5. März 2021

Was soll das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen leisten? Interview mit dem Vereinsvorsitzenden Harry Lutsch

Seit dem 15. Februar amtiert die gebürtige Hermannstädterin Dr. Iris Oberth als Leiterin des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen (siehe Dr. Iris Oberth übernimmt Leitung des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen). Damit kann sich der in der Münchner Bundesgeschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen ansässige Verein nun seinen satzungsgemäßen Aufgaben widmen, sagt der ehrenamtlich tätige Vereinsvorsitzende Harry Lutsch im Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung Christian Schoger.
Dass die Startphase – nicht nur aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie – besondere Herausforderungen mit sich bringt, dessen ist sich der 1969 in Schellenberg geborene, heute in Waldkraiburg lebende ausgebildete Bautechniker sehr bewusst. Harry Lutsch ist zudem stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern. Eine „enge Vernetzung zwischen Vereinsführung und Landesvorstand“ hält er insbesondere in der Anfangszeit für „unabdingbar“.

Herr Lutsch, am 15. Februar hat Dr. Iris Oberth ihre Tätigkeit als Leiterin des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen aufgenommen. Welche besonderen Qualifikationen bzw. Fähigkeiten bringt Frau Oberth aus Ihrer Sicht für diese Leitungsfunktion mit?

Ihr bisheriger beruflicher Werdegang qualifiziert Frau Dr. Oberth in besonders wünschenswertem Maße für diese Position, mit all den vielfältigen Anforderungen. So bringt sie aus ihrer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Ludwig-Maximilians-Universität München nicht nur umfassende Kenntnis in Forschungs- und Bildungsarbeit mit, einschließlich des Bereichs der Projektförderung, sondern sie ist auch versiert in Aufbau und Pflege interdisziplinärer Netzwerke ebenso wie in der Organisation und Moderation internationaler Tagungen und Workshops. Ferner hat sie praktische Erfahrung in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie hat unter anderem für das Bundesbildungsministerium sowie diverse namhafte Stiftungen gearbeitet. Auf persönlicher Ebene zeichnet Frau Oberth ihre offene und aufgeschlossene Art aus und natürlich, dass sie im Herzen Siebenbürgerin ist.

Vereinsvorsitzender Harry Lutsch, zudem ...
Vereinsvorsitzender Harry Lutsch, zudem stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern
Hat der Trägerverein damit einen Meilenstein erreicht, was die Handlungsfähigkeit der Einrichtung anbelangt?

Mit der erfreulich schnell vorangegangenen Besetzung der Leitung des Kulturwerks kann der Verein nun damit beginnen, sich seinen satzungsgemäßen Aufgaben zu widmen – der Förderung sowie auch der Gestaltung möglichst vielfältiger Kultur- und Bildungsprojekte im Kontext der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft. Tatsächlich wurde damit auch bereits tatkräftig begonnen. Administrative Aufgaben werden umgesetzt, Strukturen und Prozesse erarbeitet und, mit am wichtigsten, die nächste Sitzung des Vorstandes vorbereitet, in der über die eingegangenen Anträge zur Projektförderung entschieden wird.

Würden Sie bitte die bisher bewältigten Herausforderungen kurz skizzieren.

Die bislang größte Herausforderung war natürlich die Gründung des Kulturwerks selbst. Hier gilt unser allergrößter Dank dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sowie dem Haus des Deutschen Ostens für die stete und stets hilfreiche Unterstützung. Zudem gilt mein Dank den beteiligten ehrenamtlichen Mitgliedern und dem Vorstand für das Erarbeiten der Satzung sowie die weiteren Schritte, die auf dem Weg zur Vereinsgründung gemeinsam unternommen worden sind.

Bei der Vereinsgründung am 9. August 2020 in München haben Sie sich bereit erklärt, den Vorsitz zu übernehmen, zusätzlich zu Ihrem Amt als stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern. Wie kam es dazu? Welche Motive bewogen Sie zu dieser anspruchsvollen Aufgabe?

