20. April 2008

Paul Niedermaier: Studien zur Siedlungs- und Baugeschichte Siebenbürgens

Der hier angezeigte voluminöse Band „Städte, Dörfer, Baudenkmäler. Studien zur Siedlungs- und Baugeschichte Siebenbürgens“ erscheint als Festgabe zum 70. Geburtstag von Dr. Paul Niedermaier. Sein umfassendes wissenschaftliches Werk und sein Wirken als Leiter von wissenschaftlichen Gremien wird einleitend seitens des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, dem Institut für vergleichende Städtegeschichte Münster/Westfalen und der Belgischen Akademie der Wissenschaften gewürdigt.
Niedermaier studierte am Bukarester Institut für Architektur „Ion Mincu“ und promovierte mit einer Dissertation über den siebenbürgischen Städtebau im Mittelalter. Er hat nicht seinen Beruf als Architekt ausgeübt, sondern sich der Forschung gewidmet und zahlreiche Studien zur Siedlungsgeschichte, der Geschichte des Städtebaus, der Architektur und der historischen Demographie veröffentlicht. Nach Abschluss des Hochschulstudiums war er von 1963 bis 1971 Mitarbeiter des Brukenthalmuseums in Hermannstadt, wobei er sich vor allem für den Ausbau des Freilichtmuseums im „Jungen Wald“ einsetzte. Dann wechselte er in die akademische Forschung des Instituts für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Hermannstadt, dessen Leitung er 1994 übernahm und auch heute noch innehat.

Prof. Dr. Paul Niedermaier, Direktor des ...
Prof. Dr. Paul Niedermaier, Direktor des Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften der Rumänischen Akademie in Hermannstadt, in seinem Büro.
Zahlreiche Ehrungen wurden Paul Niedermaier zuteil. Im Jahr 2001 wurde er Korrespondierendes Mitglied der Rumänischen Akademie. Er ist Vorsitzender der rumänischen Kommission für Städtegeschichte und gehört auch der Internationalen Städtegeschichtskommission an. Seit 1999 ist er ordentlicher Professor der Geschichtsfakultät „Lucian-Blaga“-Universität in Hermannstadt. Die Landsmannschaften der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Österreich verliehen ihm 2007 den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis.

Bei der Fülle der Daten, die der vorliegende Band bietet, kann auf den Inhalt nicht detailliert eingegangen werden. Es handelt sich um Beiträge, die der Jubilar im Laufe der Zeit veröffentlicht hat und die nun hier vereint werden. Die Aufsätze werden in vier Hauptgebiete gegliedert: Siedlungsgeschichte, Demographie, Baugeschichte sowie Bergbau und Bergwerkorte in Siebenbürgen.

Bei der Erforschung der Siedlungsgeschichte wendet der Verfasser neue Methoden an, indem er aus dem Parzellengefüge der Siedlungen und den Zehntabgaben an die katholische Kirche Rückschlüsse auf die Größe der Ortschaften zieht. So hat er für 22 sächsische Ortschaften der ehemaligen Sieben Stühle in Südsiebenbürgen Skizzen mit dem ursprünglichen Dorfkern und seinen Hofparzellen angefertigt. Daraus ergibt sch beispielsweise eine ursprüngliche, durchschnittliche Gemeindegröße von 17 Höfen: Der kleinste Kern (die Siedlung Werd) umfasste wahrscheinlich nur acht, die größte Ortschaft (Heltau) jedoch 54 Höfe. Für 153 sächsische Ortschaften konnte die ungefähre Anzahl der Familien in den ersten Jahrhunderten nach der Ansiedlung errechnet werden. Die Zahl der ersten um 1150 in Südsiebenbürgen von Broos bis Großschenk ansässig gewordenen deutschen Kolonisten dürfte etwa 1 400 Familien ausgemacht haben. Durch weitere Ansiedlungen um Mühlbach, Reps, Schäßburg, Mediasch, in Nordsiebenbürgern und im Burzenland und in Bergwerkorten dürfte die Zahl der eingewanderten deutschen Familien auf 3 000 angewachsen sein. Bereits 1224, als der Andreanische Freibrief ausgestellt wurde, dürften in Südsiebenbürgen 4 000-6 000 Familien, im Burzenland und in Nordsiebenbürgen nochmals 1 000-2 000 Familien, also insgesamt 5 000-6 000 Familien gelebt haben. Für eine Familie kann eine Größe von 4,5 Personen angesetzt werden. Niedermaier untersucht in seinen Aufsätzen die weitere Bevölkerungsentwicklung in Stadt und Land. In der demographischen Entwicklung werden vor allem im Mittelalter starke Rückschläge verzeichnet, durch Agrarkrisen, Pestepidemien und die Türkeneinfälle.

