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23. August 2008

Kulturspiegel

Zeitzeugen berichten über die blutigste Grenze Europas

Wenn sich die Sonne in den 1970er und 1980er Jahren im Westen neigte, haben viele rumänische Staatsbürger, aber auch manch ein Deutscher aus der DDR die Flucht über die West­­grenze Rumäniens gewagt. Stacheldraht und Wasser, die Donau, Schießbefehl und Folter ha­ben sie nicht abgeschreckt. Der Drang nach Frei­heit war so groß, dass sie ihr Leben riskierten.
Die knapp 1 000 Kilometer lange Westgrenze Rumäniens ist in den 1980er Jahren zur blutigsten in Europa geworden. mehr...

Kommentare

Artikel wurde 4 mal kommentiert.

  • Don Carlos

    1Don Carlos schrieb am 23.08.2008, 09:06 Uhr:
    Die Flucht in die Freiheit – ein großes Thema, reif für Hollywood. Wie viele riskierten ihr Leben, um, oft in letzter Verzweiflung, den Ausbruch aus der Welt hinter Gittern und Stacheldraht zu wagen, aus der Welt des Kommunismus, die für tausend Jahre gefestigt schien?
    Jedes Dorf im grenznahen Banat kennt unzählige Fluchtgeschichten, dutzende allein aus Sackelhausen (dokumentiert in „Sackelhausener Heimatblatt“ bzw. homepage: sackelhausen.eu) , erfolgreiche und höchst tragische!
    Seit der Nachkriegszeit strebten die Menschen zur Freiheit hin – und mancher, der nicht mehr an politische Veränderungen glaubte, blind losrannte oder sich in die Fluten stürzte, bezahlte das verwegene Wagnis mit seinem Leben!
    Als ich meine jüngste Zeitdokumentation erarbeitete und darin Jahre politischer Opposition aus meinem Unfeld festhielt, drängte sich das Thema geradezu auf, weil es auch ein Teil meiner Jugend war. Damals wagte ich den Ausbruch in die Freiheit in einem spontanen und unüberlegten „Verzweiflungsversuch“ und kam dabei fast um.
    Die Abläufe, Hintergründe, die subjektiven Implikationen und die objektiven Fakten machen aus jedem Einzelschicksal einen Fall, einen realistischen Roman, wo das Abenteuer und das Erlebte echt sind, wenn man es denn überlebt. Mir war das Glück hold. Später kam ich über politische Aktionen (SLOMR) frei – andere Wagemutige scheiterten unter den Schiffschraube des Patrouillenboots in den Donauwellen (Bekannte aus Sackelhausen, dazu noch „genuine“ Rumänen) oder mit einer Kugel in der Brust im Maisfeld.
    Als Zeitzeuge und Historiker halte ich es für eine staatsbürgerliche Pflicht, diese Anklage gegen das gesamte kommunistische System hinter dem Eisernen Vorhang für alle Zeiten schriftlich festzuhalten.
    Manches Verbrechen der Kommunisten gegen die Menschlichkeit wurde deshalb in der „Symphonie der Freiheit“ dokumentiert (Quelle – keine Eigenwerbung!) und bereits in einer Vorablesung vor mehr als 150 Personen in Reutlingen öffentlich bekannt gemacht – etwa der Fall des Freundes Horst Philip aus dem Grenzort Nero, der zusammen mit seiner schwangeren Frau Ildiko bei einem Fluchtversuch an der Donau unter rätselhaften Umständen ums Leben kam – dreifacher Mord, ohne Sühne.

    Da solche Fälle nie in Vergessenheit geraten dürfen, begrüße ich die Erscheinung des hier präsentierten Buches „Die Gräber schweigen“ mit Nachdruck. Band zwei sollte bald folgen – und bald noch mehr Bände, nach Möglichkeit professionell aufgearbeitet, mehr wissenschaftlich als reißerisch. Walter Kempowski hat mit „Echolot“ (inzwischen ca. 10 dicke Bände ?), dass solche Projekte möglich und sinnvoll sind.

