16. Oktober 2016

In Kronstadt verwurzelte Musik

Die Kronstädter Konzertreihe „Musica Coronensis“, die seit 2003 das musikalische Erbe der Stadt pflegt und sich für die Vernetzung von Kulturinstitutionen und Musikschaffenden einsetzt, hat in diesem Jahr seine dreizehnte Auflage erreicht. Vom 27. September bis 2. Oktober wurden zwölf gut besuchte Veranstaltungen angeboten, die größtenteils von jungen Musikern bestritten wurden.
Der thematische Schwerpunkt lautete diesmal „Heimat versus Diaspora“: Kronstädter Musiker, die ihr Studium an europäischen Universitäten absolviert haben, kehrten in die Heimat zurück und führten einen musikalischen Dialog mit hiesigen Kollegen. Zum bisherigen Klassik-Fokus der Festspiele kamen nun Jazz, Rock, französische Chansons, amerikanische Evergreens hinzu. Auch neue Austragungsorte beteiligten sich am Musikfest. So wurde im Festsaal des Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt ein exzellenter Liederabend gezeigt, während im Lokal „Festival ’39“ (ehemals „Krone“) die Geschwister Petra Acker (Stimme) und Michael Acker (Bass-Gitarre) gemeinsam mit dem Saxophonisten Alexandru Arcuș ein mitreißendes Jazzkonzert gaben, bei dem sogar das siebenbürgisch-sächsische Volkslied „Vijelchen“ interpretiert wurde. Man musizierte zudem in der Graft-Bastei, dem Aro-Hotel und Rektoratsgebäude auf der Postwiese. Geiger, Cellisten, Pianisten aus dem Ausland gaben Kostproben ihres Könnens und sprachen im Rahmen einer Podiumsdiskussion über Chancen und Herausforderungen der Musikerkarriere. Aufgeführt wurden zahlreiche in Kronstadt und Siebenbürgen verwurzelte Werke u.a. von Eduard Orendi, Hans Peter Türk und Helmut Sadler, die jungen Komponisten waren durch Gabriel Mălăncioiu, Ana Szilagyi und Șerban Marcu vertreten.
Stadtpfarrer Christian Plajer hielt eine ...
Stadtpfarrer Christian Plajer hielt eine Ansprache am Grab von Paul Richter auf dem Innerstädtischen Friedhof in Kronstadt. Der neue Grabstein nach einem Entwurf von Margarete Depner wurde unter Mitwirkung der Bildhauer Wilhelm Fabini und Zoltán Gergely sowie des Steinmetzen Geza Bartalis realisiert. Foto: Christine Chiriac
Neben Musik bietet die Reihe „Musica Coronensis“ auch Formate an, die das Publikum für allgemeine regionale Kulturwerte sensibilisieren sollen. In den vergangenen Jahren wurden Instrumente eingeweiht, Ausstellungen gezeigt, Gedenktafeln enthüllt, Orgelreisen und historische Tanzvorführungen organisiert, Platten eingespielt. In diesem Jahr wurde auf dem Innerstädtischen Friedhof eine Gedenkstunde zu Ehren zweier Kronstädter Persönlichkeiten abgehalten, die das musikalische und künstlerische Leben der Stadt maßgeblich geprägt haben: der Komponist Paul Richter (1875-1950) und die Bildhauerin Margarete Depner (1885-1970). Die Leistungen beider Künstler strahlen weit über die Grenzen der Stadt hinaus, wie der Initiator der Gedenkfeier, der Musiker Kurt Philippi, in seiner Ansprache hervorhob. Richters Werke wurden in Prag, Dresden, Leipzig und Kopenhagen aufgeführt, Depner stellte in Wien, Salzburg, Berlin, Stuttgart und Breslau aus. Sie kannten und schätzten sich gegenseitig, sodass es für den städtischen Kapellmeister und Dirigenten der Kronstädter Philharmonischen Gesellschaft selbstverständlich war, der Bildhauerin sein Streichquartett Nr. 2 zu widmen. Margarete Depner wiederum, die Richter um zwei Jahrzehnte überlebte, schuf ein Relief für dessen Grabmal, doch aus unbekannten Gründen kam es damals nicht mehr zur Übertragung des Gips-Entwurfs in Marmor. Dies konnte nun nach rund sechs Jahrzehnten nachgeholt werden, sodass die Figur „Die Flötenspielerin“ den ihr zugedachten Platz auf Paul Richters Grab einnehmen konnte.

Umrahmt wurde die Feier von Kammermusik des Komponisten: Musikschüler in zartem Alter spielten die Sonatine Nr. 1, das Ensemble „Sine Nomine“ bestehend aus Melinda Béres und Anna Dénes (Geige), Margit Kardos (Bratsche) und Kurt Philippi (Cello), führte das Quartett Nr. 3 auf. „Sine nomine“ war schon mehrmals im Rahmen der Kronstädter Festspiele zu hören und erfreute etwa 2011 die Zuhörer mit der Interpretation der ersten beiden Quartette von Paul Richter. Konzertmitschnitte können im Online-Musikarchiv unter www.musica.coronensis.ro gehört werden.

Ein Orgel-, Chor- und Orchesterkonzert in der Schwarzen Kirche schloss das Festival feierlich ab. Ein Höhepunkt war der Auftritt von Teodora Gheorghiu, einer Sopranistin mit bemerkenswerter internationaler Karriere, die ihren Durchbruch einer Förderung durch den berühmten Tenor Jose Carreras zu verdanken hat. Meisterhaft, mit glanzvollen Koloraturen, filigranen Pianissimi und faszinierender Ausdruckskraft sang sie zwei Konzertarien und das anspruchsvolle „Laudamus te“ aus der Messe KV 427 von Mozart. Die Darbietung der Großen Credomesse in C-Dur KV 257 von Mozart durch den Bachchor der Schwarzen Kirche, ein Solistenquartett von der Kronstädter Oper (Cristina Radu, Carmen Topciu, Liviu Iftene und Dan Popescu) und das Orchester „Kamerata Kronstadt“ unter Steffen Schlandt war ebenfalls ein Genuss. Dem Ensemble gelang genau wie bei Mendelssohns „Elias“ vor Jahren eine äußerst lebendige, plastische Interpretation. Die vielen Tempowechsel und Charakterunterschiede von spielerisch-naiv bis streng und prägnant in Mozarts Werk wurden partiturgetreu umgesetzt. Das Stück war von Anfang bis Ende mit jugendlichem Elan erfüllt. Selbst die Pausen waren durchdacht und das abrupte, leise Ende ließ eine atemberaubende Stille im Kirchenraum entstehen. Die nächste Auflage von „Musica Coronensis“ findet 2018 statt.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Musik, Kronstadt

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