2. Juni 2023

„Ein Leben zwischen zwei Welten“: Wolfi Klein in der Stuttgarter Vortragsreihe

Eine sehr gut besuchte musikalische Lesung mit Wolfi Klein fand am 28. April im Stuttgarter Haus der Heimat statt. Der gebürtige Hermannstädter bot einen humorvollen Abend mit Geschichten und Gedichten, selbstverständlich nur „brave und anständige Geschichten“, wie er es angekündigt hatte.
Wolfi Klein begeisterte mit seinem humorvollen ...
Wolfi Klein begeisterte mit seinem humorvollen Abend. Fotos: Helmut Wolff
Wie Kulturreferent Helmut Wolff in seiner Begrüßungsrede hervorhob, kann man Wolfi als Multitalent bezeichnen – neben der „Schreiberei“ hat er auch Theaterstücke verfasst, war als Journalist unterwegs und engagierte sich als großer Musikliebhaber u. a. beim Jazzfestival in Hermannstadt 1997. Seine biographischen Eckdaten in einem Satz: Am Kindertag in Hermannstadt geboren, lebt er seit 43 Jahren glücklich mit seiner Familie in Mainz am Rhein, wo er sich nach über 40 Jahren harter Nachtarbeit in drei bekannten Mainzer Kneipen dieses Jahr zur Ruhe setzen möchte, um sich ganz seinem Hobby, dem Schreiben, zu widmen.

Als Wanderer zwischen zwei Welten, Heimaten – „Heimatlos!? Ein Leben zwischen zwei Welten“ lautet auch der Titel eines seiner Bücher – besucht Wolfi immer wieder gern die Stadt am Zibin. Geschichten über das „liebe Hermannstadt“ und seine Bewohner mit ihren Tugenden und Stärken, aber auch ihren Schwächen und schrulligen Angewohnheiten standen im Mittelpunkt der Lesung. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist bei vielen Hermannstädtern ausgeprägt, der Familiensinn, die Gemeinschaft und die gegenseitige Hilfe sind ihnen wichtig, aber … warum müssen sie sich immer wieder gegenseitig anbrüllen, wenn sie sich treffen?

In Kurzprosa und hauptsächlich in Gedichten erzählte „Wolfito“ humorvoll von Schicksalen, Begebenheiten aus seiner Familie und seinem Freundeskreis, die er als Kind oder Jugendlicher in der alten Heimat erlebte. Es ging um Wege und Sackgassen, Liebe und Eifersüchteleien und was die Cliquen von Halbstarken im Überschwang der Jugend alles anstellten. Im Hintergrund spielen die damaligen politischen Zustände in der kommunistischen Ceauşescu-Diktatur eine wichtige Rolle. Doch trotz Bespitzelung durch Genossen, fehlender Meinungsfreiheit, Korruption und Vetternwirtschaft betont Wolfi, dass seine Generation eine schöne Kindheit und Jugendzeit in Rumänien hatte, was auch viele Anwesende bestätigten.

Mit seiner einmaligen scherzhaften Erzählbegabung konnte der „Lebenskünstler“ Wolfi, Autor und Entertainer in einer Person, die Besucher mit seinen Geschichten bannen und immer wieder zum Schmunzeln, zum Lachen bringen. Köstliches Beispiel dafür die Begebenheiten im Haus in der Friedenfelsstraße, als die Eltern im Urlaub am Schwarzen Meer waren und Wolfi und seine Geschwister Ingo und Detlev sowie viele geladene und ungeladene Freunde, Gäste von nah und fern unzählige Partys veranstalteten und darüber die Fütterung des Hundes im Hühnerstall vergaßen. Sehr erheiternd auch die Texte, überschrieben „Brüderchen Ingo“, mit den Erinnerungen an seinen begabten und intelligenten Halbbruder, der viele lustige Begebenheiten erlebte, dessen abenteuerlicher Lebensweg jedoch viel zu früh in seiner Heimatstadt endete.

Andreea singt „Wolfi, ich hab ja nur aus Liebe zu ...
Andreea singt „Wolfi, ich hab ja nur aus Liebe zu dir ... ein Glas zu viel getrunken“.
Was die Besucher, unter ihnen eine große Zahl von Hermannstädtern aus Wolfis Familien- und Freundeskreis, an den vorgetragenen Texten schätzten, war neben der packenden, humorvollen Sprache und seiner überbordenden Vortragslaune die Authentizität und die realitätsgetreue Schilderung der jeweiligen gesellschaftlichen Zustände.

Der „Karpatenbär“ Wolfi nennt die Dinge beim Namen, beschönigt nichts, sondern prangert die Missstände und Ungerechtigkeiten an. Viele bekommen ihr Fett weg. So in seinem letzten vorgetragenen Gedicht mit einer starken Sehnsucht nach Frieden und dem Mitgefühl mit den Opfern der Machthaber, aktuell dem ukrainischen Volk, das unter der Aggression Putins schwer leidet.

Es war ein literarischer Abend, zu dessen Gelingen die musikalischen Stücke von Andreea, Luna und Kai hervorragend beigetragen haben. Es gab einen „Kessel Buntes“, wie Wolfis Cousine Andreea, geborene Manyak, meinte, abwechslungsreich u.a. mit irischen Liedern, einem Tangolied mit Kai und als krönendem Abschluss Andreea mit dem Lied „Wolfi, ich hab ja nur aus Liebe zu dir, ja nur aus lauter Liebe zu dir ein Glas zu viel getrunken“ – eine Umdeutung des Liedtextes „Ach Egon!“ von Friedel Hensch. Anschließend gab’s für den Autor und alle Besucher als Stärkung Fettbrot mit Zwiebel, Wein sowie „wilde Umarmungen“, wie Wolfi es vorausgesagt hatte.

Helmut Wolff

Schlagwörter: Stuttgarter Vortragsreihe, Lesung, Humor, Musik

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