12. Juli 2022

20 Jahre Zauberklänge der „Līdertrun“

Sie sind eine Institution in der siebenbürgischen Musikszene: Seit 20 Jahren touren Karl Heinz Piringer, Hans Seiwerth und Michael Gewölb mit ihren Auftritten als „De Līdertrun“ durch Deutschland, Österreich, Siebenbürgen und im spanischen Galizien. Ihre mehrstimmig gesungenen siebenbürgisch-sächsischen Volkslieder tragen durch ihre originellen Bearbeitungen und Instrumentalbegleitungen ihre unverkennbare Handschrift und erfreuen sich bei allen Altersgruppen großer Beliebtheit.
„De Līdertrun“ Mitte Mai beim ...
„De Līdertrun“ Mitte Mai beim Kulturwochenende auf Schloss Horneck, von links nach rechts: Heinz Piringer, Hans Seiwerth, Angela Seiwerth und Michael Gewölb. Foto: Günther Melzer
Schon im Jahr 1974 konnten die Hobbymusiker Karl Heinz (Fisi) Piringer, Kurt Wagner, Hans Seiwerth (Studenten der Hermannstädter Fakultät für Geschichte und Philologie) und ab 1975 Michael Gewölb (damals Student in Kronstadt) bei Auftritten mit einer bunten Mischung beliebter internationaler Folksongs beachtliche Erfolge verzeichnen. Ihr Programm beendeten sie jeweils mit der bekannten Ballade „Et såß e kli wäld Vijjeltchen“ in einer eigenen neuartigen Bearbeitung, in der schon der Stil der späteren „Līdertrun“ erkennbar wurde. Christian Berger von der Bukarester TV-Sendung in deutscher Sprache regte an, noch einige weitere siebenbürgisch-sächsische Volkslieder zu bearbeiten. Dieser Einladung folgten die Hochschüler begeistert und alsbald wurden weitere Stücke („Ech schmiss zwo ädel Risen“, „Ech geng ä menges Vueters Guerten“, „Honnes Moler“ und „De Brokt um Alt“) aufgenommen und schließlich ausgestrahlt. Die allermeisten Fernsehzuschauer nahmen diese „modernen“ Bearbeitungen der sächsischen Balladen wohlwollend auf. Dazu der Musikpädagoge und Komponist Karl Fisi, Karl Heinz Piringers Vater: „Dåt huët er gaad gemååcht!“

Weniger wohlwollend ging Ceaușescus Zensur mit dem Kunstfilm „Der Traum“ (1975) um, der in der gleichen Sendung ausgestrahlt wurde und in dessen Handlung etliche sächsische Balladen gesungen und darstellerisch gestaltet wurden. So z.B. wurde „Et såß e kli wäld Vijjeltchen“ aufgrund des Selbstbestimmungs- und Freiheitsdrangs des kleinen wilden Vögeleins auf zwei Strophen reduziert, die dann auch aus regietechnischen Gründen nur angespielt wurden. Vom Lied „Ech gohn af de Bräck“ durfte, ebenfalls ideologisch bedingt, nur die Instrumentaleinlage, Kurt Wagners Gitarrensolo, erklingen.

Die Bemühungen, etwas nie Dagewesenes entstehen zu lassen, wurden mit dem alten sächsischen Hochzeitslied „Rokelied (Na welle mer gohn)“ fortgeführt. Karl Fisi hatte es anempfohlen – des Vaters Wink war der entscheidende Impuls dafür, nach Beenden der Dreharbeiten zum genannten Film weiterzumachen. Irgendwann danach und anlässlich weiterer Tonaufnahmen wurde der Gruppe von der Fernsehredaktion der Name „Cibinium-Quartett“ gegeben. 1980 verklang dann – fast symbolisch – in Kerz der vorerst letzte Auftritt in Siebenbürgen, wieder mit „Et såß e kli wäld Vijjeltchen“. Im Zuge der Aussiedlung nach Deutschland löste sich die Gruppe auf.

Im Jahr 2002, nach 27 Jahren, trafen sich die vier ehemaligen Studenten, inzwischen Lehrer für Englisch, Deutsch, Geschichte und Mathematik, in Deutschland wieder. Der Anlass war, die Traum-Idee des Films von 1975 unter den Gegebenheiten einer freien Entfaltungsmöglichkeit neu zu beleben, mit dem Ergebnis, dass wesentliche Elemente von „Der Traum“ in die Neuverfilmung „Es war einmal ein Traum“ einfließen konnten.

