22. Dezember 2014

Bewahrer und Förderer unserer Identität: Dr. Michael Kroner wird 80

Als 2005 der Münchner Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger unerwartet zum Papst gewählt wurde, titelte die Bild-Zeitung „Wir sind Papst!“. Als kürzlich der Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis ebenso überraschend zum Staatspräsidenten Rumäniens gewählt wurde, machte unter Siebenbürger Sachsen der Ausspruch „Wir sind Präsident!“ die Runde. Was hat das alles mit dem Historiker Dr. Michael Kroner zu tun, der am 22. Dezember seinen 80. Geburtstag feiert? Mehr als zunächst vermutet.
So, wie wir uns beispielsweise (besonders) heuer mit der deutschen Fußballnationalmannschaft identifizieren und locker sagen: „Wir sind Weltmeister!“, so identifizieren wir Siebenbürger Sachsen uns hier mit unserem prominenten deutschen Landsmann Klaus Johannis, der auch für seine rumänischen Wähler bestimmte Qualitäten, Werte und Haltungen repräsentiert. Karl-Peter Schwarz schreibt dazu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17. November 2014 im Beitrag „Bürgerpräsident mit deutschen Tugenden“: „Die deutsche Volkszugehörigkeit von Klaus Johannis mag für Ponta und seinen rechtsradikalen Komplizen Vadim Tudor ein Problem sein, für die Wähler ist sie das nicht. Im Gegenteil, den Deutschen eilt in Rumänien der Ruf voraus, besonders arbeitsam, ehrlich und kompetent zu sein. Seine Herkunft hat Johannis eher genützt als geschadet.“ Dieser Ruf ist nicht gottgegeben, er hat seine Ursachen in der Herkunft, in der Geschichte, im tradierten historischen Bewusstsein, in den Leistungen dieser Menschen im Lauf der Jahrhunderte. Er ist wesentlicher Bestandteil unserer Identität als Deutsche, als Siebenbürger Sachsen.

Dr. Michael Kroner, hier mit seinem Hohenzollern ...
Dr. Michael Kroner, hier mit seinem Hohenzollern-Buch, erhielt 2006 für sein identitätsstiftendes Geschichtswerk den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis. Foto: Konrad Klein
Zu dieser Haltung, zu deren Förderung und Bewahrung hat unser Landsmann Dr. Michael Kroner mit seinem bemerkenswerten Lebenswerk in besonderem Maße beigetragen: als Lehrer, als Publizist, als Historiker, als aktives ­Mitglied unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft. Am 13. Juni 2006 wurde ihm in Dinkelsbühl die höchste Auszeichnung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis, feierlich überreicht „in Würdigung seiner Verdienste um ein Geschichtsbild, das Identität stiften sowie aus Vergangenem Gegenwärtiges und Zukünftiges erkennen und bewältigen helfen kann“ (Urkunde). Wie ein Leitmotiv zieht sich durch sein Leben und sein Werk dieser identitätsstiftende Impuls, durch wissenschaftlich fundierte, lesenswerte und leicht lesbare historische Abhandlungen der breiten Masse seiner Landsleute das Vermächtnis unserer Geschichte weiter zu reichen und damit unsere siebenbürgisch-sächsische Identität zu bewahren, zu fördern, zu stärken. Dass Siebenbürger Sachsen auch heute als geschichtsbewusste Menschen gelten, ist auch ein Verdienst des Wirkens von Michael Kroner.

