30. Januar 2025
Mundartgedichte zum Anhören und Mitlesen auf Siebenbuerger.de
„Es ist super, dass die Zeitung Gedichte auf Sächsisch abdruckt. Leider sind die immer so schwer zu lesen. Kann man nicht auch Aufnahmen davon ins Internet stellen?“ Anfragen wie diese erreichen die Redaktion der Siebenbürgischen Zeitung regelmäßig. Und es stimmt: Es braucht einiges an Übung, um siebenbürgisch-sächsische Mundart zu lesen, insbesondere wenn es nicht die eigene ist. Bundeskulturreferentin Dagmar Seck hat daher ein Projekt in die Wege geleitet und erfolgreich zu Ende geführt: Texte der Rubrik „Sachsesch Wält“ sind nun als Audioaufnahmen im Internet unter www.siebenbuerger.de/go/1L zu hören. Im Folgenden beschreibt sie die Idee und die Hintergründe dieses Projektes.
Die Vorgeschichte

Ein wichtiger Meilenstein war das Jahr 2010, als gemeinsam mit dem damaligen Bundeskulturreferenten Hans-Werner Schuster das Buch „Sachsesch Wält – Mundarttexte aus der Siebenbürgischen Zeitung“ herausgegeben wurde, welches die Texte aus fünf Jahren in einem Band sammelte. Die 750 Exemplare des Buches sind mittlerweile verkauft, und nach 15 Jahren stellt sich die Frage, ob es nicht einen Band 2 der „Sachsesch Wält“ geben sollte, der die ab 2011 erschienenen Texte enthält.
Zwischenzeitlich häuften sich jedoch die Rückmeldungen, dass die Leserschaft auch Audioaufnahmen wünscht. Erste erfolgreiche Versuche waren die Aufnahmen von Ernst Gyöngyösis „De Zet vergauht …“ durch Gudrun Wagner (www.siebenbuerger.de/go/924U) und von Oswald Kesslers „Härwestlied mät Saksentrefen Meschen 2022“ durch ihn selbst (www.siebenbuerger.de/go/925U). Diese beiden Gedichte, so wie sie von den Webmastern auf Siebenbuerger.de aufbereitet wurden, sind in der Kombination von Ton und Schrift tatsächlich eine große Bereicherung. Als Bundeskulturreferentin habe ich diese Idee aufgenommen und fortgeführt. Da Papier geduldig und die Aufnahmetechnik heutzutage für jedermann ziemlich gut zugänglich ist, wurde das Vorhaben, einen zweiten gedruckten Band der „Sachsesch Wält“ herauszugeben, vorerst verschoben, und als Erstes eine Online-Datenbank mit Texten und Audioaufnahmen in Angriff genommen.
Das Projekt
Dank einer Förderung durch das Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales konnte das Mundartprojekt realisiert werden. Während Webmaster Gunther Krauss die Datenbank konzipierte und programmierte, schrieb ich die Autorinnen und Autoren an, in Einzelfällen auch deren Nachfahren, und bat sie darum, die Gedichte aus dem Zeitraum 2011 bis 2023 einzulesen. Manchmal wurden hierfür professionelle Mikrofone und Aufnahmegeräte benutzt, sehr häufig tat es aber auch einfach das Handy, sodass über WhatsApp zahlreiche gereimte Sprachnachrichten bei mir eingingen.Außer den Gedichttexten wurden auch die Worterklärungen und kulturhistorischen Kommentare aus der Siebenbürgischen Zeitung in die Datenbank eingegeben. Liegt eine hochdeutsche Übertragung vor, wurde jene ebenfalls hinzugefügt. Daneben gibt es zu jeder Autorin, jedem Autor eine eigene Seite mit biografischen Angaben.