    Das Leben schreibt auch die schönsten Abenteuer-Geschichten – viele filmreif! Die Musiker der Temeswarer Rock Band „Phönix“ (heute Transsylvania-Phönix?) flohen seinerzeit im „Instrumentenkasten“ – gute Freunde flohen im Boot und schrieben mir aus dem deutschen Grenzstädtchen „Freilassing“ eine erste Postkarte.
    Ein anderer Bekannter aus Nitzkydorf verstaute die auf 45 Kilo abgemagerte Freundin im Manta-Bezintank, fiel aber an der Grenze auf, weil die andere Sprit-Leitung ausfiel.
    Andere Flüchtlinge fielen auf „Schlepper“ rein – und landeten mit mir in der Gefängniszelle von Popa Sapca in Temeschburg, zufällig mit einem straffällig geworden „Grenzoffizier“ der rumänischen Armee, der sich ungeniert damit brüstete, an der Grenze minderjährige Kinder vor den Augen ihrer Eltern mit dem Gewehrkolben malträtiert und gequält zu haben.
    Einige solcher zum Himmel schreiender Ungerechtigkeiten und Schweinereien des Kommunismus habe ich – neben eder eigenen Fluchtepisode – in dem zweiten, noch nicht veröffentlichten Band meines Werkes festgehalten.
    Die gesamte Fratze des Kommunismus schaut aus jenen Verbrechen hervor.

    Vor wenigen Wochen erreichte mich die Büchersendung eines verdienten Historihers (Mitglied der Tismaneanu-Kommission)aus Bukarest „ als Einschreibebrief mit Rückschein“!. Weshalb wohl?

    Darin war der wissenschaflich erstellte Band: „Chronologie und Geographie der kommunistischen Unterdrückung in Rumänien“ aus der Feder des Historikers Romulus Rusan von der Fundatia Academica Civica und vom Memorial Sighet - ins Deutsche übertragen und mit Erläuterungen versehen von Hans Bergel, 2008.
    Romulus Rusan beziffert die Opfer der Kommunistischen Diktatur auf 2 Millionen Menschen; die indirekten Opfer sogar auf das drei- bis vierfache dieser Zahl. Auch der „Raport Final zur Analyse der Diktatur in Rumänien“, wo die kommunistische Weltanschauung als „illegitim“ und „verbrecherisch“ gebrandmarkt wird, kennt diese Zahlen.
    In dem gerade veröffentlichten Buch über die „blutigste Grenze“ Osteuropas bekommen viele anonyme Fälle ein Gesicht – und werden greifbar mit Hinweisen auf auf die Täter.
    (Eigentlich wollte ich mich "nunmehr mit weiteren Kommentaren zurückhalten" – doch die Notwendigkeit, bestimmte Fakten mitzuteilen, zwingt mich zu dieser Niederschrift. Den Zeitpunkt jenes "Offenen Briefs", auf den ich vehement antworten musste, hatte ich mir auch nicht ausgesucht.

    Jeder Staatsbürger, der von Verbrechen weiß und erfährt, muss diese Anzeigen, ohne zum Denunzianten zu werden – Schweigen aber ist Mittäterschaft!)



    [Beitrag am 23.08.2008, 09:18 von Don Carlos geändert]
  • rio

    2 • rio schrieb am 23.08.2008, 14:58 Uhr:
    Danke Don Carlos für die wahren Worte und die zutreffende Charakterisierung des Systems, für die Nennung der Greueltaten der kommunistischen Schlächter. Die Wahrheit muss ans Licht, es ist Zeit dafür und es geht nicht an (auch hier im Forum) dass ein solch brutales System verharmlost und dessen Helfershelfer als Unschuldslämmer oder sogar als Helden dargestellt und die Opfer verhöhnt werden. Es war ein System welches über Leichen ging und vergleichbar mit den schrecklichen Diktaturen Pinochets oder Videlas. Und das Traurige daran ist, dass es viele Leute gibt, die sich nach jenen Zeiten zurücksehnen. Hoffentlich vergeblich!
  • S.IRENE

    3S.IRENE schrieb am 23.08.2008, 23:17 Uhr:
    Dazu einige Links für Interessierte:

    http://www.memorialsighet.ro/ro/default.asp

    http://www.corneliu-coposu.ro/

    http://www.iiccr.ro/

    http://www.cnsas.ro/misiunea.html

    http://www.presidency.ro/static/ordine/RAPORT_FINAL_CPADCR.pdf
  • gloria

    4gloria schrieb am 23.08.2008, 23:22 Uhr:
    Endlich,endlich wird auch in diesem Forum über die Greueltaten aus der kommunistischen Zeit berichtet.Ich habe gute Freunde,sie versuchten über die "grüne Grenze" ihr Glück - unmenschlich wurden sie von der rumänischen Grenzsoldaten behaldelt.Geschlagen bis zur Besinnungslosigkeit,eingesperrt und gezeichnet physisch und psychisch für ihr ganzes Leben.Und wie viele gibt es denen solches oder noch Schlimmeres widerfahren ist.

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