Gut zwei Jahrzehnte nach dem letzten Auftritt ließen sie ihr mitgebrachtes Liedgut wieder erklingen, verstauten es dann in eine sächsische Truhe, legten neue Lieder nebst etlicher Instrumente dazu und sangen fortan unbeschwert und frei alle vier Strophen der bekannten Ballade vom kleinen wilden Vögelein, der heimlichen Hymne vieler Siebenbürger Sachsen.

Liedgut fanden sie wie seinerzeit in den Gründungsjahren u.a. in den Sammlungen „Lieder in siebenbürgisch-sächsischer Mundart“ (Hermannstadt 1931, Hg. Gottlieb Brandsch), „Deutsches Liedgut aus dem Banat, Siebenbürgen und dem Sathmarer Land“ (Bukarest 1971, Hg. Andreas Porfetye), „Lieder der Heimat“ (Kronstadt 1973, Hgg. Norbert Petri und Viorel Ardeleanu) sowie „Siebenbürgen Land des Segens“ (Wolfenbüttel 1952, Hg. Erich Phleps), „Siebenbürgisches Chorbuch“ (Innsbruck 1983, Hg. Karl Teutsch) und „E Liedchen hälft ängden“ (Nürnberg 2017, Hgg. Angelika Meltzer und Rosemarie Chrestels). Aber auch Lieder aus dem Familiengut wurden aufgeschrieben und übernommen, z.B. „Frächen, Frächen, inijet Frächen“, ein Lied, das Hans Seiwerth als Kind oft in Stolzenburg bei seinen Eltern gehört hatte.

2003 trat die Gruppe mit Karl Heinz Piringer, Kurt Wagner, Hans Seiwerth und Michael Gewölb zum ersten Mal unter dem Namen „De Līdertrun“ auf, mit dabei Töchter und Söhne. Im voll besetzten Festsaal von Schloss Horneck, damals noch Altenheim, beendete die noch unbekannte Gruppe das Dozentenkonzert der 18. Löwensteiner Musikwoche. Die Verfasserin dieser Zeilen saß auch im Publikum und schwärmt seither für diese wunderbaren Bearbeitungen siebenbürgisch-sächsischer Balladen und Volkslieder, die im Colorit der Harmonien sehr alt und doch auch aktuell klingen. Neben dem Festsaal hatte der Komponist und Musikpädagoge Ernst Irtel sein Zimmer. Nach dem Konzert erklärte der tief beeindrucke Senior den Musikern: „Ich habe geweint, während ihr gespielt habt“. Welch großes Lob aus dem Mund des begnadeten Lehrers!

Eine Besonderheit der Gruppe, seit 2007 in der Grundbesetzung Karl Heinz Piringer, Hans Seiwerth und Michael Gewölb, ist, dass bei den CD-Einspielungen und Auftritten ausschließlich Familienmitglieder beteiligt sind. Inzwischen kann die junge Generation aus einer Vielfalt von Gründen nicht mehr mitmachen – auch wenn sie das gerne tun würde. So kommt es, dass Angela Seiwerth, studierte Musikpädagogin und zugleich begeisterter und bekennender Fan der „Līdertrun“, sich bei Auftritten der letzten Zeit mit Klarheit und einfühlsam ergänzend im Sinne des charakteristischen Stils der Gruppe stimmlich oder instrumental begleitend einbringt.

2004, schon zwei Jahre nach der Neugründung, erschien die erste CD mit 14 siebenbürgisch-sächsischen Balladen, von der nur noch ein kleiner Restbestand vorhanden ist. Auch durch die häufigeren Auftritte (München, Augsburg, Fürth, Ulm, Stuttgart, Esslingen, Heilbronn, Kornwestheim, Dürrwangen, Heidelberg, Berlin, Backnang, Landshut, Heidenheim, Memmingen, Freiburg, Düsseldorf, Wien, Wels, Vigo, Hermannstadt, Hamruden u.a. ) wuchs die Beliebtheit und Popularität der Gruppe. 2014 wurden zwölf Lieder auf die CD „Alte Lieder aus jungen Jahren – Mer wälle bleïwen, wat mer sänjen“ gebrannt. Es ertönen Lieder aus sächsischem, rumänischem, ungarischem, landlerischem und jiddischem Liedgut. Ein Hauptanliegen der drei Hobbymusiker ist, mit ihrer zweiten CD und ihren Auftritten auch die ethnisch-kulturelle Vielfalt Siebenbürgens erkennbar und fühlbar zu machen, so wie sie es in Siebenbürgen, dem „Land der Duldung“ der „grünen Wiege einer bunten Völkerschar“ (Siebenbürgische Hymne, L. M. Moltke, 1846), erlebt haben.

