14. August 2006

Innenminister Heribert Rech fühlt sich den Siebenbürgern eng verbunden

Das Land Baden-Württemberg fördert den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat in Gundelsheim, d.h. die Bibliothek mit Archiv und das Siebenbürgen-Institut, institutionell, unterstützt aber auch die Arbeit der siebenbürgischen Landsmannschaft. Auf die Öffnung der donauschwäbischen Einrichtungen hin zu den Siebenbürger Sachsen ging im folgenden Interview der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech ein. Er entstammt einer donauschwäbischen Familie und wurde am 25. April 1950 in Östringen (Kreis Karlsruhe) geboren. In Heidelberg besuchte er das Gymnasium und studierte Rechtswissenschaften. Nach dem Assessorexamen 1979 war er bis Juni 2001 als Rechtsanwalt tätig, seit 1992 ist der CDU-Politiker ununterbrochen Mitglied des Landtags in Stuttgart.
Am 13. Juni 2001 wurde Heribert Rech zum Politischen Staatssekretär im Innenministerium Baden-Württemberg berufen, am 14. Juli 2004 avancierte er zum Innenminister des Landes. Rech ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des Hauses der Heimat des Landes Baden-Württemberg, Vorsitzender des Stiftungsrates des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm und von der Regierung bestelltes Mitglied im Stiftungsrates der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg. Heribert Rech ist verwitwet und hat zwei Kinder. Das Gespräch führte Franz Csiky.

Als Staatssekretär im Innenministerium von Baden-Württemberg waren Sie auch Landesbeauftragter für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler. Als Sie 2004 zum Minister berufen wurden, haben Sie diese Aufgabe nicht abgegeben...sondern selbstverständlich – ehrenamtlich – weitergeführt... Warum?

Weil ich eine Verpflichtung einer Generation und Schicksalsgemeinschaft gegenüber empfinde, die nicht immer das adäquate Gehör in der Öffentlichkeit findet.

Spielt da Ihre Biografie eine Rolle?

Meine Eltern sind Donauschwaben, die sich nach dem Krieg hier niedergelassen haben. Ich bin 50 geboren. In meiner Kindheit, Jugend hat für mich das, was man heute „Migrationshintergrund“ nennt, überhaupt keine Rolle gespielt. Erst nach dem Tod meines Vaters ist mein Interesse an dem Schicksal seiner Generation bei mir richtig erwacht. Es gibt ja immer weniger Zeitzeugen, die über Flucht, Vertreibung, Aussiedlung berichten können. Ich habe vielen zugehört und habe z.T. verwundert aber erfreut festgestellt, dass trotz vieler Leiden, nicht die Bitterkeit, gar Hass in den Erinnerungen überwiegt, sondern ein versöhnlicher Ton dominiert. Vielleicht auch, weil man jetzt in die alte Heimat fahren, Verlust verarbeiten kann.

Innenminister Heribert Rech. Foto: Franz Csiky
Innenminister Heribert Rech. Foto: Franz Csiky
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Drang der Länder Mittelosteuropas in die EU stehen die Landsmannschaften der Deutschen aus dieser Region vor einer völlig neuen Situation. Wie würden Sie unter diesen Aspekten die Aufgaben der Landsmannschaften definieren?

Die Archive öffnen sich – und die Köpfe der Verantwortlichen. Wo bisher Konfrontation das Verhältnis definiert hat, kommt nun der Dialog, das Gespräch zu seinem Recht. Zum Dialog ganz besonders befähigt sind – wegen der Sprachkenntnisse und dem Vertrautsein mit dem Kulturkreis, der Mentalität – die Landsmannschaften. Diplomatische Begegnungen, Regierungskonferenzen sind wichtig, weil sie Rahmenbedingungen schaffen; aber den Rahmen mit Leben erfüllen, das tun vor allem die Landsmannschaften.

Baden-Württemberg ist Patenland der Donauschwaben. Andererseits leben in Baden-Württemberg nicht wenige Siebenbürger Sachsen; mit Schloss Horneck in Gundelsheim ist eine zentrale Erinnerungs-, Forschungs- und Präsentationsstelle in Baden-Württemberg beheimatet. Inwiefern sieht sich das Land, Sie als Landesbeauftragter, in der Pflicht auch den Siebenbürger Sachsen gegenüber?

Als Patenland unterhält Baden-Württemberg eine Reihe von Institutionen, die der Geschichte, der Kultur, dem Brauchtum der Donauschwaben gewidmet sind: Das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm, das Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen, die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, um nur einige zu nennen. Diese Einrichtungen arbeiten alle ohne „donauschwäbische Scheuklappen“ und unterstützen bzw. betreuen laufend auch Projekte, die Siebenbürgen betreffen: Zum Beispiel beschäftigt sich die von Eugen Christ, dem Geschäftsführer der Donauschwäbischen Kulturstiftung des Landes, herausgegebene Studie zur Perspektivsicherung der deutschen Berufstheater in Rumänien gleichwertig mit dem Temeswarer wie dem Hermannstädter Theater; die Laientheater aus beiden Landesteilen werden unterstützt. Die Tübinger Forschungsprojekte beziehen Siebenbürgen, das Altreich und die Bukowina mit ein, die Wechselausstellungen in Ulm widmen sich auch siebenbürgischen Themen. Die Deutschlehrerfortbildung in Mediasch steht allen offen; die vom Land vergebenen Schülerstipendien machen keinen Unterschied, ob jemand aus Hatzfeld oder Hetzeldorf stammt ...