Eine besondere Beachtung findet die Entstehung und Entwicklung der Städte und der Städtebau bis ins 19. Jahrhundert, wobei der Verfasser einerseits das Grundrissgefüge und dann den Baubestand (Bürgerhäuser, Gemeinschaftshäuser, Befestigungstürme) rekonstruiert.

Am Beispiel der Sakralbauten tritt die Multikonfessionalität Siebenbürgens in Erscheinung. Niedermaier beschäftigt sich zwar hauptsächlich mit dem romanischen, frühgotischen, gotischen und barocken Kirchenbau der Siebenbürger Sachsen als Ableger der westeuropäische Architekturentwicklung, weist aber durch die Beschreibung der Heiligen Dreifaltigkeitskathedrale in Hermannstadt auf die orthodoxe-byzantinische Baukunst des Landes und durch die Synagoge auf die Präsenz von Juden in Hermannstadt hin. Zu den Städte- und Kirchenbauten hat Niedermaier suggestive Zeichnungen angefertigt, die außer den Grundrissen einerseits die Entwicklungsetappen und zweitens die kennzeichnenden Bau- und Kunstelemente verdeutlichen. Sie heben sich positiv von den unscharfen Fotoreproduktionen ab.

Niedermaier hat sich sodann eingehend mit dem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Montanwesen und den Bergbauorten beschäftigt. Die Bergbauorte befanden sich zwar außerhalb des Königsbodens, wurden aber ebenfalls hauptsächlich von deutschen „Hospites“ (Gästen), wie die angesiedelten, deutschen Bergbauleute in Urkunden genannt wurden, gegründet und betrieben. Das waren Ortschafte, in denen Salz gefördert wurde oder die sich mit dessen Transport beschäftigten – Deesch, Salzdorf (Ocna Dejului), Salzburg, Winz-Burgberg, Kloosmarkt (Cojocna), Seck (Sic), Thorenburg (Turda). Bergwerksiedlungen, in denen Edelmetall, Eisenerz, aber auch Quecksilber und Kupfer gefördert wurden, waren Rodenau (Rodna) in Nordsiebenbürgen, Großschlatten (Abrud), Kleinschlatten (Zlatna), Offenburg (Baia de Arieș), Eisenburg (Rimetea) in dem Westgebirge, Frauenbach (Baia Mare), Mittelberg (Baia Spriei) u. a. in Marmatien (Maramuresch). Die meisten dieser Ortschaften haben sich zu Städten entwickelt und erfreuten sich eines Bergbaustatus. Vorliegende Veröffentlichung ist zu begrüßen, weil man nun die in verschiedenen Publikationen erschienenen Forschungsbeiträge in einem Band zur Hand hat.

Michael Kroner

Paul Niedermaier: Städte, Dörfer, Baudenkmäler. Studien zur Siedlungs- und Baugeschichte Siebenbürgens. Als Festgabe zum 70. Geburtstag herausgegeben vom Vorstand des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (= Studia Transylvanica, Band 36), Böhlau Verlag Köln, Weimar, Wien 2008, 470 Seiten, Preis: 49,90 Euro, ISBN 978-3-412-20047-3.

Schlagwörter: Rezension, Geschichte

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