Durch das vielsprachige Repertoire kamen zu den etlichen vielfältigen Instrumenten noch einige spezifische dazu. Man staunt immer wieder, welch zusätzliches Musikinstrument aus der Truhe „gezaubert“ und dann gekonnt eingesetzt wird. Folgende Instrumente kamen schon zum Einsatz: Konzert­gitarre, Westerngitarre, 12-saitige Gitarre, Violine, Stroh-Geige (Trompetengeige), Violoncello*, Bassgeige*, Querflöte, Hirtenflöte, Sopranblockflöte, Bassblockflöte, Tin-Whistle, Schalmei, Sackpfeife*, Cornetto, Posaune, Triangel, Glockenstäbe, Tambourin, Handpauke, Becken, Brummtopf, Ocean-Drum, Peïtoque (klingt ähnlich wie Kastagnetten), Mundharmonikas, Vibrandoneon (vgl. Blasakkordeon), Klavier, Akkordeon, Bordunzither, Ventilschalmei (Martinstrompete), Maultrommel, Guiro, Cavaquinho (vgl. Ukulele mit Stahlsaiten), Holzlöffel und Tonbecher (* beim Mitwirken der jüngeren Generation).

Die erfolgreichen Tourneen in den letzten 20 Jahren durch die vielen unterschiedlichen musikalischen Landschaften spornen sie immer wieder an, ihr Repertoire zu erweitern und neue Instrumente einzusetzen. Das können sie beruhigt weiterhin praktizieren, denn die magische siebenbürgische Truhe, die sie immer auf die Bühne stellen, hat keinen Boden und somit noch viel Raum für weitere Stücke.

Auf Schloss Horneck wurde von Prof. Heinz Acker der „Musiksalon Ernst Irtel“ eingerichtet, dessen Wandbilder die Musikgeschichte der Siebenbürger Sachsen darstellen. In der Sparte „Volkslied, Folk, Rockmusik und Kabarett“ ist „De Līdertrun“ nebst einem Bild mit folgenden Worten verewigt: „[…] Mit Gesang und vielfachem Instrumentarium kleiden sie alte siebenbürgische Volksweisen in ein neues, erfrischendes Gewand“. Jahre zuvor, nach einem Konzert 2008 im „Romanischen Keller“ in Heidelberg, wertschätzte Prof. Acker die Gruppe spontan mit den Worten: „Euch müsste man erfinden, wenn es euch nicht schon gäbe“.

Das große Verdienst des Trios ist, dass sie viele alte Volkslieder wieder zum Leben erweckt hat und in der fantastischen Atmosphäre ihrer Live-Auftritte den Zugang und das Interesse an diesem fast vergessenen Liedgut auch bei der jüngeren Generation weckt. Mit unterschiedlichen Klangfarben und Rhythmen wechseln sich in ihrem Programm vertraute sächsische Lieder mit alten Balladen nebst viel Heiterem, aber auch Besinnlichem ab. Die Sing- und Spielfreude der drei Barden wirkt ansteckend – gelegentlich ist auch das Mitsingen erwünscht. Herzlichen Glückwunsch dem Ensemble „De Līdertrun“ zum zwanzigjährigen Jubiläum und auf weitere 20 erfolgreiche Jahre!

Angelika Meltzer


CD-Bestellungen oder Einladungen gern über lidertrun[ät]email.de oder Telefon Hans Seiwerth: (07435) 1762.

Schlagwörter: Musik, Lidertrun, Volkslied, Mundart, Jubiläum

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Neueste Kommentare

  • 12.07.2022, 08:35 Uhr von cschuster: Liebe Lidertrun: Alles Gute zu Eurem Jubiläum! Wir sind geehrt, dass wir Euren Zauberklängen schon ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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