25. Februar 2022

Dem TV-Mann und Siebenbürgen-Freund Peter Miroschnikoff zum Achtzigsten

Eine erste persönliche Begegnung mit Peter Miroschnikoff ergab sich, als er Anfang der 1990er Jahre mit seinem Filmteam vom „Römischen Kaiser“ in Hermannstadt zu Dreharbeiten aufbrach. Ich kannte ihn aus dem Fernsehen, wie einen alten Bekannten, traute mich aber nicht ihn anzusprechen. Ein weiterer Kontakt zu Peter Miroschnikoff ergab sich zwanzig Jahre später, als ich ihn zu einem Dokumentarfilmseminar, ein Format, das ich zuvor bereits erfolgreich ausprobiert hatte und weiterführen wollte, einlud. Über Internetrecherchen fand ich ihn im Telefonbuch mit seiner Adresse verzeichnet. Ich schrieb ihm einen förmlichen Brief und lud ihn ein. Er sagte auch spontan zu. Seither war er zehnmal als Referent auf dem Heiligenhof in Bad Kissingen, wo er vor zahlreichen Gästen einige seiner Siebenbürgen-Filme gezeigt und die Umstände ihres Entstehens erläutert hat und – das ist ihm als Fernsehmann vielfach verwehrt geblieben – mit dem Publikum, über das er berichtet hat, ins Gespräch gekommen ist.
Peter Miroschnikoff (r.) mit Studienleiter Gustav ...
Peter Miroschnikoff (r.) mit Studienleiter Gustav Binder vor der Akademie Mittel­europa/Heiligenhof in Bad Kissingen (2014). Foto: Konrad Klein
Peter Miroschnikoff wurde am 25. Februar 1942 in Danzig geboren. Er entstammt einer deutsch-russischen Familie, die bis zur Oktoberrevolution in St. Petersburg ansässig war. Sein Vater starb in den letzten Kriegswochen an der Front. Ende Januar 1945 wollte seine Mutter mit ihren drei kleinen Kindern das belagerte Danzig mit der „Wilhelm Gustloff“ verlassen. Zufällig ergab sich eine andere Evakuierungsmöglichkeit, denn das mit Tausenden Flüchtlingen überladene Schiff wurde versenkt. Er wuchs in Hameln auf, wo er im Lokaljournalismus debütierte und sein Abitur machte. Während seines Soziologie-Studiums von 1961 bis 1965 in München widmete er sich besonders intensiv dem Spezialgebiet „Wirtschaft und Gesellschaft Ost- und Südosteuropas“ bei den Professoren Hans Raupach und dem aus Kronstadt stammenden Hermann Gross. Nebenher arbeitete er als freier Mitarbeiter für Radio und Fernsehen des Bayerischen Rundfunks und bereitete seine journalistische Karriere vor. 1966 bekam er bei dem Münchner Sender seine erste feste Redakteursstelle. Bald darauf wurde er für die Radioberichterstattung als Sonderkorrespondent nach Griechenland entsandt, wo das Militär geputscht hatte und eine Diktatur einrichtete. 1970 und 1971 berichtete er als Kriegsreporter aus Vietnam und Angola. 1973 wurde er ARD-Hörfunk-, ab 1975 Fernsehkorrespondent im Nahen Osten mit Sitz in Tel Aviv mit Zuständigkeiten für die seinerzeitigen Krisengebiete Israel, Griechenland, Zypern, Türkei und Persien. 1978 wurde Miroschnikoff ständiger Korrespondent der ARD für Österreich und Südosteuropa mit Sitz in Wien, wo er rund zehn Jahre verblieb. Er war häufig in Tagesschau und Weltspiegel präsent und damit ein bekanntes Fernsehgesicht.

