5. Juni 2020

Wilhelm Andreas Baumgärtners neuestes Buch zur Geschichte Siebenbürgens

„Im Schatten des Kaisers“ nennt Wilhelm Andreas Baumgärtner sein neuestes Buch, das bereits Ende letzten Jahres im Schiller Verlag erschienen ist. Vor nunmehr zwölf Jahren hat sich der aus Hermannstadt stammende Publizist und Historiker in seinem ersten Buch auf den „Vergessenen Weg“ gemacht, über den die Vorfahren der heutigen Siebenbürger Sachsen ihre damals neue Heimat erreichten. Seither ist er ihrem Wohl und Wehe über sechs Jahrhunderte in insgesamt neun Bänden nachgegangen.
Der Autor und sein Verleger: Wilhelm A. ...
Der Autor und sein Verleger: Wilhelm A. Baumgärtner (links) mit Anselm Roth bei einer Buchvorstellung im Hof des Teutsch-Hauses (2012). Foto: Konrad Klein
Das Werk hat einen Umfang angenommen, bei dem es sich anbietet, einen Blick zurück zu werfen, ehe der neue Band besprochen wird. Auch wenn der Autor seine Buchreihe eine „Geschichte der Siebenbürger Sachsen“ nennt, ist das, was da vor unseren Augen entsteht, eine veritable Geschichte Siebenbürgens, zusammenhängend und anschaulich und mit viel Liebe zum Detail erzählt, in einer Form, die bisher noch niemand gewählt hat. Zwar steht am Anfang des neunten Bandes als Motto ein Zitat von Leopold Ranke, das für die ganze Reihe zutrifft: „Ich will bloß zeigen, wie es wirklich gewesen ist.“ Dennoch dürfte die (unausgesprochene) Intention des Autors nicht ganz so bescheiden sein. Baumgärtner geht vielmehr der Frage nach, wie es dazu kam, dass die Siebenbürger Sachsen ihr Gemeinwesen und ihre kollektive Identität fast neun Jahrhunderte lang in dem stets heiß umkämpften Landstrich erhalten konnten, den ihnen die ungarischen Könige einst qua Freibrief als Siedlungsraum überlassen hatten. Baumgärtner hat dafür eine umfangreiche Literatur gesichtet, um die Historie aus einer schier unerschöpflichen Menge an Einzelheiten vor dem inneren Auge des Lesers lebendig werden zu lassen. Der Leser kann das Auf und Ab der Geschichte auch an der Gliederung der Reihe miterleben. Es scheint ein immer gleiches Muster zu geben, in dem sich Konflikte hochschaukeln, wenn Drohgebärden und diplomatische Initiativen einander abwechseln, ehe es zu meist verlustreichen Kämpfen kommt, nach denen die Kräfte aufgezehrt sind und relative, erzwungene Ruhe herrscht, bis es wieder aussichtsreich erscheint, in die nächste Kampfesrunde einzutreten. Es sind die Großmächte, die ihrem Ringen um die Vorherrschaft in Siebenbürgen diesen Rhythmus vorgeben. Ihm folgen Baumgärtners Bücher, und entsprechend der zunehmenden Dynamik der Auseinandersetzungen behandeln sie immer kürzere Zeitabschnitte, je mehr sie sich der Gegenwart nähern.
Neun Bände hat Baumgärtner bisher der Geschichte ...
Neun Bände hat Baumgärtner bisher der Geschichte Siebenbürgens gewidmet. Foto: Drotloff
Nach dem „Vergessenen Weg“, dem ersten Band, in dem der Autor der frühen Siedlungsgeschichte der hospites nachgeht, ist „Eine Welt im Aufbruch“ dem 13. Jahrhundert gewidmet, in dem der Königsboden Gestalt annimmt, einer Entwicklung, die jäh unterbrochen wird vom Mongoleneinfall 1241. Der Aufstieg des Türkenreiches bis zur denkwürdigen Schlacht von Mohács 1526 steht „Im Zeichen des Halbmondes“ (Band 3), jener Zäsur, die den Beginn der Türkenherrschaft über Siebenbürgen markiert. „In den Fängen der Großmächte“ (Band 4) befindet sich Siebenbürgen gewiss nicht nur im 16. Jahrhundert, das vor allem von der Reformation und dem Ringen um den rechten Glauben geprägt ist. „Der lange (Türken) Krieg“ (fünfter Band) ist die Zeit von Kaiser Rudolph II., Sultan Mehmed III., Albert Huet und Michael Weiß, Michael genannt „der Tapfere“ und Gabriel Báthory. „Nur“ 13 Jahre dauerte diese blutige Auseinandersetzung, der Baumgärtner einen ganzen Band widmet, in dem er brillant das spannende Wechselspiel der Diplomaten und Kriegsfürsten und die Verstrickungen der großen und kleinen Potentaten in die Geschichte Siebenbürgens vor seinen Lesern ausbreitet. Dem 17. Jahrhindert widmet Baumgärtner gleich drei Bände: „Die eiserne Zeit“ (Band 6) nennt er dessen vom Dreißigjährigen Krieg geprägte erste Hälfte. In „Das Feuer der Rebellion“ (Band 7) erleben wir den ersten Kuruzzenkrieg hautnah mit und im achten Band, „Vom Halbmond zum Doppeladler“, die Vertreibung der Türken aus Siebenbürgen und dessen Anschluss an das Haus Österreich. Es ist eine Zeit, in der sich die Ereignisse zu überschlagen scheinen, so dass Baumgärtners die Geschichte von jeweils zwei bis drei Jahrzehnten in einem Band schildert.