Das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen wird ausschließlich mit Mitteln aus dem Haushalt des Freistaats finanziert und soll seine Aktivitäten bayernweit und im grenzüberschreitenden Austausch entfalten. Gerade, da es sich hierbei um einen neu gegründeten Verein handelt, ist, insbesondere in der Anfangszeit, eine enge Vernetzung zwischen Vereinsführung und Landesvorstand unabdingbar – in Abstimmungsfragen, beim Wissenstransfer etc. Hier ergeben sich sowohl für den Verein als auch für den Verband positive Synergieeffekte. Diese Ämterkumulation betrifft im Übrigen nicht nur meine Person, sondern trifft in fruchtbarer Weise auf einen Großteil der Vorstandsmitglieder zu.

Sitz des Kulturwerks ist in der Bundesgeschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in München. Welche Argumente waren ausschlaggebend für diese Entscheidung?

Die Argumente liegen auf der Hand: Mit der Bundesgeschäftsstelle, in der auch der Landesverband untergebracht ist, haben die Siebenbürger Sachsen bereits eine Adresse in München. Da räumlich noch Platz geschaffen werden konnte, bot es sich sinnvoller und sparsamer Weise an, das bereits vorhandene Angebot zu nutzen.

Eine Amtsperiode währt satzungsgemäß drei Jahre. Sehen Sie das Vorstandsteam und den Verein gut aufgestellt? Wie organisiert sich das Kernteam, wer hat welche Kompetenzen?

Der erste Vorstand setzt sich aus einem ebenso kompetenten wie auch erfahrenen Team zusammen. Neben meiner Person besteht es aus dem stellvertretenden Vorsitzenden und langjährigen Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster, der Kassen­wartin Ute Bako und der Schriftführerin Gerlinde Zurl-Theil. Von Amts wegen gehören laut Satzung dem Vorstand an: der Bundesvorsitzende Rainer Lehni, der Vorsitzende des Landesverbandes Bayern Werner Kloos, die Kulturreferentin des Landesverbandes Bayern Doris Hutter, der Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) Fabian Kloos sowie die Landesjugendleiterin der SJD Bayern Nadine Konnerth. Zu Kassenprüfern wurden Ursula Meyndt und Manfred Binder gewählt.

Die Corona-Pandemie legt das öffentliche Leben seit Monaten lahm. In welcher Weise beeinträchtigt das vermaledeite Virus auch Ihre Vereinsaktivitäten?

Sehr bedauerlich ist, dass einige Förderanträge für Projekte, die nur in Präsenz stattfinden können, leider zurückgezogen bzw. unter Vorbehalt auf das nächste Jahr verschoben werden mussten. Hoffen wir das Beste.

Ihr Verein soll als Kulturzentrum der Siebenbürger Sachsen in Bayern entsprechend § 96 BVFG die Pflege, Vermittlung und Sicherung der Tradition und Kultur der Siebenbürger Sachsen und deren Nachkommen fördern, ebenso die kulturell-gesellschaftliche Eingliederung von Aussiedlern und Spätaussiedlern, die Jugendarbeit und den grenzüberschreitenden kulturellen Austausch. Mit welchen Partnern und Organisationen wollen und werden Sie hierfür maßgeblich kooperieren?

Zunächst soll die vielfältige Arbeit der Kreis- und Kulturgruppen gefördert werden, ebenso wie Projekte des Bundesverbands, die einen Bayern-Bezug haben. Ferner kommt der Jugendarbeit eine besondere Bedeutung zu. Darüber hinaus sind, vornehmlich in der Bildungsarbeit, gemeinsame Projekte mit Schulen im In- und Ausland angedacht. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf möglichen Kooperationen mit Institutionen der Städte und des Landes liegen. Auch der kreative und grenzüberschreitende Austausch mit Verbänden und Kulturschaffenden ist Teil des Entwicklungsplans.

