Siebenbürgen – die Wiege eines Lebenswerks/In memoriam Jutta Pallos-Schönauer, die am 12. Januar hundert Jahre alt geworden wäre
Die bildende Künstlerin Jutta Pallos-Schönauer war tief in ihrer siebenbürgischen Heimat verwurzelt. Dies spiegelt deutlich die Retrospektive ihres Lebenswerks wider. Geboren am 12. Januar 1925 in Sächsisch-Regen als Tochter von Irene (geborene Mischinger) und Norbert Schönauer, verbrachten sie und ihr Bruder eine glückliche Kindheit vorwiegend in Mediasch, bis der Vater 1937 früh verstarb. Das Zeichnen gehörte bereits früh zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, gefördert von ihrer Mutter, die als kreative Persönlichkeit selbst gelegentlich malte.
Jutta Pallos-Schönauer, 2013Nach ihrer schulischen Ausbildung in Klausenburg und Sächsisch-Regen folgte eine bewegte Zeit, die vom Krieg geprägt war. Mit ihrer Mutter flüchtete sie bis an die deutsche Grenze Österreichs und kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Siebenbürgen zurück, wo sie 1947 Stefan Pallos heiratete. Als Maschinenbauingenieur konnte er ihr bald genügend Unterstützung für eine Weiterbildung bieten. Ab 1948 studierte Jutta Pallos-Schönauer mit Begeisterung Malerei an der neu eröffneten Staatlichen Akademie für Kunst „Ion Andreescu“ in Klausenburg (Cluj-Napoca) bei den Professoren Gábor Miklóssy und Imre Nagy. Nach ihrem Staatsexamen mit Auszeichnung unterrichtete sie bis 1956/57 an der Volkskunstakademie in Klausenburg. Anschließend entschied sie sich für eine Laufbahn als freischaffende Malerin und Grafikerin, nahm regelmäßig an Ausstellungen teil und wurde Mitglied des Künstlerverbands (UAP). In 1958 kam ihre Tochter zur Welt, der sie sich vorerst widmete. Danach folgten Jahre der künstlerischen Etablierung, die sie mit viel Fleiß und Ausdauer verfolgte, um Berufung und Familie in Einklang zu bringen. Sie nahm regelmäßig an UAP-Ausstellungen teil und organisierte eigene Ausstellungen im In- und Ausland.
Ende 1985 übersiedelte Jutta Pallos-Schönauer mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach Deutschland. In dieser neuen Umgebung setzte die Künstlerin ihre Tätigkeit als Malerin und Grafikerin fort. Trotz der geografischen Entfernung blieb Siebenbürgen eines der zentralen Themen ihres Schaffens. Ihre Werke spiegeln Landschaften, typische Bauten und die Herausforderungen der Menschen in Siebenbürgen wider – das Erbe einer Kulturlandschaft. Der Respekt gegenüber den historischen Ereignissen der letzten tausend Jahre dieses Landteils prägten ihre tiefe Verbundenheit mit der Heimat – mit der Architektur, Landschaft, Bräuchen und Traditionen. Diese Einflüsse spiegeln sich in der Ausdruckskraft, den Farben und den Inhalten ihrer Malerei wider.Jutta Pallos-Schönauer: Fingerlingstiege in Hermannstadt, Aquarell 1988, 76 x 50 cm
Jutta Pallos-Schönauer verwendete in ihrer Kunst vielfältige Maltechniken: Öl auf Leinwand, Aquarell, grafische Schwarzweiß-Techniken und farbige Pastellarbeiten. Besonders in der Ölmalerei konnte sie ihre Aussagen in großformatigen Kompositionen am besten zum Ausdruck bringen. Ihre Werke reichen von figurativen bis zu architektonischen Darstellungen. Eine nostalgische Suche nach der Heimat, indem sie alte Bauten, Kirchen, Wehrkirchen und idyllische Gassen einfängt, dabei häufig die architektonische Realität komprimiert, zur Betonung des Wesentlichen. Ihre Bilder sind meist kritische Reflexionen, die immer wieder die Frage nach Identität, Herkunft sowie Aussichten aufwerfen. In ihrer Gesamtheit bilden die Werke von Jutta Pallos-Schönauer eine Einheit zwischen fachlich-handwerklichem Können, zeitüberschreitender Thematik und eigenem Stil – wie treffend der Kunsthistoriker Günther Ott in seinem Artikel zusammengefasst hat (Siebenbürgische Zeitung, Folge 1 vom 15. Januar 2008, Seite 3): „Anders als avantgardistische Kollegen, die z.B. kubische Gebäude in knapper Linienführung bis an die Grenze der Abstraktion abbilden, blieb Jutta Pallos-Schönauer dem traditionellen Stil treu, der Linearperspektive, den durch Schattierung erzielten körperhaften Formen und der malerischen Gestaltung, mit der sie die Aura, die von den historischen Gebäuden ausgeht, vortrefflich vermittelt. Thematik und handwerkliche Verwirklichung bilden eine beispielhafte Synthese.“
Die Werke von Jutta Pallos-Schönauer fanden sowohl in ihrer alten als auch in ihrer neuen Heimat Anerkennung und wurden auf zahlreichen internationalen Ausstellungen sowie in Museen präsentiert in: Rumänien, Deutschland, Ungarn, Österreich, Schweden, Italien, Kanada und den Vereinigten Staaten – insgesamt ca. 280 Ausstellungen, davon 46 Einzelausstellungen. Jutta Pallos-Schönauer war Mitglied der UAP (Uniunea Artiștilor Plastici) in Rumänien, im „Verein der Bildenden Künstler“ in Karlsruhe, in der „Künstlergilde“ Esslingen und im „Kunstkreis“ Stuttgart-Möhringen.Jutta Pallos-Schönauer: Schäßburg, Treppenaufgang, Aquarell 1988, 56 x 76 cm
Jutta Pallos Schönauer verstarb wenige Wochen vor ihrem 96. Geburtstag am 4. Dezember 2020 in Stuttgart. Sie hat nicht nur ein bedeutsames Werk geschaffen, sondern hat die Werte Siebenbürgens in den Bildern verewigt. Im Januar 2025 wäre die geschätzte Künstlerin 100 Jahre alt geworden.
In einem Essay über die Künstlerin schreibt Georg Aescht: „Ihr Sinn erschöpft sich nicht im Detail, sondern geht ins Existentielle. Sie schwingt sich nicht an den Säulen des Symbolismus empor, sondern wirkt künstlerisch überzeugend und besonders nachhaltig, wenn das Werk als Ganzes betrachtet, wird“ (KK-Magazin, Nr. 1198).
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