Der neunte Band umfasst die sehr kurze Zeitspanne von 1697 bis 1712, eine an Ereignissen überaus dichte Zeit. Baumgärtner gliedert sie in vier Abschnitte. Letzte Scharmützel mit den Türken, mit denen sich das Haus Habsburg die faktische Herrschaft über Siebenbürgen sichert, sind das einleitende Thema. Ausführlich geht er auf die verzweifelte Stimmung in Siebenbürgen ein. Während Leopold I. sein 1791 erlassenes Diplom als Segen für das Land betrachtete, sahen die Siebenbürger sich buchstäblich „Im Schatten des Kaisers“, der ihnen seine (katholische) Religion aufzwingen und durch immer neue Abgaben die marode Staatskasse auffüllen wollte. Anhand konkreter Beispiele wird klar, dass die Siebenbürger Sachsen sich vom „deutschen Kaiser“ eine bevorzugte Behandlung erwartet hatten und daher besonders enttäuscht waren. In Johann Zabanius fanden sie einen glänzenden Verteidiger ihrer Rechte, der es sich allerdings dadurch mit der Adelspartei verscherzte. Der Kaiser erhob den treuen Parteigänger zum Dank mit dem Prädikat „Sachs von Harteneck“ in den Adelsstand und die Sachsen wählten ihn 1697, kaum 34-jährig, zum Comes. In den Berichten über die Landtage 1701 und 1702 zeigt Baumgärtner, wie Harteneck sich nicht zuletzt durch seine Pläne, dem ungarischen Adel sein Privileg der Steuerfreiheit zu entziehen, dessen erbitterte Feindschaft zuzog. Ausführlich werden die Machenschaften des Kanzlers Nikolaus Bethlen und des kommandierenden österreichischen Generals Graf Rabutin geschildert, die aus einer Reihe von Vorfällen bizarre Vorwürfe konstruierten, um ihn in gleich zwei Prozessen zum Tode verurteilen zu lassen. Harteneck hatte ihrer Meinung nach zu vertreten, dass David Klausenburger wegen Ehebruchs mit der Gattin des Superintendenten Lukas Hermann und der Schäßburger Bürgermeisters Schuller von Rosenthal wegen massiven Unterschlagungen zum Tode verurteilt und hingerichtet wurden. Das Gubernium befand auf Rechtsbeugung und damit Grund genug, ihn als Hochverräter zum Tode zu verurteilen. Viel pikanter war ein kompliziertes Mordkomplott, von Hartenecks Frau organisiert, um sich eines ehemaligen Liebhabers zu entledigen. Baumgärtner beschreibt den Prozess in allen Einzelheiten, bei dem Sachs als Mitwisser vor der Nationsuniversität angeklagt und ebenfalls zum Tode verurteilt wird. Am 5. Dezember 1703 wird er vor zahlreichem Publikum am Großen Ring enthauptet.

Zu jenem Zeitpunkt war Ungarn bereits Schauplatz des zweiten Kuruzzenkrieges, wie der Magnatenaufstand unter Georg Rákoczy II. gerne genannt wird. Der Bürgerkrieg griff bald darauf auch auf Siebenbürgen über und brandete acht Jahre lang durchs Land. Baumgärtner lässt uns mit gewohnt detailreichen Schilderungen an dem dramatischen Geschehen teilnehmen. Es gelingt dem Autor aber auch zu zeigen, wie weit sich die Großmächte Frankreich und England in diesen eher lokalen Konflikt einmischten, um ihre Interessen gegenüber Habsburg im gleichzeitigen Spanischen Erbfolgekrieg durchzusetzen. Der Friede von Sathmar beendete den Konflikt; der ungarische Adel erreichte dabei eine weitgehende Bestätigung seiner Rechte und erkannte seinerseits das Erbfolgerecht der Habsburger in Ungarn an. Auch für die Siebenbürger Sachsen kehrte Frieden ein, nachdem sie in den vergangenen Jahren abwechselnd von den Kuruzzen und den kaiserlichen Truppen „zur Ader gelassen“ worden waren. Würde die pax habsburgica Siebenbürgen befrieden können? Man darf auf den nächsten Band im Wilhelm Andreas Baumgärtners Geschichte Siebenbürgens gespannt sein.

Hansotto Drotloff


Wilhelm Andreas Baumgärtner: „Im Schatten des Kaisers. Österreichs Kampf um Siebenbürgen“, Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen Band 9, Schiller Verlag Hermannstadt und Bonn 2019, 293 Seiten, gebunden, 14,80 Euro, ISBN 978-3-946954-58-3, zu bestellen im Buchhandel oder beim Schiller Verlag, deutsche Festnetznummer: (0228) 90919557, sowie online über https://www.buechercafe.ro/artikel.html?nummer=77545..

Schlagwörter: Baumgärtner, Bücher, Geschichte, Siebenbürgen, Historiker

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