Am 22. Dezember 1934 in Weißkirch bei Schäßburg geboren (seine Eltern mussten nach dem Januar 1945 die Drangsale der Deportation in die Sowjetunion erleiden), studierte Michael Kroner nach Abschluss der Pädagogischen Mittelschule (Lehrerbildungsanstalt) in Schäßburg (1954) bis 1958 Geschichte an der Universität in Klausenburg. Zum Dr. phil. promovierte er 1972 an der Universität Bukarest mit der Dissertation „Stephan Ludwig Roth. Ein Leben für Fortschritt und Völkerverständigung“, veröffentlicht in Klausenburg 1974 in rumänischer und 1977 in deutscher Sprache. Die Stationen seines Berufsweges waren: 1958-1968 Geschichtslehrer und Direktor der deutschen Abteilung des Lyzeums von Bistritz; 1968-1978 Redakteur für Geschichte, Volks- und Heimatkunde der Zeitschrift „Karpatenrundschau“ in Kronstadt; 1978-1979 Museologe am Kreismuseum Kronstadt; 1979 Aussiedlung in die Bundesrepublik; 1980-1982 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg; 1983-1995 Forschungsbeauftragter und hauptamtlicher Archivpfleger im Landkreis Fürth; seit 1995 im aktiven Ruhestand und ehrenamtlicher Archivpfleger an gleicher Stelle.
Dr. Michael Kroner (Zweiter von rechts) wurde ...
Dr. Michael Kroner (Zweiter von rechts) wurde 2010 mit der Bundesverdienstmedaille ausgezeichnet. Foto Uwe Kroner
Michael Kroner heiratete 1960 Edith Rösler, Gymnasiallehrerin in Bistritz. Sie haben zwei Söhne, Uwe und Volker, und zwei Enkel. Seit Mitte der 1980er Jahre brachte sich Kroner sehr aktiv ein als Stellvertretender Vorsitzender der damaligen Kreisgruppe Nürnberg unseres Verbandes, wobei sein besonderes Augenmerk der Unterstützung der Jugend und – seine alte Liebe – dem Erarbeiten von Schriften zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen galt. Damit hat er sich als Wissenschaftler und regsamer Publizist mit seinen überaus zahlreichen Publikationen in breiten Kreisen hohe Wertschätzung erworben.

Dr. Michael Kroner hat bisher etwa 1800 publizistische Beiträge und Rezensionen veröffentlicht (gibt es nach 1980 eine Ausgabe der Siebenbürgischen Zeitung ohne einen Beitrag von Dr. Kroner?), mehr als 100 wissenschaftliche Aufsätze, ca. 30 Bücher und ebenso viele Broschüren, vorwiegend zu den Themen: Geschichte der Siebenbürger Sachsen und Rumäniens, Nationalitätenproblem in Südosteuropa, Beziehungen der Siebenbürger Sachsen zu ihrem Mutterland Deutschland, Geschichte Mittelfrankens. Es erschienen beispielsweise: 1996 „Stephan Ludwig Roth. Aus Anlass des 200. Geburtstages von Stephan Ludwig Roth“, 1997 „Weißkirch. Eine Siebenbürgische Gemeinde an der Großen Kokel“ (mit Rosemarie Ludwig), zwischen 1997 und 2002 zwölf Hefte der Schriftenreihe „Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer wirtschaftlich-kulturellen Leistungen“ in Zusammenarbeit mit dem Kreisverband Nürnberg bzw. im Verlag Haus der Heimat, die in mehreren Tausend Exemplaren „unters Volk“ gelangten. 2004 gab er den vielbeachteten Band „Die Hohenzollern als Könige von Rumänien: Lebensbilder von vier Monarchen 1866-2004“ heraus, 2005 das fundierte Buch „Dracula: Wahrheit, Mythos und Vampirgeschäft“. Zu den kürzlich erschienenen Titeln gehören die zweibändige „Geschichte der Siebenbürger Sachsen“, Nürnberg, 2007, 2008; „Geschichte der Nordsiebenbürger Sachsen“, Nürnberg 2009, „Mutterland und Vaterland im Verständnis der Siebenbürger Sachsen – Jahrhundertealte Verbindungen einer auslandsdeutschen Minderheit mit dem deutschen Sprach- und Kulturraum“, Nürnberg, 2013, und umfassende Beiträge in „Wir Nösner“ in den Ausgaben 2010, 2013, 2014. Zudem hielt Kroner ungezählte Vorträge, leitete von 1993 bis 2005 jährliche Studienreisen nach Rumänien mit dem Schwerpunkt Siebenbürgen, bei denen zahlreiche Nicht-Siebenbürger Gelegenheit hatten, die europäische Kulturlandschaft Siebenbürgen und Rumänien kennenzulernen. In Deutschland hat der Jubilar gleichzeitig die Verbindung zu unseren siebenbürgischen Landsleuten aufrechterhalten und im Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland sowie im Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde aktiv mitgearbeitet.