Ob nun eine Ortsmundart zugewiesen wurde oder nicht, in jedem Fall kann es sein, dass Leserinnen und Leser sich Fragen zur verwendeten Rechtschreibung stellen. Wer sich mit diesem Thema eingehender auseinandersetzen will, dem seien Hanni Markels Ausführungen „Rechtschreibung siebenbürgisch-sächsischer Mundarttexte. Richtlinien und Praxis“ empfohlen: www.siebenbuerger.de/go/926U.
Die Reaktionen
Wenn man in München in seinem Büro sitzt und sich Projekte ausdenkt, für die man am Ende die Hilfe von rund 30 zumeist unbekannten Personen benötigt – da kommen einem durchaus einige Zweifel: Haben die Autoren und ihre Familien überhaupt Lust mitzumachen? Melden sich am Ende vielleicht nur fünf Personen zurück? Klappt das technisch und werden die Aufnahmen gut genug? Muss ich bundesweit zwei Dutzend Helfer mit Mikrofonen ausschwärmen lassen? Wie sich schnell herausstellte, waren alle Sorgen umsonst und die Bereitschaft sich einzubringen überwältigend. Vielmehr noch: Viele Leute zeigten sich gerührt und geehrt mitzumachen.Doris Hutter war das „Versuchskaninchen“ und half mit wertvollen Kontakten aus. Misch Kenst schickte bereits Aufnahmen, als erst ein Bruchteil der Autoren auf der Liste kontaktiert war. Agnetha Feierabend stellte sich als riëcht Kusinchen meiner Oma heraus. Katharina Kessel überzeugte genauso wie Hans Otto Tittes mit ihrer Akribie. Franz Buhn stellte kritische Fragen zur Zukunft der Mundart, lieferte aber trotzdem zuverlässig Material. Günther Schuster öffnete mir die Augen für das unheimlich aktive mundartliche Treiben der Mediascher bis heute. Adele Krestel spiegelte die Freude ihrer Mutter Johanna während der Aufnahme. Helmuth Zink beeindruckte mit seiner sonoren Radio-Moderatoren-Stimme. Oswald Kessler weitete meinen Blick für die Mundartdichtung allgemein. Diese Aufzählung könnte noch lange weitergehen, jeder einzelne Kontakt hat bei mir Spuren hinterlassen.
Die Zukunft

Wilfried Römer und Grete Menning gehören zu jenen, die ihre Gedichte schon vor langem selbst eingelesen haben und mir diese direkt zukommen lassen konnten. Roland Widmanns Feiertagsgrüße gehen regelmäßig per WhatsApp auf Wanderschaft. Diese Beispiele zeigen: Nicht nur wer schreibt, der bleibt. Sondern auch wer spricht, verschwindet nicht.
Was die nächsten Mundartprojekte des Verbandes im Internet sein könnten, steht noch in den Sternen. Da eine gewisse Qualität, Ordnung und Einheitlichkeit angestrebt werden, damit am Ende alle Beiträge auffindbar und möglichst verständlich sind, sind gründliche Überlegungen und Zeit nötig. Trotzdem kann ich jede Autorin, jeden Autor nur dazu aufrufen, die eigenen Gedichte auch „auf Band“ aufzunehmen. Mit einem Handy ist das heute einfach, und es hält noch deutlich mehr Informationen über die Mundart fest, als ein Buch es kann, nämlich die Aussprache und die Sprachmelodie. Wen die Aufnahmen eines Tages erfreuen werden, wird sich zeigen.
Am Online-Projekt „Sachsesch Wält“ wird noch herumgefeilt, einiges muss ausgebessert oder hinzugefügt werden. Darüber hinaus ist eine Buchpublikation mit CD und/oder Verweis auf die Aufnahmen im Internet eine Option. Eine Kooperation mit Radio Siebenbürgen ist bereits in Planung.
Ein Projekt ergibt tatsächlich nicht selten ein anderes, und so war es auch hier: Angelika Meltzer konnte für die neue Mundart-Rubrik „Hegt wird gesangen!“, in der sie unzählige siebenbürgisch-sächsische Lieder präsentiert, auf die eben erst fertiggestellte Datenbank zugreifen und ihre Lieder dort einspeisen.
Der Verband macht weiter, hält fest, dokumentiert und bietet an. Er folgt dabei sehr gerne den Worten Wolfgang Binders, der die Haltung seiner Mutter Frida Binder-Radler wie folgt beschreibt: „Wenn auch nur ein Mensch etwas von ihr lesen werde und dabei Freude empfinde, hätte sie nicht umsonst geschrieben.“ Die Online-Projekte auf Siebenbuerger.de sorgen hoffentlich dafür, dass noch viel mehr Menschen Freude an den Gedichten und Liedern haben, und das noch für lange Zeit.
Dagmar Seck
Schlagwörter: Sachsesch Wält, Mundart, Siebenbuerger.de, Bundeskulturreferentin, AK Internet
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