8. Februar 2010

Siebenbürgisch-sächsisches Kunsthandwerk in Bad Wimpfen ausgestellt

Es kommt wohl eher selten vor, dass eine deutsche Stadt ohne äußere Veranlassung, sich eine sächsische Ausstellung zulegt und sie noch dazu in der städtischen Galerie zeigt, ihrem Schaufenster. Bad Wimpfen macht da eine Ausnahme. Seit dem 30. Januar und bis zum 25. April ist im Erdgeschoss des alten Spitals, in den Räumen der Stadtgalerie (im Obergeschoss befindet sich das Reichstädtische Museum) eine Ausstellung mit sächsischem Kunsthandwerk zu sehen.
Unter dem Titel „Schön das Haus und recht der Sinn…“ können die Besucher der an touristischem Angebot nicht gerade armen ehemaligen Staufferpfalz nun auch ausgewählte Einrichtungsgegenstände einer sächsischen Guten Stube (Vederstuf) bewundern: das Hohe Bett, den Rumpftisch mit der Bibel darauf, kostbare Zierkeramik, Fotos an der Wand, den gestickten Spruch über der Tür. Dazu Mobiliar, das nur angedeutet ist: blaue und grüne Kacheln in einer Tischvitrine als Hinweis auf den (fehlenden) Kachelofen.

Im Eingangsbereich der Galerie steht als Blickfang ein bunt bemaltes Türblatt (Meeburg, 19. Jahrhundert) und in einer Wandvitrine Gegenstände, die auf den ersten Blick nicht (alle) in die Vederstuf gehören, aber mittelbar auf weitere Funktionen dieses Repräsentationsraumes aufmerksam machen: eine Nachbarschaftslade (Leschkirch, 1835), die Nachbarschaftsprotokolle der Untergässer Nachbarschaft in Schäßburg (1826), Nachbarschafts-, aber auch Viehbrandzeichen – in der Guten Stube wurden die Richttage der Nachbarschaft abgehalten, deren Aufgaben vielfältig waren: von der Beerdigung der Toten bis zur Pflege der Hutweide und der Bestellung des Viehhüters.

Claus Brechter, Bürgermeister der Stadt Wimpfen, ...
Claus Brechter, Bürgermeister der Stadt Wimpfen, schätzt die Ausstellung sächsischer Wohnkultur in der städtischen Galerie als kostbares Zeugnis europäischer Integration. Foto: Werner Sedler
Beeindruckend der Nachbarschaftszettel aus Neithausen (1990) – er lädt in ungelenker Schrift zu einer Versammlung ein – wohl eine der letzten in diesem Ort, wie Dr. Irmgard Sedler, die Vorsitzende des Siebenbürgischen Museumsvereins in Gundelsheim, bei der Vernissage bemerkte. Ihr ist die Wimpfener Ausstellung zu verdanken, die sie in größerem Umfang zusammen mit Marius Tătaru für das Kulturhauptstadtjahr 2007 in Hermannstadt konzipiert hatte. Davon zeugen auch die Textbahnen (Banner), die zweisprachig – rumänisch und deutsch – rumänische und sächsische Wohnkultur in Siebenbürgen gegenüberstellen.

Der Bürgermeister von Bad Wimpfen, Claus Brechter, der das Wort Hermannstadt so geläufig benützt, als wäre er selbst Hermannstädter, schätzt deshalb diese im heutigen Deutschland wohl eher antiquiert anmutende Volkskunst und die in ihr aufgehobene Siedlungskultur als ein europäisches Kleinod, das in der globalisiert uniformierten Welt etwas Besonderes darstellt. Er erinnert an die Partnerstadt Ödenburg in Ungarn (Sopron), wo die Menschen zu ihrer Volkskultur auch noch ein ungebrochenes Verhältnis haben, anders als in Deutschland. Und er schätzt es ganz besonders, dass die Siebenbürger Sachsen in Deutschland intensive Beziehungen zu ihrem Heimatland und ihren dort lebenden Landsleuten pflegen und also beispielhaft für die europäische Integration wirken.

CDU-Landrat Dr. med. Bernhard Lassotta, ...
CDU-Landrat Dr. med. Bernhard Lassotta, Vorsitzender des Fördervereins des Siebenbürgischen Museums, bei der Eröffnung der Ausstellung in Bad Wimpfen. Foto: Werner Sedler
Die Brücke von Siebenbürgen nach Bad Wimpfen baute Frau Sedler sozusagen selbst – sie ist Mitglied im Bad Wimpfener Galeriebeirat. Und in dieser Eigenschaft konnte sie die Entscheidungsträger einer an musealen Schätzen überreichen Stadt von „ihren“, den siebenbürgischen Schätzen, überzeugen. Dass sie das kann, bezeugte auch der CDU-Landrat Dr. med. Bernhard Lassotta, bis 2009 erster stellvertretender Bürgermeister von Bad Wimpfen. Die Freude der Museologin an der Siebenbürgen-Forschung und die Begeisterung dafür haben ihn selbst angesteckt – Lasotta leitet seit Jahren den Förderverein des Siebenbürgischen Museums.

