24. Mai 2008

Katharina-Zipser-Ausstellung in Dinkelsbühl

Eine der Attraktionen des Kulturprogramms des Heimattages war eine Ausstellung der Malerin und Zeichnerin Katharina Zipser, die in Dinkelsbühl mit dem Sieben­bürgisch-Sächsischen Kul­turpreis 2008 ausgezeichnet worden ist (diese Zeitung berichtete). Gemälde und Zeichnungen der 1931 in Hermannstadt geborenen Künstlerin hat das Siebenbürgische Museum Gundelsheim bis Ende März diesen Jahres präsentiert. In die nun im Ausstellungsgewölbe ge­zeigte Werkschau führte am Pfingstsamstag Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster ein, der eingangs seines Vortrags erklärte, dass die Gundelsheimer Ausstellung nach Dinkels­bühl übernommen und um einige frühere Arbeiten ergänzt worden sei. Schusters Einführung wird im Folgenden gekürzt wiedergegeben.
(...) Es mag noch weitere Zufälle rund um diese Ausstellung geben – u. a. jenen, dass in der eben erschienenen Folge 1, 2008, der Kulturzeit­schrift „Spiegelungen“ von dem Schriftsteller Die­ter Schlesak eine regelrechte Hommage an Ka­tha­rina Zipser veröffentlicht ist. Kein Zufall al­ler­dings ist, dass der Siebenbürgisch-Sächsi­sche Kulturpreis Katharina Zipser zuerkannt wur­de: Sie hat ihn verdient, sie ist eine würdige Preisträgerin. Und das hoffen wir Ihnen mit dieser Ausstellung auch bewusst zu machen (...).

Die Ausstellung hat nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein oder gar eine Retrospek­tive. Dafür fehlen ganze Bereiche von Katharina Zipsers Schaffen. Einerseits ihre Plastiken und andererseits ihre Wandmalereien, Freskos. Letztere, nicht nur die fünf Stockwerke hohe monumentale Arbeit im Lichthof der Badenia Bausparkasse in Karlsruhe, oder die Außen­fresken am „Lügenmuseum“ in Gantikow bei Berlin hätte man ja auch schwerlich hierher bringen können. Die Ausstellung wirft nur Streif­lichter auf KATHs Œuvre, ist ein Streifzug ... . Und ganz sicher ist die Ausstellung nicht „aus einem Guss“. Wie auch? Schließlich geht es um ein Werk, das in bald 60 Jahren entstanden ist, das zum Teil in Rumänien und zum Teil – ab 1970 – in Deutschland entstanden ist. Wir sehen recht Unterschiedliches, in Format und Material wie auch in Technik und Inhalt, wobei manch einer die extremsten Gegensätze zwischen den Ikonen und den Aktzeichnungen sehen mag. Solche Gegensätze gehören zur Kunst von Katharina Zipser, und genauso zur Person. Es sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille – nur dass man nicht mal Kopf, mal Zahl sieht: Bei KATH steht die Münze oft hochkant, so dass beide Seiten gleichzeitig zu sehen sind: z. B. sowohl das Kosmopolitische wie das „Provinzielle“, das Verhaftetsein im Siebenbür­gischen; sowohl das Ausschweifende eines Bohémiens wie die Bedürfnislosigkeit eines Asketen, sowohl die Besessenheit des Mittendrin­stehenden, wie die Blasiertheit des Darüber­stehenden. Und das alles gibt Werk wie Person eine besondere Note, macht es einzigartig, macht es zum Unikat – zur Uni-KATH.
Katharina Zipser neben ihrem Bild "Parastas" ...
Katharina Zipser neben ihrem Bild "Parastas" (Selbstporträt). Foto: Hans-Werner Schuster
Ob es ein Gen für Kunst gibt? Die Frage drängt sich unwillkürlich auf, wenn man weiß, dass Katharina Zipser 1931 in Hermannstadt als Tochter des Malers Dolf Hienz zur Welt kam, dass Susi Fabritius, besser bekannt als Juliana Fabritius-Dancu, ihre Kusine war, und dass ihre Tochter Pomona Zipser Bildhauerin ist, wobei Katharinas erster Gatte, Paul Zipser, Bildhauer war und der zweite, Ion Lăzeanu, Maler.

Mit „Katharina Hienz“ ist übrigens das älteste Bild dieser Ausstellung signiert – 1949, noch vor ihrer akademischen Ausbildung (1950-1957) in Klausenburg und Bukarest. Für eine frühe Schaffensphase stehen die folgenden drei Ikonen. Sie entstanden zwar in Deutschland. Aber schon 1966 hatte KATH das Diplom für Kirchen- und Ikonenmalerei der Patriarchie Bukarest erhalten – als einzige Deutsche, Protestantin und Frau. Diesen Schritt vom sozialistischen Realismus zum Symbolisch-Narrativen der Kirchenmalerei bezeichnet KATH in einem Gespräch mit Günther Ott als „passive Resistenz“. (...)