Zweck des Vereins ist, wie es in der Satzung steht, „auch die Beschaffung und Weiterleitung von Mitteln an eine steuerbegünstigte Körperschaft oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Förderung der Heimatpflege und der Heimatkunde, hier insbesondere der Tradition und der Kultur der Siebenbürger Sachsen, sowie an den Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V. – Landesverband Bayern zur Förderung dessen gemeinnütziger Zwecke“. Welche konkreten positiven Auswirkungen kann die Arbeit des Kulturwerkes für unseren Verband respektive seinen Landesverband Bayern zeitigen? Dass unser Verband infolge des altersbedingten Mitgliederschwundes nicht auf Rosen gebettet ist, ging aus dem Leitartikel von Folge 3 vom 25. Februar 2021 hervor, in dem Bundesvorsitzender Rainer Lehni dazu aufrief, den Verband durch Mitgliedschaft zu unterstützen.

Wie bereits dargelegt, steht mit dem Etat des Kulturwerks insbesondere den Kreis- und Kulturgruppen jährlich eine große Summe zur Förderung von Kultur- und Bildungsprojekten bereit. Von dieser Arbeit profitieren nicht nur die Mitglieder des Verbands, sondern auch Siebenbürger Sachsen, die herzlich zu den Veranstaltungen eingeladen sind und so das Angebot und die Arbeit des Verbands kennenlernen können. Bestenfalls animiert es manche Landsleute dazu, sich dann ebenfalls als Mitglied zu engagieren. Zudem soll durch besonders öffentlichkeitswirksame Projekte auch die allgemeine Sichtbarkeit siebenbürgisch-sächsischer Kultur- und Traditionspflege erhöht werden.


Welchen Stellenwert soll neben der Kultur- speziell die Jugendarbeit erhalten?

Wie schon gesagt kommt der Jugendarbeit – auch im Hinblick auf die Altersstruktur des Verbands und den Fortbestand der Kulturpflege und deren Sicherung für die Zukunft – besondere Bedeutung zu.

Die Hauptveranstaltung des Verbandes der Siebenbürger Sachsen ist der Heimattag in Dinkelsbühl, der wie gemeldet auch 2021 pandemiebedingt nur in digitaler Form stattfinden kann. Kann und wird sich das Kulturwerk heuer schon an dessen Mitgestaltung beteiligen?

Dem Kulturwerk liegen förderfähige Anträge zur Gestaltung des erneut digital stattfindenden Heimattages vor. Unter Vorbehalt der anstehenden Vorstandssitzung kann die Frage, ob entsprechende Beiträge gefördert werden, bejaht werden.

Zurück zu den anfangs angesprochenen Meilensteinen. Welche weiteren sollen nun folgen?

Der zunächst anstehende Meilenstein ist die erste Förderrunde für Projekte im Jahr 2021. Zeitgleich arbeiten wir an dem Aufbau nationaler wie internationaler Netzwerke und einem Ausbau der Wahrnehmung siebenbürgisch-sächsischer Kultur und der Verbandsarbeit im öffentlichen Raum.

Viel Erfolg bei Ihren ambitionierten Vorhaben!

Der Vereinsvorsitzende im Profil

Name: Harry Lutsch

Geburtsjahr und -ort: 1969, Schellenberg

Aussiedlungsjahr: 1988

Wohnort: Waldkraiburg

Familienstand: verheiratet

Schul- und Berufsausbildung: Bautechniker

Ehrenamtliche Funktionen: stellvertretender Landesvorsitzender in Bayern

Auszeichnungen: goldenes Ehrenwappen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland e.V.

Was mich in meinem ehrenamtlichen Engagement erfüllt: die Arbeit für unsere Gemeinschaft

Prioritäten in dieser Amtsperiode: eine gute Basis schaffen, damit es in den nächsten Jahren reibungslos läuft

Vision: möglichst viele Projekte fördern verbunden mit der Hoffnung, unsere siebenbürgisch-sächsische Kultur einem breiten Publikum näher zu bringen

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Schlagwörter: Kulturwerk, Verein, München, Lutsch, Vorsitzender, Oberth, Leitung, Bundesgeschäftsstelle, Bayern, Förderung, Bundesvertriebenengesetz

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