14. April 2019

Kosmische Klänge: Ioana Nicolaies Roman "Der Himmel im Bauch"

Ein buntes, verfremdetes Porträt einer Frau mit Flügeln von Piotr Patryk Lewkowicz ziert den ansonsten grauen Einband des neuen Romans von Ioana Nicolaie mit dem bildschönen Titel „Der Himmel im Bauch“, der bereits 2005 auf Rumänisch erschienen ist und im Jahr darauf für den Eastern European Award nominiert wurde. Die diesjährige Preisträgerin der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung, Eva Ruth Wemme, hat ihn behutsam ins Deutsche übersetzt. Im letzten Jahr ist er im Pop Verlag Ludwigsburg erschienen.
Es ist schon das zweite Buch der Autorin in diesem Verlag nach dem Gedichtband Der Norden. Und auch dieser fragmentarische Roman ist in weiten Teilen metaphernreich und poetisch.

Es geht um tagebuchartige Eintragungen der Erzählerin in der Zeit ihrer Schwangerschaft, wobei diese sich offen als Alter Ego der Autorin outet: „In ‚Der Himmel im Bauch‘ bin ich Mutter, kartographiere mein neues Leben – mit meinen elf Geschwistern an der Seite, anderen Müttern, die ich kannte oder über die ich in der Zeitung gelesen hatte, einem kleinen, ungeborenen Jungen und immer ganz nah Mir, Mircea Cărtărescu, der zukünftige Vater“, so die Auskunft der Verfasserin auf dem Buchcover. Durch diese autobiografischen Bezugspunkte wird der Roman fest in der Realität (auch des Literaturbetriebs) verankert, durch seine poetische Sprache bricht er aus ihr heraus.
Die Erzählerin, um bei dieser narratologischen Bezeichnung zu bleiben, beschreibt chronologisch ihre Gefühle während der Schwangerschaft, wobei sich die Freude und die Erwartung mit der Angst und den Sorgen vermischen. Einerseits gehört sie einem ganzen „Heer“ von Schwangeren an, andererseits beäugt sie diese zum Teil sarkastisch, „Die Schwangeren gleichen sich, als erfänden sie gemeinsam Fragen für einen Test“ (89), und fühlt sich ihnen nicht zugehörig, „Unter diesen Frauen komme ich mir natürlich wie eine Maske vor“ (89). Einerseits bildet sie mit dem ungeborenen Kind und mit Mircea, der so im Buch genannt wird, eine Dreieinigkeit, „Werden wir zu dritt immer wieder geboren?“ (158), andererseits muss sie mit dem Alleinsein zurechtkommen, wenn Mircea fort ist.

Die Eintragungen aus der Erzählgegenwart der Schwangerschaft werden durchbrochen von Nachrichten mit Unglücksfällen, von Begebenheiten aus der Ceaușescu-Zeit (Aneta) und von Erinnerungen der Autorin an ihre elf Geschwister, an ihre Mutter, die so oft schwanger wurde und sie deswegen häufig alleine zurückließ. Akribisch zeichnet Ioana Nicolaie die Gefühle während dieser besonderen Zeit auf, in der sie die Bestimmung der Frau erfüllt „die Mädchen, die ich war, trocknen auf der Straße“ (128), ohne dabei die Angst und das Kreatürliche daran auszulassen, beispielsweise als sie eine Geburt beschreibt: „Die Frau kämpft gegen den Sumpf im Hals an. Sie schreit nicht, stöhnt nicht, vom Scheitel zur Sohle umrundet sie ein Stichel. (…) Ein Blutklumpen und bemalte Steine.“ (115). Dabei überrascht die Autorin immer wieder durch ihre Bilder, sie wohnt beispielsweise „in einem Block wie in einer Gürtelschnalle aus Plastik“ (17), „mein Blut ist ein in Fläschchen rostender Draht“ (22). Oft sind es verkehrte Bilder: „Die Häuser gingen kaputt und flossen langsam auf die Brachen aus“ (19), oder die Dinge werden personifiziert „Im Stativ schlürften die Phiolen frisches Blut“ (19). Die Bilder machen die Einzigartigkeit des Textes aus: „Statt Wasser trank sie schweigsam Geduld“ (93).

Doch bei all der Angst: „Die Geburt ist ein Angstpanzer. (…) Du kannst nicht weglaufen, kein Schmiergeld geben“ (118) wächst aber das Wundervolle heran im Himmel im Bauch: „Im Bauch ist ein Himmel-und-Hölle-Spiel mit einem schweigsamen Spieler. Bei jedem Quadrat streckt er sich weiter zum Horizont“ (72) und das Buch endet mit der beschwörenden Erwartung in Versalien „WANN KOMMST DU, LIEBER JUNGE?“.

Fragmentarisch, akribisch, realistisch und lyrisch, so präsentiert sich die Autorin in ihrem Buch, das vor allem durch die Anbindung an ihre Autobiographie eines sein will: authentisch.

Edith Ottschofski

Ioana Nicolaie: „Der Himmel im Bauch“. Roman. Aus dem Rumänischen von Eva Ruth Wemme. Pop Verlag, Ludwigsburg, 2018, 176 Seiten, 18,50 Euro, ISBN 978-3-86356-188-8

Schlagwörter: Rezension, Roman, rumänische Literatur

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