Die der Ikonenmalerei verpflichtete „traditionelle“ Technik der Tafelmalerei mit Eitempera finden wir auch auf den folgenden Bildern und noch bis in die 80er Jahre hinein; allerdings einem anderen geistigen Hintergrund verpflichtet. Seit den 70er Jahren in Deutschland lebend, kann sie sich intensiv mit den in Rumänien kaum bekannten Kunstströmungen auseinandersetzen. Und sie findet einen eigenen Weg, Gegenständliches darzustellen, ohne im Realis­mus stecken zu bleiben. Die ästhetische Wir­kung dieser Bilder beruht – wie Marius Tataru wohl zu recht betont – „auf dem starken Kontrast zwischen den meist penibel genau dargestellten menschlichen Figuren und einem Raum ohne Tiefe, ohne Dimensionen, außerhalb der messbaren Zeit“. Ich will nicht so sehr auf die malerische Virtuosität hinweisen – betrachten Sie mal die Vase in „Parastas“ – sondern darauf, dass schon in dieser Phase die Anfänge jener „Farbstudien“ zu lokalisieren sind, die für das Spätwerk von Katharina Zipser so typisch sind – insbesondere im Hintergrund von „Pomona als Philipp“ ist das festzustellen. Bei diesem Bild fällt auch noch das Androgyne auf (...).
„Der steinerne Gast“, 1997, Dispersion, Textil, ...
„Der steinerne Gast“, 1997, Dispersion, Textil, Erde auf Karton, 84 x 85 cm. Dieses Bild hat die Kulturpreisträgerin Katharina Zipser dem Siebenbürgischen Museum Gundelsheim ge­schenkt.Foto: Marius J. Tataru
Noch weiter entfernt sich KATH in den 80er Jahren vom sachlich Definierbaren. Man er­kennt nach wie vor Inhalte, „versteht“ sie aber nicht, und wird durch die mythisch-orakelhaften Titel eher in die Irre geleitet. Denn manch eines dieser von Bedeutung triefenden Werke entpuppt sich als Landschaftsbild, Landschaft die früher auch da war, aber aperspektivisch dargestellt bzw. komponiert wurde. Die meisten Werke dieser Epoche sind Metaphern, Bausteine für eine Phantasiewelt, in denen das Gewöhn­liche und Alltägliche die Würde des Besonderen und Neuen erhält.

In ihrer letzten Schaffensphase nähert sich Katharina Zipser der Abstraktion. Aber egal ob es ihre Sterne- oder die Flügelflagel-Serie ist, auch sie bewahren einen Rest Gegenständlich­keit: Einen Engel so wie noch im „Parastas“ sehen wir nicht mehr, aber immerhin ist noch ein Flügel zu erahnen, ein Flügel, der in den ge­lungensten Versionen wie „Großer weißer Flügelflagel“ so leicht, licht und schwebend Prä­senz zeigt, dass ich es nur mit Dieter Schlesak benennen kann: „flügelflagelhaft“. Und dann gibt es noch die Zeichnungen – vor allem Blei­stift und Kreide. Es sind Portraits und Akt­skiz­zen. Auch sie – „flügelflagelhaft“: leicht licht, mit angehaltenem Atem schwebend. (...) Be­trach­tet man sie, hat man ein leichtes Capriccio im Ohr und Poesie im Sinn. Nach diesem kurzen Rundgang will ich noch einmal zu der Gegen­sätzlichkeit in Katharina Zipsers Werk zurückkehren. Es scheint so, dass sie und die daraus resultierende Spannung emaniert, dass sie insbesondere feinnervige und sensible Künstler an­regt und befruchtet. (... ) Und damit überlasse ich Sie, meine Damen und Herren, den Bil­dern. Gehen Sie auf Entdeckung!

Hinweis

Als Teil der Ausstellung in Dinkelsbühl war das Künstler­portrait „KATH. Bildnis ei­ner Künstlerin“ von Günter Czer­netzky zu se­hen (DVD, 45 Minuten, zum Preis von 20 Eu­ro zu bestellen beim Verband der Sie­ben­bürger Sachsen in Deutschland, Karlstraße 100, 80335 München, Telefon: (0 89) 23 66 09 12, Fax: (0 89) 23 66 09 15, E-Mail: verband [ät] siebenbuerger.de).

Schlagwörter: Zipser, Heimattag 2008, Dinkelsbühl, Kunst

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