Dr. Michael Kroner, dieser rastlose Schreiber und Mahner, hat zahlreichen Menschen die Bedeutung historischen Wissens, historischen Denkens als wesentlichen Impuls für die Bewältigung des Alltags und die Gestaltung der Zukunft auf profunder Basis vermittelt. All diese hochwertigen Aktivitäten und Schriften förderten bei seinen siebenbürgischen Lesern das Bewusstsein bzw. „zumindest die Ahnung ihrer Zugehörigkeit“ (Hannes Schuster), sie sind Basis eines identitätsstiftenden Geschichtsbildes. Ausgeprägtes Traditionsbewusstsein, stete Pflichterfüllung, markanter Arbeitswille, ungebrochener Gemeinsinn zeichnen den Historiker, den Menschen, den Siebenbürger Sachsen Michael Kroner aus. Sein erzieherischer Antrieb blieb ihm auch über seine Lehrerzeit hinaus erhalten, als er als Publizist und Historiker wirkte. Dass im kommunistischen Rumänien auch seinen Schriften eine „zeitbedingte ideologische Schlagseite anhaftete“ und er in jenen Jahren „zu Kompromissen mit der herrschenden Lehrmeinung des dialektischen und historischen Materialismus gezwungen“ war, ist gut nachvollziehbar. Entscheidend ist in diesem Prozess jedoch die Tatsache, dass er diese Kompromisse einging, „um unter dem Deckmantel der Konformität geschichtliche Wahrheiten aufscheinen zu lassen“ (Hannes Schuster). Wir, seine Schüler, wir, seine Leser, wussten, was er uns mitteilte. Zwischen den Zeilen lesen, das konnte man auch in der Diktatur Ceaușescus bestens. Dass der Wissenschaftler Michael Kroner lange vor seiner Aussiedlung große Achtung auch über den Kreis seiner Landsleute hinaus gefunden hatte, ist somit ein Faktum. Danach konnte er beharrlich und mit neuem Schwung seine Wirksamkeit als Identitätsstifter und -bewahrer fortsetzen, sein Schaffen ausweiten und es durch geschichtliche Forschungen über seine neue Heimat in Mittelfranken ergänzen. Die Herausgabe von fünf umfangreichen fränkischen Ortsmonographien (Veitsbronn, Großhabersdorf, Langenzenn, Ammerndorf und Cadolzburg) dokumentiert auch Michael Kroners gewachsene Verbundenheit mit seiner mittelfränkischen Wahlheimat.

Am 13. Dezember 2010 wurde Dr. Michael Kroner während einer großen Feierstunde vor dem versammelten Kreistag des Landkreises Fürth von Landrat Matthias Dießl die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, eine der höchsten Auszeichnungen, die der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland vergibt, überreicht. In der Verleihungsurkunde heißt es: „In Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen besonderen Verdienste verleihe ich Herrn Dr. Michael Kroner, Oberasbach, die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Berlin, den 20. September 2010 – Der Bundespräsident.“ – „Sie haben mit ihrer Tätigkeit sowohl die Kultur als auch den Geist unserer Region geprägt und gefördert“, sagte Dießl, als er die Auszeichnung im Namen des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff an Dr. Michael Kroner überreichte. Die Verdienstmedaille empfand der Geehrte als Krönung seines gemeinnützigen Wirkens und dankte bei der Verleihungsfeier mit bewegenden Worten. Diese brachten eindringlich nicht nur das Selbstverständnis eines aufrechten, klugen, dem Gemeinsinn der Siebenbürger Sachsen verpflichteten Mannes zum Ausdruck, sondern – hier an seinem Beispiel – auch die eindeutig gelungene Integration unserer Landsleute in die hiesige deutsche Gesellschaft. „Das aufnahmefreudige und hilfsbereite Mutterland ist für uns zum Vaterland geworden, dem wir uns als dankbare Bürger verbunden fühlen“, fasste er zusammen. Am 4. Dezember 2014 verabschiedete in Langenzenn der 1. Bürgermeister Jürgen Habel vor dem versammelten Stadtrat Dr. Kroner in einer Feierstunde und würdigte ihn für seine langjährigen Dienste und Verdienste als Archivpfleger und beispielgebender ehrenamtlicher Mitarbeiter.

Als Schüler und späterer Nachfolger von Dr. Michael Kroner im Bistritzer Gymnasium, als langjähriger Freund und Mitstreiter im Verband der Siebenbürger Sachsen verdanke ich ihm viel. Mein beruflicher und ehrenamtlicher Werdegang ist ohne Dr. Michael Kroner nicht vorstellbar. Zu seinem 80. Geburtstag wünsche ich, wünscht der Kreisverband Nürnberg, wünschen wir Landsleute dem Jubilar weiterhin physische und geistige Mobilität, vielerlei Freuden, Zufriedenheit und Gottes reichen Segen!

Horst Göbbel

Schlagwörter: Porträt, Geburtstag, Historiker, Kroner

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