28. Dezember 2009
Helmut Sadlers Kantate „Lebens-Stufen“ uraufgeführt
„Was ist der Mensch denn?“ Mit dieser existenziellen Frage beginnt Helmut Sadlers Kantate „Lebens-Stufen“, die am Ewigkeitssonntag in der evangelischen Kirche Bammental uraufgeführt wurde. Die uralte Frage nach dem Sinn menschlichen Daseins war auch das übergeordnete Motto einer Geistlichen Abendmusik, die mit Bibelworten und Kompositionen von Sweelinck, Pachelbel, Purcell und Bach den stimmigen Rahmen für die Kerndarbietung des Abends boten: Sadlers Kantate für gemischten Chor und Streicher nach einem Text von dessen Großonkel, des Streitforter Dorfpoeten Johann Maurer (1860-1940).
Damit kehrt der bald 90-jährige Heidelberger Komponist zu den Wurzeln seiner eigenen Lebensstufen zurück, denn Sadler wurde 1921 im siebenbürgischen Streitfort in einer alteingesessenen Kantorenfamilie geboren. Die eindringlichen Worte des Onkels, der mit der Erfahrung des Alters über die „Lebens-Stufen“ eines Menschenlebens sinnierte, hatten schon den Knaben beeindruckt. Es war die einfache Sprache, die starken Bilder, der tiefgründige Sinn, garniert mit feinem Humor, die nun Helmut Sadler bewogen, diese Verse zu vertonen und damit dem Onkel und seiner siebenbürgischen Herkunft eine Reverenz zu erweisen. In Zehnersprüngen werden die Lebensjahre aus der Perspektive eines heranreifenden Mannes betrachtet, beginnend mit dem spielenden Kinde und seinen von Gott gegebenen Talenten, über den wissensdurstigen Jüngling mit seinen ersten Lebens- und Liebeserfahrungen hin zum Manne im Vollbesitz der Kräfte, wo nach und nach „Vernunft auf Weisheit trifft“ und der mit Gottvertrauen in die Zukunft blickt. Es folgen die Lebensfreuden des 40- und 50-Jährigen „weiter, weiter, auf der Lebensleiter“, das Ernten der Lebensfrüchte des 60/70-Jährigen und der einsetzende Rückblick auf das Lebenswerk (80), der Dank an den Schöpfer und die Bitte an den Herrn um eine seelige Abschiedsstunde (90) und schließlich der Ausblick auf das Himmelreich, wo man den Sänger vielleicht mit 100 suchen und finden dürfte. Dass Sadler hier nicht einfach einen Text vertont, sondern für eigenes Erleben einen tiefempfundenen Ausdruck findet, ist jedem Abschnitt der Komposition anzuhören.
Für alle Bilder des Onkels findet Sadler eine adäquate musikalische Darstellung. Dabei erlebt seine musikalische Sprache nun im Alter jene Klärung hin zu einfachster Reinheit, die etwa ein aufgewühlter Gebirgsbach aufweist, wenn er lange über steinigen Boden läuft und dabei an kristalliner Klarheit zunehmend gewinnt. Rückkehr zu den Wurzeln auch im musikalischen Bereich. Das kann auch mit humorigen Andeutungen geschehen, wenn es beispielsweise im Text heißt: „Mit Neunzig – wieder ein Kind“ und Sadler dabei eine Kindermelodie wieder aufgreift, die bereits auf der ersten Lebensstufe als eingeblendetes Klangzitat aufscheint. Zu der Transparenz des Werkes trägt auch die dezente Besetzung bei, denn hier tritt zu dem gemischten Chor (für drei Frauenstimmen und eine Männerstimme!) nur ein unaufdringlich agierendes Streichorchester hinzu. Hier zeigt sich wieder Sadlers Meisterschaft, mit einfachen Mitteln überzeugende Wirkung zu erzielen. Dazu trug auch der gut disponierte evangelische Kirchenchor unter seinem Leiter Peter Mössle bei, begleitet von der einfühlsam mitgehenden Streichergruppe „Pro musica sacra“. Mit langanhaltendem und stehendem Applaus dankte ein äußerst zahlreiches Publikum für diesen musikalisch bereichernden Abend. Ob Sadler damit seinen eigenen „Schwanengesang“ geschrieben hat? Er werde wohl nicht mehr viel komponieren, so der bedächtige Kommentar des Komponisten. Doch bei der Rüstigkeit des bald 90-Jährigen wünscht man ihm und sich noch weitere Werke aus seiner Feder.
Prof. Heinz Acker
Schlagwörter: Musik, Konzert, Kirche
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