17. Juli 2012

"Rekonfiguration der rumänischen Innenpolitik" ruft EU auf den Plan

Die Innenpolitik der interimistischen Regierung von Premier Victor Ponta sorgt europaweit für Aufsehen. Zuletzt wurde von Seiten der EU-Kommission sogar die Möglichkeit einer Suspendierung der rumänischen EU-Mitgliedschaft lanciert.
Für den rumänischen Außenminister handelt es sich um ein Kommunikationsproblem zwischen Regierung und dem Ausland. Andrei Marga erklärte kürzlich, das Regierungsbündnis Sozialliberale Union (USL) müsse die begonnene „demokratische Rekonfiguration“ in Rumänien nach außen besser erklären. Die Geschwindigkeit der getroffenen Maßnahmen habe außerhalb des Landes für Verwunderung gesorgt, diese seien jedoch unter Beachtung des rechtlichen Rahmens, der Verfassung und der parlamentarischen Regularien erfolgt.

Auslöser für die Besorgnis im Ausland waren vor allem die Absetzung der Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern und deren Ersatz durch USL-Mitglieder sowie die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Staatspräsident Traian Băsescu Anfang Juli. Im Senat musste Vasile Blaga (PDL) am 3. Juli seinen Platz freimachen für den nationalliberalen Crin Antonescu (jetzt interimistischer Präsident, den Senatsvorsitz hat übergangsweise Petru Filip inne). Auf Antrag der USL wurde Roberta Anastase (PDL) am selben Tag als Parlamentspräsidentin abgewählt, ihr Nachfolger ist Valeriu Zgonea (USL).

Suspendierung von Präsident Băsescu

Nur wenige Tage später, am 6. Juli, folgte die erwartete Parlamentsinitiative zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Staatspräsidenten Traian Băsescu (diese Zeitung berichtete). Für das Amtsenthebungsverfahren stimmten 256 Abgeordnete, nötig gewesen wären 217. 114 Abgeordnete stimmten dagegen. Den entsprechenden Antrag hatte die USL, bestehend aus der Sozialdemokratischen Partei (PSD), den Nationalliberalen (PNL) und der Konservativen Partei (PC), eingebracht.

Offiziell wurde dem Präsidenten die Überschreitung seiner Amtsbefugnisse angelastet, die Beeinflussung der Justiz und fehlende Überparteilichkeit. Das Verfassungsgericht hatte zuvor befunden, dass die von der USL vorgebrachten schwerwiegenden Verfassungsverletzungen nicht nachweisbar seien, aber zwei Punkte als Amtsüberschreitungen gelten könnten. Der Beschluss hat keine bindende Wirkung.

Băsescu nun sein Amt nach dem Parlamentsentscheid ruhen lassen. Interimistisch vertritt der nationalliberale Senatspräsident Crin Antonescu derzeit das Land. Innerhalb von 30 Tagen muss laut Verfassung eine Volksabstimmung organisiert werden, in der die Wähler über das Schicksal des Präsidenten entscheiden. Das Referendum ist für den 29. Juli geplant.

Respektiert Ponta die Entscheidungen des Verfassungsgerichts?

Verwirrung gab es anfangs über den Abstimmungsmodus. Ponta erließ einen Tag vor der Abstimmung im Parlament eine Dringlichkeitsverordnung, wonach für ein gültiges Referendumsergebnis eine einfache Mehrheit der Wähler reichen würde. Kurz darauf entschied das Verfassungsgericht, dass das Referendum nur gültig sei, wenn eine Wahlbeteiligung bei 50 Prozent plus einer Stimme aller Wahlberechtigten erreicht wird.

