2. Juli 2002

Begegnungen in eindrucksvollem Land

Studienreise nach Rumänien mit Dr. Michael Kroner. Eine siebenbürgische Teilnehmerin aus England berichtet.
Ein ungewohnter Schnaps, genossen nach dem Mittagessen auf einer zauberhaften Bauernwiese, und plötzlich erklärt man sich dazu bereit, einen Reisebericht zu schreiben, wenn man wieder daheim ist und ohne Schnaps und ohne Wiese auf den blanken Bildschirm starrt.

Natürlich könnte ich gleich zu schildern beginnen, wie das perfekte Zusammenspiel von Wetter, Besichtigungen und Hotels die gesamte Reise zu einem wunderschönen Erlebnis machte, und kurzerhand nur noch die Besichtigungsorte aufzählen, um danach davon auszugehen, dass alle Daheimgebliebenen vor lauter Neid platzen. Da meine lieben Mitreisenden und ich aber gerade auf dieser Rumänienreise vom 24. Mai bis 7. Juni genug mit Geschichtsverfälschung konfrontiert wurden (im Vermeiden des Wortes „Sächsisch“ in Bezug auf geschichtliche Daten ist man in Rumänien wohl Weltmeister), werde ich mich so weit wie möglich an die harten Fakten halten.
Schäßburg - Blick vom Stundturm auf die Unterstadt. Foto: Julia Schönheinz
Schäßburg - Blick vom Stundturm auf die Unterstadt. Foto: Julia Schönheinz

Zunächst ein Wort zum Wetter: Petrus war nicht unser Freund. Ob es damit zusammmenhängt, dass kein Nationalgericht nach ihm benannt ist (siehe Palukes – von Paul und Lukas) mag dahingestellt bleiben. Der Regen und der für diesen Fall erfundene Schirm waren auf jeden Fall unsere ständigen Begleiter.

Und wir verschwendeten keine Minute: angefangen mit einer Kutschenfahrt in die Puszta, über Städtebesichtigungen in Bistritz, Kronstadt, Schäßburg, Hermannstadt, Klausenburg u. a., bis hin zu Besuchen von Klöstern in der Bukowina und von Kirchenburgen in ganz Siebenbürgen. Es ist der sorgfältigen Planung von Dr Kroner und dem Durchhaltevermögen unseres Busfahrers zu verdanken, dass wir so vieles zu Gesicht bekamen. In einigen Fällen sammelten wir daher leider nur flüchtige Eindrücke, andererseits aber erlebten wir immer wieder unvergessliche Momente, wie das spontane Orgelspiel in der Schwarzen Kirche von Kronstadt, oder Tatjana und Veronica, die beiden Ordensschwestern, die uns jeweils in ihrer persönlichen Art die Klöster von Moldovita und Sucevita zeigten. Beeindruckend war sicher für alle auch die Kirchenburg von Tartlau und der ausgiebige Rundgang innerhalb der Mauern, wobei alle das Volumen der Speckkammern bestaunten.

Die Ankunft in Städten wie Kronstadt oder Hermannstadt, und dann der erste Blick aus dem Hotelzimmer auf die historischen Dächer, der Glanz und Stolz der alten Häuser, der die Unmasse hässlicher Hochhäuser relativierte, solche Erfahrungen haben mir die Reise wertvoll gemacht.

Natürlich besuchten die Mitreisenden viele der Orte und Städte mit mehr als nur kulturhistorischem Interesse. Die Begegnung mit den Geburts- und Kindheitsstätten weckte kostbare Jugenderinnerungen. Momente, in denen dann mancher zum Mikrophon des Buses griff und Geschichten und Anekdoten, Trauriges und Heiteres aus seinem Leben in Siebenbürgen erzählte und uns alle damit berührte.

Abends hörte man oft Schilderungen, in denen der städtebauliche Wandel der alten Heimatstadt lebhaft zur Sprache kam. Manche waren über 30 Jahre nicht mehr dort gewesen. Es waren gerade diese Erzählungen, die die Reise für mich und andere, die zum ersten Mal nach Siebenbürgen kamen, so spannend und zugleich bewegend machte. Die rumänische Reiseleiterin vermittelte meines Erachtens nicht immer genug Hintergrundinformationen zu unseren Reisezielen. Hätte ich mich nicht aufgrund meines Studiums so eingehend mit sächsischer Geschichte befasst, wären mir wohl einige Fragen offen geblieben. Oft half es aber auch, wenn Dr. Kroner die Informationen historisch ergänzte.

Da unsere Reise von Ungarn angefangen, in die Bukowina und anschließend quer durch Siebenbürgen führte, und wir in verschiedenen Städten übernachteten, seien auch die Hotels kurz erwähnt. Ich war von dem Standard der Zimmer, der Qualität des Essens und der Freundlichkeit des Personals angenehm überrascht. Etwaige Liftausfälle waren nur für diejenigen, die wirklich gerne Treppen steigen (in Hermannstadt z. B. bedeutete es für die meisten einen Fußmarsch in den zehnten Stock) kein Problem - obwohl dies natürlich ein Ausgleich war für den Genuss von Speck und anderem Kalorienreichen, das wir beim mittäglichen Picknicken zu uns nahmen.

Michael Kroner hat mit dieser Reise nun schon zehn Gruppen nach Siebenbürgen geführt, und ich kann nur hoffen, dass er seine Drohung, mit diesem Jubiläum zum letzten Mal gefahren zu sein, nicht wahr macht. Denn gerade auch jüngere Siebenbürger, die noch nie im Heimatland ihrer Eltern oder Großeltern waren, könnten auf diese Weise einen fantastischen Anstoß erhalten, sich mehr mit der Geschichte dieses eindrucksvollen Landes zu beschäftigen. Ich für meinen Teil plane schon meine nächste Reise nach Siebenbürgen.

Julia Schönheinz


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 10 vom 30. Juni 2002, Seite 13)

Schlagwörter: Reisebericht

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