In dieser Zeit berichtete er für die ARD über den Tod Titos, über die sich verschärfende Diktatur Nicolae Ceaușescus – er führte als einer der wenigen akkreditierten westlichen Journalisten in Rumänien mit dem Diktator mehrere Interviews – , den Gulaschkommunismus in Ungarn usw. Ferner interessierte er sich besonders für das Schicksal der deutschen Minderheiten in Rumänien und versuchte, die deutsche Öffentlichkeit auf deren Nöte aufmerksam zu machen. Etwa 60 Reportagen widmen sich dieser Thematik. O-Ton-Miroschnikoff: „Für damalige Fernsehzuschauer war Rumänien so etwas wie ein Niemandsland.“ Miroschnikoff hat das Rumänienbild der deutschen Öffentlichkeit über Jahrzehnte entscheidend und nachhaltig geprägt, er hat Rumänien in den Fokus deutscher Interessen zu rücken versucht. Bis heute hat er nicht viele Nachfolger gefunden. Bereits mit seiner ersten 45-minütigen Reportage 1978, die den Titel trug „Draculas Heimat“, vermochte er ein breites Publikum zu interessieren und Hintergrundgeschichten zu erzählen. Diese wohl erfolgreichste Reportage, die das bekannteste Klischee über Rumänien aufgreift, und dabei unterhaltsam Informationen vermittelt, wurde mehrfach wiederholt. In den Anfangsjahren machte er in Bistritz seine Reportage „Der Pfarrer geht als Letzter“, wo er die Thematik der Auswanderung der Siebenbürger Sachsen aufgriff. Auch dies ein zeitgeschichtliches Zeugnis, das verdient, aus der Versenkung geholt zu werden. Gut vernetzt und kenntnisreich stand Miroschnikoff bei vielen Rumänienfilmen die banatschwäbische seinerzeit in Bukarest lebende Journalistin Helga Höfer (1941-1993) zur Seite. Anschließend war er beim Bayerischen Rundfunk Leiter der Redaktionsgruppe „Reportagen und aktuelle Berichte“. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Fernsehreportagen von ihm über den Zerfall Jugoslawiens, den Fall des Eisernen Vorhangs in Ungarn, die Massenflucht von DDR-Bürgern anlässlich des Paneuropäischen Picknicks sowie dem gewaltsamen Umsturz in Rumänien sowie die dortige dramatische soziale Lage. Im Jahr 1996 wurde Miroschnikoff erneut nach Wien entsandt, diesmal als Leiter des ARD-Auslandskorrespondenten-Studios, wo er bis zum Eintritt in den Ruhestand 2007 verblieb. Ehrenamtlich war er Präsident des Verbandes der Auslandspresse in Österreich.

Neben seinen Reportagen aus Osteuropa, engagierte er sich zunehmend und bis in die Gegenwart in der Ausbildung junger Journalisten beim Bayerischen Rundfunk, ab 2001 bei der Ausbildung von Reportern für die Krisen- und Kriegsberichterstattung, etwa an der Hochschule für Fernsehen und Film München, aber auch in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. 2005 erhielt Miroschnikoff die Ehrung durch die Südosteuropa Gesellschaft zum „Journalisten des Jahres“ und die Ehrung mit Professoren-Titel durch den damaligen österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer.

