6. September 2022

Erster Musikalisch-literarischer Salon in Deutsch-Weißkirch „Carl Filtsch im Kontext seiner Zeit“

Eine Zufallsbekanntschaft und die nachfolgenden Gespräche endeten im Entschluss, meinen Urlaub mit Frau und Kinder in Rumänien zu verbringen. Wir hatten keine Ahnung, was es mit Land und Leuten in Siebenbürgen auf sich hat, Recherchen ergaben zu erwartende Überraschungen, nicht zuletzt für den einen Sohn, der die Burg Bran, die Törzburg, als mögliche Draculabehausung zum ersehnten Reiseziel bestimmte. Es sollte nicht die einzige Burg sein, die wir auf ausgefahrenen Touristenwegen in Augenschein nahmen. Man sieht und fotografiert, erfährt dies oder das und notiert, doch die Erlebnisse lassen sich nicht ins Unendliche steigern. Doch siehe da, ein Besuch, gar nicht vorgesehen, wird uns lange in Erinnerung bleiben.
Unser Gastgeber im so wenig weltabgewandten Katzendorf nahm uns um fünf Ecken ins herausgeputzte Dorf Deutsch-Weißkirch mit, wo diesmal nicht ein königlicher Besuch aus England angesagt war, sondern ein musikalisch-literarischer Salon, ein Klavier und die Geschichte eines Wunderkindes die Besucher anlockte. Wir wurden hellhörig, folgten gerne und bekamen mit, dass ausgewählte Kulturveranstaltungen, die seit 1992 über Jahre allein im Katzendorfer Pfarrhaus zelebriert wurden, gegenwärtig als übergreifender Siebenbürgischer Kultursommer ein Publikum aus dem In- und Ausland fanden. Das Ereignis fand bei Rosalinde Markel und ihrem Sohn statt, die aus dem liebevoll restaurierten Erbhof eine Begegnungsstätte vor allem für Musikliebhaber gestaltet haben, denn unter den kundigen Pianistenhänden von Johann Markel gibt der Bechstein-Flügel den Ton an. So geschehen am 31. Juli (Dagmar Dusil las aus dem zweisprachigem Band „Beleuchtete Busse, in denen keiner saß“ und wurde von Johann Markel am Flügel begleitet) oder am 2. August, als ein Liederabend mit Dorothea Jakob (Bonn) und Johann Markel stattfand.
Musikalisch-literarischer Salon in Deutsch ...
Musikalisch-literarischer Salon in Deutsch-Weißkirch, von links: Andrei Preda, Irisa Filip, Dagmar Dusil, Dr. Heinke Fabritius. Foto: Roselinde Markel
Dieser 1. Musikalisch-literarische Salon mit dem Thema „Carl Filtsch im Kontext seiner Zeit, der erstmals während des diesjährigen Carl Filtsch Wettbewerbes am 15. Juli im Spiegelsaal des Deutschen Forums erfolgreich durchgeführte wurde, fand nun ein zweites Mal in Deutsch-Weißkirch statt. Diesmal griffen abwechselnd Irisa Filip Constanta) und Andrei Preda (München) in die Tasten, während die Schriftstellerin Dagmar Dusil die Musikpausen mit Erzählenswertem aus dem Leben des siebenbürgischen Kinderpianisten und Komponisten Carl Filtsch kenntnisreich ausfüllte.

Wir kamen aus Berlin, um hier in Siebenbürgen stille Wälder, einzigartige Kirchenburgen und eine deutsche Vergangenheit anzutreffen. Doch plötzlich saßen wir in einem Kreis von jungen und älteren Menschen und ließen uns gerne in eine europäische Vergangenheit voller berühmter Namen und Orte wie Liszt, Chopin, Wien und Paris entführen, in deren Mittelpunkt der hochbegabte Musiker Carl Filtsch stand. Die Klangwelt seiner Kompositionen drang an diesem Augustnachmittag hinaus bis auf die Dorfstraße. Das Pianistenduo, beide Preisträger des in Hermannstadt ausgetragenen Carl Filtsch-Klavierwettbewerbes, und die Erzählerin Dagmar Dusil begleiteten wie Zeitgenossen das Wunderkind durch sein kurzes Leben. Der Applaus kam von Herzen, er galt auch der Kulturreferentin für Siebenbürgen Dr. Heinke Fabritius, die ihre schützende Hand über der Veranstaltung hielt.

Wir hatten Siebenbürgen erlebt, waren fast Mitglieder einer beneidenswerten Gemeinschaft geworden. In unserem vorläufigen Zuhause im Pfarrhaus von Katzendorf fand ich im Gästebuch einen Eintrag des bekannten Schriftstellers und Politikers Dieter Lattmann, der für seinen Besuch dortzulande die Worte fand: „Wohl dem, der einen Zusammenhang hat.“

Daniel Rüttloff, Berlin

Schlagwörter: Musik, Deutsch-Weißkirch, Carl Filtsch, Kultursommer 2022, Heinke Fabritius

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