunst für das leibliche Wohl der Schwestern sowie der Bierkenner von nah und fern. Im Hintergrund die Fassade von Kloster Mallersdorf mit seinem schönen romanischen Portal. Foto: Konrad Klein
Die Aussage scheint in einem gewissen Widerspruch zu einem Dokument aus dem Klosterarchiv Mallersdorf zu stehen. Diesem nach kehrten sechs deutsche Schwestern bereits im April 1949 ins Mutterhaus zurück. Die verbliebenen 30 forderte man im Dezember ’49 auf, ins Franziskanerkloster nach Fogarasch zu ziehen (frdl. Mitteilung von Sr. M. Hiltrud Baumer, Mallersdorf). Hatte man die dem einfachen Volk verbundenen und zuletzt in rumänischer Sprache unterrichtenden Franziskanerschwestern mehr geschont als ihre „vornehmeren“ Kolleginnen vom deutsch-katholischen Mädchengymnasium „St. Ursula“? Im Archiv des Landshuter Ursulinenklosters gibt es einen Bericht der Hermann­städter Ursulinerin Agnes Kovacs, demzufolge sich unter den im August 1949 vertriebenen Ursulinen auch drei „Mahlersdorfer Franziskaninnen“ befanden (Hermannstädter Heimat-Bote Nr. 105/Dezember 2009). Erst 1991 kehrten die Mallersdorfer Schwestern nach Siebenbürgen wieder zurück.
In kommunistischer Zeit wurden im Franziskanerkloster eine Sanitäts- und eine Textilfachschule betrieben. Zu letzterer kam 1999 das Constantin-Noica-Lyzeum hinzu. Rechtssicherheit brachte die Rückgabe des Instituts am 7. August 2006. 2011 zogen in die Räume der Sanitätsschule eine Architekturfakultät für Denkmalschutz und eine weitere für Stadtforschung ein, beides Filialen der Bukarester Ion-Mincu-Universität. Eine echte Win-Win-Geschichte, denn nun hat man bei Sanierungsfachfragen die Experten buchstäblich im Haus. Dafür dürfen die Architekten den frisch sanierten Festsaal nutzen und sich sogar Hoffnung auf die immer noch als Turnsaal genutzte Hauskapelle machen – Überlegungen für eine würdigere Nutzung gebe es bereits, wie Fakultätssekretär Marcel Nemeti andeutet, manchen Lesern besser als Verwaltungsleiter des Forschungszentrums für traditionelle Architektur in Schönberg bekannt. Unter der Übertünchung sind Reste von religiöser Wandmalerei zu sehen, Arbeiten des Münchners Ludwig Kandler. Nemeti ist überzeugt, dass sie wieder freigelegt und dann wie jene im Festsaal in altem Glanz erstrahlen könnten. Nur für die kostbaren Glasfenster aus der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München käme jede Hilfe zu spät – sie wurden noch unter den Kommunisten zerstört.
Schwester Doris am Sudkessel der Klosterbrauerei ...
Schwester Doris am Sudkessel der Klosterbrauerei Mallersdorf. Die gebürtige Fränkin ist die letzte klösterliche Braumeisterin in Bayern. Foto: Konrad Klein
Zur 150. Wiederkehr der Anfänge der Armen Franziskanerinnen in Siebenbürgen sind ein Festakt mit Gottesdienst in der katholischen Stadtpfarrkirche und eine Ausstellung zur Geschichte ihres Wirkens geplant. Dass die Feier auf den 17. Oktober vorgezogen wurde, ist der Tatsache geschuldet, dass die Temperaturen um den 19. November bereits recht kühl sein können. Verständlich auch, dass die siebenbürgischen Franziskanerinnen das 140. Jubiläum bereits so ­feierten, als sei es das 150ste – der teils hochbetagten Schwestern wegen. Sie werden auch diesmal von überall kommen – aus Oderhellen, Großwardein, Kézdiszentlélek/Sânzieni, der neu errichteten Niederlassung in Kronstadt und natürlich aus dem bayerischen Mutterhaus. Nur nicht aus Hermannstadt, denn dort gibt es keinen Konvent der Mallersdorfer Schwestern mehr.
Lehr- und Erziehungsinstitut der Armen ...
Lehr- und Erziehungsinstitut der Armen Franziskanerinnen, Berggasse/Dealului 4-10. Kolorierte Postkarte, um 1910, Samml. Helmut Wolff. Das Bild hatte August Sporner 1899 gemalt, der auch Autor einer bekannten Tuschzeichnung von Hermannstadt aus der Vogelschau ist. Bis 1896 stand an der Stelle des rechten Seitenflügels Emil Sigerus’ Vaterhaus.
Schade für die Festgäste, dass das Jubiläum nicht mit dem berühmten Mallersdorfer Klosterbier begangen wird. Es wird noch heute von einer Mitschwester gebraut, die als eine der letzten bierbrauenden Ordensleute in Deutschland am Sudkessel steht. Sr. M. Doris – die Armen Franziskanerinnen führen in ihrem Schwesternamen ein zusätzliches M für Maria – denkt mit ihren 65 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Und weil man sich nun mal der Tradition verpflichtet fühlt, wird das Mallersdorfer Bier ausschließlich in altmodische „Maurerflaschen“ mit Bügelverschluss abgefüllt. Sie tragen das Konterfei der einem fröhlich zuprostenden Brauschwester und werden nur „um den Schornstein“ der Brauerei sowie in einigen Getränkemärkten in Regensburg, Landshut, Straubing und München vertrieben. Ad multos annos, Schwester Doris! Was umso mehr für das segensreiche Wirken der Armen Franziskanerinnen in Siebenbürgen gelten möge.

Konrad Klein


PS. Der oben erwähnte Aufsatz über den siebenbürgischen Fotopionier und ersten Bildchronisten Hermannstadts Theodor Glatz ist vor wenigen Wochen im Tagungsband Adrian-Silvan Ionescu (Hrsg.): „Szathmári, pionier al fotografiei și contemporanii sai.“, Bukarest 2014, erschienen. Der Beitrag umfasst rund 40 Seiten und ist mit 41 Aufnahmen illustriert.

Schlagwörter: Hermannstadt, Erziehung

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