Vor einem Staatsbesuch Ceaușescus in die Bundesrepublik Deutschland durfte Miroschnikoff den Diktator interviewen, wobei alle Fragen vorher schriftlich einzureichen waren. Manche Fragen waren dem Diktator nicht genehm und es wurde im Vorfeld gefeilscht, ob sie gestellt werden durften. Trotz Genehmigung sollten dann plötzlich bestimmte Fragen nicht gestellt werden, was Miroschnikoff und sein Team dazu bewog, das Interview abzusagen. Dieses wiederum lag nicht in der Absicht der Berater und so ließen sie die Fragen letztlich zu. Ceaușescu las die vorgefertigten Antworten monoton ab. Die rumänische Seite bestand darauf, das Interview in voller Länge im deutschen Fernsehen zu senden, wofür sich nur in den dritten Programmen nach Mitternacht ein Sendeplatz fand. So entzauberte Miroschnikoff durch Courage, Humor und Frechheit den stalinistischen Diktator, der einen ungeheuren Personen- und Geniekult um sich zu verbreiten suchte, als einen stotternden, ungebildeten, größenwahnsinnigen Kleingeist.
Peter Miroschnikoff beim Heimattag 2010 in ...
Peter Miroschnikoff beim Heimattag 2010 in Dinkelsbühl. Links die damalige ADZ-Chefredakteurin Rohtraut Wittstock, rechts der Internetreferent des Verbandes Robert Sonnleitner. Foto: Konrad Klein
Trotz der Bedingungen der Überwachung von ausländischen Medienvertretern in den kommunistischen Ländern durch die Geheimdienste, der Einschränkung der Themenwahl und Begrenzung der Drehgenehmigungen und der Kontakte mit den Menschen gelangen ihm dennoch großartige Filme, vor allem Filmaufnahmen gemeinschaftlichen Lebens der Siebenbürger Sachsen. Zu diesen legendären Filmen zählt etwa „Die Leute von Michelsberg“ (1984). Er nutzte ein letztes Zeitfenster, um das (fast intakte) dörfliche Gemeinschaftsleben, Brauchtum, Sitte, Alltagsleben, welches aber schon von der Abwanderung nach Deutschland und den sich verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im nationalkommunistischen Rumänien ­gekennzeichnet war, filmisch festzuhalten und einem bundesdeutschen Publikum Kunde von einer untergehenden Welt zu geben. Persönlich berührt ist man vom Bericht des damaligen Michelsberger Pfarrers Dietrich Binder und seiner Gattin über das sächsische Nachbarschaftswesen mit dazugehörigen Einblicken in Richttag, die gemeinschaftlichen Aktivitäten, wie die Unterstützung der Familien bei Erkrankung eines Angehörigen. Es werden eine sächsische Hochzeit gezeigt, eine Beerdigung, eine Übung der Freiwilligen Feuerwehr, ein Musikabend im Elim-Heim, ein verregnetes Volksfest, eine Unterrichtsstunde in der Grundschule zur siebenbürgischen Geschichte, wobei alle Schüler in damaligen Uniformen und adrett frisiert unter dem Bildnis des Diktators einstudierte Antworten geben. Unvergesslich ist auch die Filmszene, wo Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg am Denkmal für die dabei für die Doppelmonarchie gefallenen Soldaten vor der Michelsberger Kirche zusammentreffen und berichten, wie sie im Herbst 1916 die aus dem Altreich durch die Karpatenpässe eindringenden rumänischen Truppen zurückgedrängt hatten.

Ende Dezember 1989 bereits war er (als Notnagel für den eigentlich zuständigen, aber erkrankten Kollegen) wieder in Rumänien und berichtete über die rumänische „Revolution“. Er prägte dabei den Begriff der „Telerevolution“, der sich bis in die Gegenwart gehalten hat und auf die Inszenierung einer „Revolution“ durch die alten (kommunistischen) Eliten hinweist und eine „Revolution“, an der viele nur am Fernseher beteiligt waren. Es sind immer noch bewegende Bilder, die Emotionen hervorrufen. Vielleicht ist die ergreifendste eingefangene Szene all seines Filmmaterials ein Straßensänger in Bukarest, der Ende 1989 auf die Melodie einer Colinde, eines rumänischen Weihnachtsliedes, mit einem improvisierten Text gute Wünsche und Hoffnungen äußert. Über den Prozess gegenüber dem rumänischen Diktator und seine Gattin fertigte er den Dokumentarfilm „Ich erschoss die Ceaușescus“ an. Er berichtete desgleichen über die dramatische soziale Lage in den berüchtigten rumänischen Kinderheimen. Aufgrund dieser Fernsehberichte entstanden in Deutschland zahlreiche bis in die Gegenwart weiterexistierende Rumänienhilfen und -initiativen. Auch nach der politischen Wende rückte Miroschnikoff die Lage der deutschen Minderheiten in Südosteuropa in den Fokus. Es entstanden weitere Zeitdokumente aus Siebenbürgen, wie „Grüße aus der alten Heimat“, wo er wieder als Motive Michelsberg und Hermannstadt aufnahm, Orte, denen seine besondere Zuneigung, ja Liebe galt. Er berichtete über die Lage der Roma und porträtierte Eginald Schlattner als „Zigeunerpfarrer“. Fazit: Seinen Filmen kommt die gleiche Bedeutung wie den mittelalterlichen Urkunden als historische Quellen zu. Sie bezeugen das gemeinschaftliche, über große Zeiträume entwickelte, mittlerweile aber fast verschwundene oder radikal veränderte soziale Leben der Siebenbürger Sachsen.