Gibt es einen konzeptionellen Grund für diese Ausweitung des Interessenareals?

Die landsmannschaftliche Gliederung hat ihre Berechtigung in Faktoren wie Mundart, Traditionen, Brauchtum. Nimmt man aber die politischen Faktoren hinzu, dann unterscheiden sich die politisch geprägten Teile von Biographien der letzten drei Generationen in Temeswar oder Kronstadt kaum, bzw. weniger als zwischen Esseg, Fünfkirchen und Temeswar. Durch die Entstehung der regionalen Nationalstaaten nach dem Ersten Weltkrieg haben sich die Entwicklungslinien innerhalb der Donauschwaben geteilt. Die politischen Schicksale von Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen sind spätestens seit dem Ersten Weltkrieg weitgehend deckungsgleich. Darum ist es in meinen Augen sinnvoll, die Erforschung und Darstellung deutscher Schicksale in den letzten hundert Jahren in Rumänien nicht auseinander zu dividieren – bei allen historischen Unterschieden früherer Jahrhunderte. Auch umgekehrt: Das politische Instrumentarium, mit dem wir die Interessen der Vertriebenen und dort verbliebenen Deutschen vertreten, ist identisch, egal ob es sich um einen Siebenbürger Sachsen oder Banater Schwaben handelt.

Probe aufs Exempel: Die Haupt- und Hermannstadt der Siebenbürger Sachsen ist 2007 mit Luxemburg Europäische Kulturhauptstadt. Unterstützt das Land Baden-Württemberg irgendwelche Veranstaltungen in Hermannstadt?

Selbstverständlich: Das Museum in Ulm und unser Institut in Tübingen bereiten gerade eine Ausstellung vor, die dem deutschen Theater in Hermannstadt gewidmet ist. Die Europäische Melanchthonakademie aus Bretten möchte im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms eine Ausstellung präsentieren, die dem herausragenden Humanisten und Weggefährten Luthers und seinen siebenbürgischen Kontakten gewidmet ist. Derzeit wird geprüft, ob das Land die Ausstellung über seine Donauschwäbische Kulturstiftung fördern kann. Zwei Monate nach Ausstellungseröffnung soll in Hermannstadt ein wissenschaftliches Symposium zum gleichen Thema stattfinden. Im Sommer 2007 organisiert die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes eine Sommerakademie im siebenbürgischen Mediasch zu Fragen der Theaterrezeption und Theaterpädagogik – offen für Teilnehmer aus allen Landesteilen. Dies sind nur einige Beispiele – ein weiteres ist der traditionelle Schülerwettbewerb des Hauses der Heimat in Stuttgart zum Thema „Die Deutschen und ihre Nachbarn im Osten“. Es soll – wenn das rumänische Unterrichtsministerium zustimmt – den Beziehungen zwischen Deutschen und Rumänen gewidmet sein.

Als Landesbeauftragter haben Sie immer wieder Kontakt zu Vertretern der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Baden-Württemberg. Wie ist die Zusammenarbeit?

Aus meiner Sicht ausgezeichnet: Jedes Treffen ist für mich nicht nur ergebnisorientiert, sondern auch menschlich eine Bereicherung. Ob z.B. Herr Alfred Mrass, Frau Dr. Irmgard Sedler oder Frau Karin Servatius-Speck – jedes Mal bin ich von der Fachkompetenz und dem Engagement dieser und vieler anderer ehrenamtlich tätigen Persönlichkeiten beeindruckt. Die Landsmannschaften haben ja im politischen Leben kein durch den Wähler legitimiertes Mandat. Sie wirken durch die Überzeugungskraft ihrer Repräsentanten. Und da sind die Siebenbürger Sachsen in Baden-Württemberg gut aufgestellt.

Sie waren 2003 beim 50. Gründungsjubiläum des Deutschen Staatstheaters Temeswar im Banat. Haben Sie auch schon mal Siebenbürgen besucht?

Wenn auch donauschwäbischer Abstammung, war ich trotzdem zuerst in Siebenbürgen: 2002 habe ich z.B. Hermannstadt und Schäßburg besucht und war tief beeindruckt von dem historischen Ambiente dieser alten Städte – aber auch von dem Aufbruch- und Gestaltungswillen, den ich verspürte. Ich freue mich schon jetzt auf eine Rumänien-Rundreise nach Siebenbürgen und ins Banat im Spätherbst dieses Jahres.

Herr Minister, wir danken für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2006, Seite 1 und 3)

Schlagwörter: Politik, Siebenbürgen-Institut, Siebenbürgische Bibliothek

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