27. April 2021

Luigi Kasimir (1881-1962), der bedeutendste Städtemaler Österreichs, und seine Schäßburger Bilder

Über 200 Jahre, von 1690 bis 1919, war das Großfürstentum Siebenbürgen ein Kronland der österreichischen Monarchie und zu Mitteleuropa gehörig, dem es durch Natur und Geschichte zutiefst verbunden ist. „Die Freie und Königliche Stadt Schäßburg“ liegt im Herzen von Siebenbürgen und damit ein Teil der Habsburger K. u. K. Monarchie Österreich. In diese K. u. K. Monarchie wird 1881 auch der Maler Luigi Kasimir geboren.
„Schäßburg“, Farblithographie, 1916 ...
„Schäßburg“, Farblithographie, 1916
Bereits sein Vater Alois (1854-1930) und sein Großvater waren Maler, so auch seine Frau Tanna Hoernes und Robert, einer ihrer gemeinsamen drei Söhne. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste und an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Luigi Kasimir entwickelte eine völlig neue Technik der Farbradierung, welche die handkolorierten Schwarz-Weiß-Radierungen des 19. Jahrhundert ablösten und er so bald zu einem eigenen unverwechselbaren „Kasimir-Stil“ fand. Er unternahm zahlreiche Weltreisen, auf denen er ca. 2500 Stadtansichten schuf, und gilt auch heute noch als der bedeutendste Schöpfer von Stadtveduten des 20. Jahrhunderts. Auf diesen Reisen kam er auch nach Siebenbürgen, in das malerische Schäßburg, wo er drei mir derzeit bekannte Bilder schuf. „Wanderer kommst du nach“ Schäßburg, dann führt dich dein Weg gewiss auf die Burg, so auch den Maler und Weltreisenden Luigi Kasimir. Von dem Aussichtstürmchen der Bergschule zeichnet er uns ein herrliches Bild von Schäßburg, auf dem im Vordergrund andeutungsweise das Dach mit zwei Schornsteinen der Schule, als Festpunkte für das Auge des Betrachters stehen. Der Ausblick gleitet dann unwillkürlich weiter auf das Stadtpfarrhaus, die Burgmauer und die ziegelrötlichen Dächer der verwinkelten Gassen der Burg, zum Stundturm und der Klosterkirche hin. Es zieht den Blick gleich magisch weiter ins Kokeltal, mit der darin eingebetteten Stadt, zwischen dem Siechhofberg und dem Tannenwald, und weiter in die blaue Ferne, über die Weißkircher Aue, bis hin zu den bereits am Horizont gelegenen Buner Bergen, über denen sich der leicht bewölkte Himmel zu uns zurück herüberwölbt.

Kommt man dann als Wanderer den Schulberg wieder herunter, zieht es einen unwillkürlich, nach so vielen optischen Impressionen auf und um die Burg, nach einer stillen Einkehr, zu der die Klosterkirche einlädt, die in einem Ablassbrief des Papstes bereits 1298 ihre erste Erwähnung findet. Hier kann man, weit weg vom regen Treiben der Stadt und ihren fleißigen Bürgern, sich der Ewigkeit ein Stück näher fühlen. Unter dem gotischen Gewölbe erhebt sich der barocke Altar. Er erhebt sich von der Abendmahlszene auf der Predella über den Leidensweg und Kreuzigung Christi, hinauf zu seiner Auferstehung in lichter Höhe, wo Er aus dem irdischen Jammertal zum Himmel aufsteigt und uns Menschen die Auferstehung nach dem Tod verkündet. Hier verweilt nun der Maler, auf der Galerie der rechten Seite, die früher den jungen Männern vorbehalten war, und malt, nicht den prächtigen Altar, auch nicht die imposante Orgel, sondern die Kanzel, der Ort, von wo aus das Wort Gottes der Gemeinde verkündet wird. Im Hintergrund erkennt man unter mächtigen Romanischen Bögen drei Ebenen mit Kirchenbänken; unten für die Frauen, die Galerie, wo vormals die Orgel stand, ist im Bild bereits dem Kirchenchor vorbehalten, und ganz oben eine weitere Galerie für die Jugend. Die Brüstungen der beiden Galerien sind mit Tafelbildern biblischer Geschichten und der Zünfte geschmückt. Der Triumphbogen erhebt sich über der Kanzel – wie könnte es auch anders sein.
Luigi Kasimir: „Schäßburg Dez. 1916“ ...
Luigi Kasimir: „Schäßburg Dez. 1916“
Tritt man aus der Geborgenheit der Kirche heraus, umfängt einen der strenge Winter, den der Maler Luigi Kasimir uns zum Jahreswechsel 1916/17 in Schäßburg, in seinem eigenen Stil, eindrucksvoll wiedergegeben hat. Es könnte die Silvesternacht gewesen sein, da neben der handschriftlichen Signatur und der Bezeichnung des Bildes „Schäßburg Dez. 1916“ noch der Zusatz „Prosit 1917!“ auf dem Blatt vermerkt ist. Man sieht den schneebedeckten menschenleeren Marktplatz mit den schneeverwehten Häusern und Bäumen der Oberen Marktzeile und das, dahinter im Dunkel der Nacht einsam dastehende Wahrzeichen von Schäßburg, den Stundturm, flankiert von der Klosterkirche und dem Schmiedeturm. Alles eingehüllt ins frostige Dunkel der Winternacht; symbolhaft für die schwere Zeit der Entstehung des Bildes; als der unglückliche Erste Weltkrieg, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, sich dem Untergang einer ganzen Epoche, mitsamt dem österreichischen Vielvölkerstaat, bereits anbahnte.

Nach zwei Weltkriegen müssen wir heute froh sein, dass uns diese eindrucksvollen Bilder über all die Weiten und Zeiten erreicht haben, denn wie sagt Alexander von Humboldt in einem seiner Kernsätze so trefflich: „Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft meistern.“

Dr. Rolf R. Schneider

Schlagwörter: Malerei, Kunst, Schäßburg, Kasimir, Stundturm

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