Foto- und Filmdokumente sind besondere Medien. Bilder und Töne (Gerüche wären noch zu nennen, die kann man aber nicht konservieren, digitalisieren und versenden) prägen unsere Erinnerung viel mehr als alles andere. Man muss jedoch als Fotograf, Dokumentarfilmer oder Reporter stets das Glück und den Instinkt haben, was im nächsten Moment passiert, um die Gerätschaften startklar zu haben und den Augenblick einzufangen. Peter Miroschnikoff hatte das Glück – und wer will bestreiten: das Glück des Tüchtigen! –, einige dieser Momente einzufangen. So war er mit seinem Filmteam am Wiener Ostbahnhof, als an einem düsteren Februartag des Jahres 1987 ein Schriftstellerehepaar aus dem Banat nach jahrelangen Schikanen in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen durfte und in Wien umstieg. Es handelte sich um die nachmalige Nobelpreisträgerin Herta Müller und ihren Ehemann Richard Wagner. Er porträtierte 2002 Klaus Johannis, nachdem dieser zwei Jahre Bürgermeister in Hermannstadt war, und dokumentierte den Zustand der Stadt, die 2007 Europäische Kulturhauptstadt war und seither eine der bekanntesten kleinen Großstädte in Mitteleuropa mit einem großartigen deutschen Erbe und gegenwärtigen kulturellen Leben ist, aber auch wirtschaftlich gut dasteht. Klaus Johannis trägt mittlerweile an seiner zweiten Amtszeit als Staatspräsident Rumäniens eine schwere Bürde.

Es bleibt als Aufgabe, das dokumentarische Filmerbe von Peter Miroschnikoff, insbesondere seine Beiträge über die Deutschen in Südosteuropa, vollständig zu erschließen. Die besten dieser Beiträge sollten in einer DVD-Edition wiederveröffentlicht werden. Denn Fernsehbeiträge waren in der Zeit, bevor es Mediatheken und Spartenkanäle gab, flüchtig. Wer einen Beitrag planmäßig gesehen hat, hat ihn meistens nicht aufgezeichnet und ihn vielfach schnell vergessen. Vielleicht hat man sich damals auch noch nicht für diese Themen interessiert, ganz sicher war der eine oder andere damals noch nicht geboren. Für die jüngeren Generationen, die noch viel mehr durch visuelle Eindrücke und neue Medien geprägt sind, sind Bildquellen aber mit die wichtigsten Informationsmedien. Daher sollte ein erstmaliger oder wiederholter Zugang zu diesen Quellen über die Kultur und Geschichte der Siebenbürger Sachsen möglich gemacht werden.

Seine Liebe zu den Menschen, von deren Leben er erzählt, gehört auch dazu. Bereits vor der politischen Wende in Rumänien adoptierten Peter und seine Frau einen Jungen, der in prekären familiären Verhältnissen lebte, gaben ihm ein Zuhause und ermöglichten ihm ein besseres Leben. Lieber Peter, ganz herzlichen Dank für dein Engagement für die Siebenbürger Sachsen und Respekt vor deinem Lebenswerk! Ich wünsche dir noch viele gesunde und glückliche Jahre und hoffe auf weitere freundschaftliche persönliche Begegnungen!

Gusti Binder

TV-Tipp:

Michelsberg-Film von Peter Miroschnikoff am 25., 26. und 28. Februar 2022 auf ARD alpha

Schlagwörter: Miroschnikoff, Journalist, TV, ARD, Reportage, Rumänien, Ceausescu, Kommunismus, Gusti Binder, Dinkelsbühl, Heiligenhof, Schlattner, Securitate, Sonnleitner, Wittstock, Herta Müller

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  • 27.02.2022, 10:35 Uhr von Melzer, Dietmar: Es sind insgesamt 3 Film. www.youtube.com und dann Stichwort: Die Leute von Michelsberg eingeben. ... [weiter]
  • 27.02.2022, 09:49 Uhr von Melzer, Dietmar: Der Film: Die Leute von Michelsberg von Peter Miroschnikoff ist unter diesem LINK zu ... [weiter]

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