24. Januar 2015

Mein Zeichenlehrer in der Brukenthalschule

Der große siebenbürgische Maler Hans Hermann wurde vor 130 Jahren, am 25. Januar 1885, in Kronstadt geboren. Am 13. Februar jährt sich sein Todestag zum 35. Mal. Grund genug, einige persönliche Erinnerungen an ihn festzuhalten.
In der Brukenthalschule unterrichtete mich in den Jahren 1946 bis 1948 der damals schon berühmte Maler Hans Hermann in Kunsterziehung. Er war eine distinguierte Erscheinung, groß, sportlich und schlank. Wir liebten und verehrten ihn. In der Prima und Sekunda brachte er uns die Grundregeln des Zeichnens bei. Seine Stunden hielt er in der Aula ab, weil wir dort mehr Platz für unsere Zeichenblöcke hatten. Seine Korrekturen brachte er behutsam und mit Takt an. Wir fühlten uns bei ihm ernst genommen. Er sprach ein anderes Deutsch, als es in Hermannstadt üblich war. Ob er dies aus seinem Geburtsort Kronstadt mitgebracht hatte, wo er 1885 zur Welt gekommen war, oder aus seiner Studienzeit in Deutschland, weiß ich nicht. Heute noch habe ich einen seiner Aussprüche im Ohr: „Ganz genau symmetrisch", wobei sein „e“ beim Wort „genau" ungewohnt bedeckt klang.

Hans Hermann erweckte mein Interesse für die bildende Kunst. Es sollte mich mein Leben lang vorantreiben und sogar zum Inhalt meiner beruflichen Tätigkeit werden. Anregungen, mich mit Kunst zu befassen, habe ich später auch von anderen, mir lieben Menschen erfahren. Mein Zeichenlehrer Hans Hermann aber legte den Grundstein dazu.
Hans Hermann: „Herbstlandschaft“, Aquarell, 1973 ...
Hans Hermann: „Herbstlandschaft“, Aquarell, 1973
Im Ruhestand hatte Hans Hermann Zeit, sich ganz der Malerei zu widmen. Mit Fleiß und Disziplin, vor allem aber mit Freude und Hingabe schuf er ein fast unüberschaubares Werk von hohem künstlerischen Wert. Deshalb verlieh ihm die Führung des Landes den Titel „Verdienter Künstler“. Wer ein Gemälde, ein Aquarell oder einen Druck von Hans Hermann besaß, fühlte sich glücklich. Jeder, der etwas auf sich hielt und das nötige Geld hatte, hängte sich einen Hans Hermann ins Wohnzimmer.

Zum fünfzehnten Hochzeitstag wollte ich meiner lieben Frau eine Freude bereiten. Ich vereinbarte mit meinem geschätzten Lehrer einen Termin und wir besuchten ihn in seinem Atelier, dessen Fenster den Blick über den Zibin auf Neppendorf freigaben. Das große Angebot an Bildern verwirrte uns leicht, doch meine Frau entschied sich bald für ein Herbstbild, eine Ansicht aus dem Zibinsgebirge. Es war anders, als die vielen anderen; Braun, Orange und Gelb herrschten vor, Farben, die sie liebt. Als der Maler aber den Preis nannte, schien ihr dann das Bild doch nicht mehr so gut zu gefallen, weil sie sich, was die Kosten betrifft, was anderes vorgestellt hatte. Es sollte mich ein Monatsgehalt kosten. Vorsichtig und umständlich versuchte ich, meinem Lehrer verständlich zu machen, dass uns der Preis doch etwas hoch scheine. Und als merkantil erzogener Neppendorfer fragte ich, ob das Bild nicht auch billiger zu haben sei. Gelassen, ohne den geringsten Anflug einer Verwunderung oder Irritation, sagte Hans Hermann ruhig, aber selbstbewusst: „Lieber Herr Beer, ich bin 89 Jahre alt, über einige Wochen werde ich 90 sein. Lang werde ich nicht mehr leben. Wenn ich aber gestorben bin, erlangen meine Bilder musealen Wert und der liegt dann um einiges höher.“ Das saß. Das überzeugte. Seither hängt das, in seiner Farbgebung etwas andere Bild von Hans Hermann in unserem Wohnzimmer. Seit vielen Jahren schenkt es uns Wärme und Freude. Ich habe den Kauf nie bereut, denn der Wert des Aquarells ist für mich nicht in Geld zu messen, weil es mich immer wieder an einen großen Maler erinnert, der einmal mein Lehrer war.

Samuel Beer


Schlagwörter: Maler, Hermann, Krontadt, Brukenthalschule, Erinnerungen

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Neueste Kommentare

  • 24.01.2015, 14:32 Uhr von bankban: Schöner Artikel, danke schön. [weiter]

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