3. März 2006

Zum Tode von Horst Depner: "Verordnete Katharsis"

Am 6. Februar 2006 verstarb in Freiburg nach langer und schwerer Krankheit Horst Peter Depner im Alter von 73 Jahren. Der Kronstädter, ein Opfer des Schwarze-Kirche-Prozesses, war besonders seit seinem 1998 im Südostdeutschen Kulturwerk München veröffentlichten Buch „Auch ohne Zukunft ging es weiter“ den Siebenbürger Sachsen und auch vielen anderen an zeitgeschichtlichen Details über den Stalinismus in Rumänien Interessierten gut bekannt.
Horst Depner wohnte in seiner Jugend in der mehrheitlich von Rumänen besiedelten Oberen Vorstadt. Seiner „teils bäuerlichen, teils plebejischen Herkunft“ – seine Eltern stammten aus Zeiden – war er sich recht früh bewusst. Die meisten Gleichaltrigen in der deutschen Volksschule kamen aus mehr oder minder gut situierten sächsischen bürgerlichen Kreisen, die, oft elitär und mit Standesdünkel behaftet, Andersdenkende schwer akzeptierten. Geist und Witz halfen schon dem pubertierenden Horst über vieles hinweg, auch über die materielle Not zu Hause, eigene Krankheiten und die Familienprobleme seiner getrennt lebenden Eltern. Horst stand in den Jahren vor 1944 im Sog des Nationalsozialismus. Danach lernte er schnell die Machenschaften des neuen kommunistischen Systems von innen heraus kennen, gab allerdings seine naive Begeisterung auf, zumindest als der vom ihm im Arbeiter-Kulturhaus des LKW-Werks „Steagul Rosu“ gegründete deutsche Literaturkreis in den Augen der Partei und der Securitate in Verruf geriet. Die siebenbürgisch-sächsische Gruppenidentität war ihm wichtig, auch wenn er ihr kritisch gegenüber stand. Sein Wunsch, Theologie zu studieren, blieb ein Traum. Über gleichaltrige Freunde fand er Zugang zu einem Jugendkreis um Dr. Konrad Möckel, den Kronstädter evangelischen Stadtpfarrer an der Schwarzen Kirche. Die vielen gemeinsamen Treffen waren ihm und den anderen Jugendlichen von großer Bedeutung, selbst wenn er sie rückblickend auch kritisch betrachtet, z. B. als „Diskussionsabende von Weltverbesserern“.

Horst Depner war Opfer des Schwarze-Kirche-Prozesses in Kronstadt.
Horst Depner war Opfer des Schwarze-Kirche-Prozesses in Kronstadt.
In den Monaten nach dem Ungarnaufstand von 1956 verstärkte sich der Druck besonders auf die Kreise, die sich in Rumänien dem Terrorregime der Kommunistischen Partei und der Securitate für politische Schauprozesse anboten. Horst Depner wurde, zusammen mit zahlreichen anderen Siebenbürger Sachsen, im Dezember 1957 von den Schergen der Sicherheitspolizei verhaftet und kam in die berüchtigten Zellen der Kronstädter Securitate, wurde dort monatelang verhört, psychisch und physisch gedemütigt und terrorisiert und danach ins Gefängnis nach Zeiden verlegt. Bei dem groß aufgezogenen „Schwarze-Kirche-Prozess“ saßen 20 Angeklagte, davon 14 Jugendliche, auf den Anklagebänken. Für Depner, des Hochverrats beschuldigt, und drei seiner Mithäftlinge wurde seitens des Staatsanwaltes das Todesurteil beantragt. Das Urteil lautete „lebenslänglich“. Vom Zeidner Gefängnis aus kam Depner nach Jilava nahe Bukarest. Weitere Stationen waren die Gefängnisse in Pitesti, Dej, Vacaresti und Gherla.

Die Haftzeit in menschenunwürdigsten Bedingungen führte zu chronischen Krankheiten. So wurde Depner von Wärtern solange geprügelt, bis eine seiner Nieren, funktionsunfähig, wegoperiert werden musste. Trotz schwerer Krankheit und auch immer wieder Phasen der Resignation bis hin zur Selbstaufgabe war Depner einer derjenigen, die durch seine hohe ethische und moralische Haltung sein Schicksal „nicht einstufen und schon gar nicht beweinen“ wollte. Im Bilde seiner Freunde von damals ist er derjenige, der in den zahllosen Verhören den Anklägern mutig widersprochen und dem psychischen und physischen Druck der Securitateschergen nie nachgegeben hat.

1965 wurden die meisten politischen Häftlinge – auch Depner – aufgrund einer Begnadigung entlassen. 1999 wurde auf Antrag einiger Ex-Häftlinge der Schwarze-Kirche-Prozess vom Obersten Gerichtshof in Bukarest neu aufgezogen und die entwürdigende Begnadigung in Amnestie umgewandelt.

Horst Depner heiratete Ingrid geb. May. Aus der Ehe entstammen ein Junge und zwei Mädchen. 1969 konnte er mit seiner Familie in die Bundesrepublik ausreisen. Hier war ein regelmäßiges Arbeiten für ihn nicht mehr möglich. Seine aus der Gefangenschaft stammenden Leiden prägten seinen physischen Alltag. Um so aktiver wurde er auf geistiger Ebene. Er schrieb seine Erinnerungen in mehreren Bänden nieder. Seine Freunde von nah und fern waren ihm wichtige Gesprächspartner. Leider stellte sich neben den alten Leiden eine neue chronische Krankheit ein, sie machte ihm das Gehen schwer und noch mehr, was er sehr bedauerte, das Sprechen und Kommunizieren. Geistig rege und immer hinterfragend nahm er dennoch intensiv Anteil am politischen Tagesgeschehen. Oft kamen die Gefängnisjahre ins Gespräch, wobei das Fazit seiner „Erinnerungen“ immer wieder durchklang. Der letzte Satz in seinem Buch – eine Auswahl seiner von Georg Aescht redigierten Memoiren – lautet: „Im Laufe meiner Haft war mir klar geworden, daß Schuldzuweisungen nichts brachten und man mit den Fragen bei sich selbst anfangen soll.“

Hansgeorg v. Killyen

Schlagwörter: Nachruf, Schriftsteller, Kommunismus, Kronstadt

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