24. Mai 2009

Frauenakte im Münchener Gesprächskreis über Kunst

Die dritte Zusammenkunft des Münchener Gesprächskreises über Kunst vereinte am 6. Mai im Haus des Deutschen Ostens wieder zahlreiche Kunstfreunde und Kunstinteressierte. Als Thema hatte Dr. Claus Stephani, Vortragender und Moderator, diesmal ausgewählt: „Der Frauenakt. Symbol, Stellung, Aussage“. Einführende Worte sprach Heidemarie Weber, Vorsitzende der Kreisgruppe München, die auch die Anwesenden seitens des Landesverbandes begrüßte.
Mit rund 50 Bildbeispielen, die auf eine große Wand projiziert wurden, zeigte der siebenbürgische Kunsthistoriker Dr. Claus Stephani die vielfältige Spannweite einer Thematik, die sich über Jahrtausende hinweg verfolgen lässt. So begann die Darstellung mit der vermutlich ältesten Skulptur der Menschheit, der Venus von Willendorf, aus einer Zeitspanne von 40 000 bis 8 000 Jahren vor unserer Zeitrechnung, und endete mit großen Schritten schließlich im 20. Jahrhundert beim siebenbürgischen Maler und Zeichner Hermann Morres und dem weltbekannten belgischen Surrealisten René Magritte.
Hans Hermann: Mädchen am Meer (Öl) ...
Hans Hermann: Mädchen am Meer (Öl)
Interessant war, dass zwischen Morres’ sitzendem Frauenakt „Punschi“ und Magrittes Frauenakt „Traum“ Ähnlichkeiten in Gestaltung und Aussage zu erkennen sind, obwohl diese Kunstwerke zu verschiedenen Zeiten entstanden und die beiden Künstler sich nicht gekannt haben.
Helmut Stuermer: Akt (Tusche) ...
Helmut Stuermer: Akt (Tusche)
Wie bei den vorherigen Abenden des Gesprächskreises stellte Stephani Werke unterschiedlicher Epochen und Stilrichtungen gegenüber, von der Renaissance bis zum Expressionismus und der Gegenwart, wobei er immer wieder symbolhafte Grundformen und formale Gemeinsamkeiten feststellte. Und das obwohl zwischen Tizians „Venus von Urbino“ oder der „Venus in einer Landschaft schreitend“ von Lucas Cranach d. Ä. und den Frauenakten der Impressionisten und Expressionisten, wie zum Beispiel jenen von Henri Matisse oder Pierre Auguste Renoir oder von Franz Marc und vom Siebenbürger Walter Widmann gestalterisch gesehen „Welten“ liegen.

Diese „Welten“ versuchte der Vortragende durch kunstgeschichtliche Interpretationen und Kommentare zu überbücken, und so brachte er immer wieder auch schöne Aktbeispiele aus Siebenbürgen – Werke von Hans Mattis-Teutsch, Hans Hermann, Hermann Morres, Helmut Stürmer, Henriette Bielz, Sieglinde Bottesch u. a. Von Henriette Bielz, der leider in Vergessenheit geratenen Hermannstädter Grafikerin des Jugendstils, konnte man die Radierung „Mädchen am Baum“ sehen – eine ins Mythische reichende Komposition.
Hans Mattis-Teutsch: Frauenakte (Tusche) ...
Hans Mattis-Teutsch: Frauenakte (Tusche)
Und von der ebenfalls aus Hermannstadt stammenden, nun in Ingolstadt lebenden Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin Sieglinde Bottesch zeigte Stephani die vieldiskutierte Arbeit „Artemis“: ein Zwiebelkranz aus Gips und Wachs, der eine neue kreative Deutung der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Artemis darstellen soll, eine originelle Replik der vielbrüstigen Artemis-Figur, die in Ephesus gefunden wurde.

Lebhaft und kunstinteressiert gestalteten sich diesmal die anschließenden Gespräche, wobei auch unter anderem auf die Bedeutsamkeit der Beziehungen siebenbürgischer Künstler zu München und zu anderen europäischen Kunstmetropolen hingewiesen wurde.
Hans Hermann: Weiblicher Akt. Die Geste ...
Hans Hermann: Weiblicher Akt. Die Geste (Zeichnung)
Nach einer Sommerpause will sich der Gesprächskreis im Herbst wieder treffen. Auf dem Programm stehen dann Themen wie „Siebenbürgische Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts“ (wie z. B., außer der bereits genannten, Anna Dörschlag, Helene Graf, Trude Schulerrus, Trude Vandory, Margarete Depner, Grete Csaki-Copony, Adelheid Goosch u. a.), „Bildnisse siebenbürgischer Menschen“ und „Die siebenbürgische Avantgarde“, die ebenfalls am Beispiel von bedeutenden Kunstwerken erläutert werden.

M. M.

Schlagwörter: München, Kunst, Kunstkreis

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