Wer immer von uns Siebenbürger Sachsen die Ausstellung in Bad Wimpfen (oder das Museum in Gundelsheim) besucht, wird sich als Experte fühlen und Bestätigung für die eigene Erfahrung suchen. Wir kennen schließlich das sächsische Bauernhaus, weil wir es entweder selbst bewohnt oder irgendwo besucht haben. Rasch befallen uns Zweifel an der Wimpfener Vederstuf: Hing ein Lutherbild über dem Tisch? War das Hohe Bett nicht höher? Die Tischdecke hat eine neue Häkelspitze – ist sie denn echt? Freilich darf man eine museale Ausstellung nicht mit einer Heimatstube verwechseln. In der Heimatstube wird alles so arrangiert, wie wir uns die sächsische Stube in ihrem Idealzustand vorstellen. Alles passt zueinander und ist prächtig. Wenn wir aber ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir diese ideale Einrichtung auch nur aus Heimatstuben kennen, dass bei uns zu Hause die rotgewebte, schon etwas verwaschene Tischdecke vielleicht noch den Tisch auf der Veranda bedecken durfte, während im Vorderzimmer bereits ein lackierter Industrietisch mit einem Makrameedeckchen geschmückt in der Zimmermitte prangte. Später, in der postmodernen Phase, mag die alte Tischdecke mit erneuertem Spitzenrand wieder einen Ehrenplatz unter den Tischdecken eingenommen haben. Deshalb ist auch sie genauso echt, wie das nur mäßig hohe Hohe Bett, das aber in Stolzenburg, wie dokumentiert ist, um die Mitte des 19. Jahrhunderts genau so üblich war. Das Typische ist eben nicht immer auch das Authentische. Ein Foto über dem Bett zeigt eine andernorts unübliche Neppendorfer Variante des Prunkbettes.
Blick in die Gute Stube, links das Hohe Bett, ...
Blick in die Gute Stube, links das Hohe Bett, rechts die Wirtschaftsecke mit Almerei, Krügelrahmen, Truhe und Brotschaff. Foto: Werner Sedler
Überhaupt die alten Fotos: Auf einem ist ein Ehepaar mit dem erwachsenen Sohn zu sehen – der Vater trägt weiße enge Wollhosen und das Hemd – mit breitem Gürtel über dem Bauch zusammengeschnürt – über der Hose. Da es sich offensichtlich nicht um eine rumänische Familie handelt, bleibt uns nur eine Erklärung: Die Rumänen haben ihre Cioareci von den Sachsen übernommen. Falsch, sagt Frau Sedler. Beide Völker haben sich an der ungarischen Hosenmode orientiert, die rumänische Volkstracht hat die weißen Wollhosen nur länger aufbewahrt als die sächsische. Nichts sei einfach zu erklären, alle Gewissheiten müssten hinterfragt und geprüft werden, wolle man wissenschaftlich arbeiten. Und weil eine museale Ausstellung im Unterschied zur Heimatstube diesen Anspruch hat, wird sie Brüche aufzeigen, auch anscheinend Unpassendes zusammen fügen.
Kunstvoll ausgenähter Wandspruch von 1912: ...
Kunstvoll ausgenähter Wandspruch von 1912: Nordsiebenbürgen. Foto: Werner Sedler
Und das Lutherbild? Wer im kommunistischen Rumänien gelebt hat, kann damit wenig anfangen, aber unsere Großeltern haben unter Lutherporträts nicht nur im Konfirmandenunterricht, sondern auch zu Hause gesessen. Evangelische Frömmigkeit gehörte selbstverständlich zur älteren sächsischen Lebensordnung, wie es der ebenfalls aus der Mode gekommene Spruch, dessen Anfang die Ausstellung zitiert, deutlich macht: „Schön das Haus und recht der Sinn, wohnt Gottes Segen immer drin!“

Annemarie Weber

„Schön das Haus und recht der Sinn…“ – Ausstellung in der städtischen Galerie im alten Spital, Bad Wimpfen, Hauptstraße 45, 30. Januar bis 25. April 2010, Dienstag-Sonntag 10-12 und 14-17 Uhr.

Schlagwörter: Siebenbürgisches Museum, Kunsthandwerk, Ausstellung

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