8. Mai 2023

Genealogen tagten in Bad Kissingen: Gefangene, Verwundete und Gefallene der Weltkriege

Vom 24. bis 26. März fand das 28. Projektseminar der siebenbürgischen Familienforscher unter der Schirmherrschaft des Vereins für Genealogie der Siebenbürger Sachsen e. V. (VGSS) im Heiligenhof in Bad Kissingen statt. Das Seminar wurde durch das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen e. V. und das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
Gruppenbild der Seminarteilnehmer vor dem Portal ...
Gruppenbild der Seminarteilnehmer vor dem Portal des „Heiligenhofs“ in Bad Kissingen. Foto: Anneliese Vater
Der Schwerpunkt des Frühjahrsseminars lag auf der Recherche und genealogischen Erfassung der Teilnehmer, Gefangenen, Verwundeten und Gefallenen der beiden Weltkriege. Die Tagung wurde am Freitagabend mit der Begrüßung der Teilnehmer und der üblichen Vorstellungsrunde eröffnet. Es gab eine Rekord-Teilnehmerzahl von knapp 60, darunter neun, die zum allerersten Mal dabei waren – so viele wie noch nie! Diese wurden herzlich willkommen geheißen. Anschließend führte Dietmar Gärtner in die Seminarthematik ein und erläuterte die mittlerweile recht komplexe Projektinfrastruktur – von der IT über Informationsquellen bis hin zu Richtlinien für die Erfassung.

Am Samstag waren dann die Hauptthemen an der Reihe. Dietmar Gärtner fasste in seiner Präsentation die politische Lage im Vorfeld sowie den Verlauf des 1. Weltkrieges zusammen und fokussierte dann speziell auf die Kriegsteilnahme der Siebenbürger als Bürger des österreichisch-ungarischen Reiches. Anschließend stellte er eine sehr wichtige Quelle hierzu vor und wie man effektiv darin recherchiert: die österreichisch-ungarischen Verlustlisten aus dem 1. Weltkrieg, die in einem Gemeinschaftsprojekt mehrerer Vereine, darunter Familia Austria und dem Verein für Computergenealogie digitalisiert und online unter http://des.genealogy.net/ou1wk/ zur Verfügung gestellt wurden.

Jutta Tontsch knüpfte an dieses Thema an und sprach über die Kriegsgefangenenlager in Sibirien während des Ersten Weltkrieges, über die Schwierigkeiten, die die Siebenbürger nach Kriegsende bei ihrer Heimkehr aus Russland hatten und über die ­finanzielle Unterstützung durch die Landsleute aus Siebenbürgen und Amerika. Einen wichtigen Teil des Vortrages nahmen die historischen Zeitungen ein, die einerseits Quelle für die allgemeine Situation der Gefangenen in den russischen Lagern sind, andererseits aber auch wichtige Informationen über einzelne Gefangene enthalten, die den Projektmitarbeitern bei der Ergänzung der Personendaten in der Genealogie-Datenbank des VGSS dienen.

Passend zu diesem Thema sprach Dietmar Gärtner über Recherchemöglichkeiten nach Kriegsgefangenenlagern. Bei der Vielzahl von Orts- und Lagernamen aus den Quellen stellt sich das Problem, diese genau zu identifizieren, um sie einheitlich und korrekt in der VGSS-Genealogie-Datenbank zu verwenden und georeferenziert auf modernen elektronischen Karten anzeigen zu können. Dafür ist eine zum Teil mühsame Recherche in diversen Webportalen, neuen und ­alten Karten, teilweise in kyrillischer Schrift notwendig. Für die Nutzung in Projekten des VGSS wurde eine eigene Werkzeugplattform namens Genedy aufgebaut, die u.a. auch eine Orte-Datenbank umfasst, die einheitliche Darstellungen von Orten enthält, an denen genealogisch relevante Ereignisse von Siebenbürgern stattgefunden haben.

Als nächstes war der 2. Weltkrieg dran. Der Vorredner erläuterte kurz die Teilnahme der Siebenbürger an diesem Krieg, um danach ausführlich eine für die Projektmitarbeiter neue Quelle vorzustellen: die Sterberegister des Standesamtes I in Berlin 1939-1955. Das sind Urkunden über im Ausland oder auf hoher See verstorbene Deutsche, darunter auch viele deutsche Soldaten, insbesondere auch Rumäniendeutsche und Ungarndeutsche sowie auf der Flucht Verstorbene aus dem 2. Weltkrieg. Diese Dokumente sind online abrufbar und enthalten zahlreiche für Genealogen interessante und wichtige Daten.

Ebenfalls am Samstag gab es die Möglichkeit, Fragen zur Dateneingabe in den beiden zurzeit von den Teilnehmern verwendeten Genealogie-Programmen Gen_Pluswin und TNG zu stellen und eventuelle Probleme klarzustellen. Dafür teilten sich die Genealogen in zwei Arbeitsgruppen, die von je einem fachkundigen Mitarbeiter moderiert wurden: Bernd Eichhorn und Dietmar Gärtner.

Am Sonntag zeigte Waltraud Gross die statistische Auswertung der Projektarbeit. Sehr zur Freude aller Mitstreiter ist die Zahl der im letzten Kalenderjahr veröffentlichten Ortsgenealogien von 23 auf 31 gestiegen und die Personen- und Familienzahl hat sich beinahe verdreifacht: Zurzeit sind über 402.000 Personen und knapp 144.000 Familien in der VGSS-Datenbank, die über folgendem Link zu erreichen ist: https://vgss.de/genealogie-datenbank/.

Ronald Halmen erklärte, wie man mit Hilfe der Software TNG in einer projektinternen Datenbank nach der verwandtschaftlichen Beziehung zwischen Samuel von Brukenthal und Stephan Ludwig Roth einerseits und zwischen den einzelnen Mitarbeitern und den beiden genannten Siebenbürgern andererseits suchen kann. So hat der Referent herausgefunden, dass zwischen 47 Mitarbeitern verwandtschaftliche Querverbindungen zu Roth und Brukenthal bestehen, bei einigen sogar blutsverwandtschaftliche.

Für Diskussionen, Erfahrungsaustausch, nettem Beisammensitzen und Ehrung von Jubilaren blieb an diesem Wochenende auch genügend Zeit übrig, ebenso für eine gemütliche Kaffeepause, in der von Projektmitarbeiterinnen selbst gebackener Kuchen genossen wurde.

Am Sonntagmittag trennte man sich in der Hoffnung, dass sich beim nächsten Projektseminar vom 6. bis 8. Oktober 2023, ebenfalls in Bad Kissingen, wieder viele neue Interessenten einfinden werden, die die genealogische Arbeit des VGSS aktiv unterstützen möchten. Denn es warten noch viele siebenbürgische Orte darauf, bearbeitet, d. h. gesamtheitlich genealogisch erfasst zu werden.

Jutta Tontsch
Dr. Dietmar Gärtner

Bildergalerie auf Siebenbuerger.de:

Genealogen tagten zum 28. Mal in Bad Kissingen

Schlagwörter: Genealogie, Familienforschung, Heiligenhof

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