Neuer Streit scheint vorprogrammiert, wenn nicht die erforderliche Mehrheit der auf den Wahllisten stehenden Bürger zur Abstimmung erscheint. Denn Umfragen zufolge würde derzeit eine klare Mehrheit für die Absetzung von Băsescu stimmen und das ist das erklärte Ziel des Duos Ponta-Antonescu. Zur derzeitigen Politik passt die Ankündigung des Vorsitzenden der sozialdemokratischen Senatoren, Ilie Sârbu – der Schwiegervater von Ponta – die USL denke über eine Ausdehnung des Referendums auf zwei Tage nach, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, die nötige Wahlbeteiligung zu erreichen. Zudem beabsichtigt die Regierung, die Zahl der Wahllokale im Ausland von 300 auf die Hälfte zu reduzieren. Warum? Bei der Präsidentschaftswahl 2009 profitierte Băsescu von den Stimmen vieler Auslandsrumänen.

Internationale Politiker zeigen sich derweil besorgt über die politischen Entwicklungen in Rumänien (diese Zeitung berichtete). Der Europarat gab bei der so genannten Venedig-Kommission eine Untersuchung zum Amtsenthebungsverfahren gegen den rumänischen Staatspräsidenten in Auftrag, die klären soll, ob das Verfahren mit den Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat vereinbar ist. Die EU-Kommission verschob angesichts der jüngsten Ereignisse die Veröffentlichung ihres Jahresberichts zur Situation in Rumänien auf Ende Juli. Sogar die Suspendierung der EU-Mitgliedschaft wurde als mögliche Sanktionsmaßnahme gegen Rumänien verbreitet.

Internationale Besorgnis

Mitte des Monats reiste Ponta nach Brüssel zum Rapport bei EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso, um mit diesem über die Lage in Rumänien zu sprechen. Barroso gab dem Premier einen Forderungskatalog mit auf den Weg, der die wichtigsten EU-Positionen enthält: Achtung der Unabhängigkeit der Justiz sowie deren Entscheidungen durch die rumänische Regierung, Wiederherstellung der Befugnisse des Verfassungsgerichtes, Einsetzung eines Ombudsmannes zur Bekämpfung der Korruption sowie transparente Verfahren zur Ernennung von Generalstaatsanwalt und des Direktors der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA. Die Kommission verlautbarte nach dem Treffen, Ponta habe die Erfüllung der Forderungen zugesagt. Wenig später in Bukarest wies Ponta diese Darstellung zurück: er habe in Brüssel keine Versprechungen gemacht. Unterstützung bekam er von Interimspräsident Crin Antonescu, der Kritik aus dem Ausland an dem Absetzungsverfahren harsch zurückwies.

Dass die Sorgen der EU-Kommission nicht unbegründet sind, zeigt der jüngste Skandal auf dem Bukarester Politikparkett. Mitarbeiter der DNA erhoben am 11. Juli Anklage gegen George Bălan, Mitglied des Obersten Magistraturrates, der die Tätigkeit von Anwälten und Richtern überwacht. Nach Medienberichten soll Bălan Ponta mit dem Ziel kontaktiert haben, im Herbst die Nachfolge von Generalstaatsanwältin Laura Kövesi anzutreten. Außerdem soll Bălan nach Medienberichten vom Geheimdienst des Innenministeriums kompromittierendes Material über Transportminister Ovidiu Silaghi (PNL) angefordert haben, um die Zustimmung der PNL-Führung zu erhalten. Involviert ist neben Bălan ein Berater des Magistraturrates, Marcel Sâmpetru, der den Vorsitz der DNA anstrebt.

Das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) gibt sich diplomatisch, was die jüngsten politischen Entwicklungen angeht. DFDR-Vorsitzender Klaus Johannis forderte auf, am Referendum teilzunehmen, ohne eine konkrete Stimmempfehlung abzugeben. Nach seiner Auffassung sind einige der Reaktionen im Ausland übertrieben, was unter anderem auf eine mangelnde Informationspolitik der Regierungsparteien zurückzuführen sei.

Der Hang zur Kontrolle wichtiger Institutionen ist allen politischen Parteien in Bukarest gemein und keine Spezialität der USL, das zeigt ein Blick in die Geschichte. Der an die USL gerichtete Vorwurf, demokratische Spielregeln im eigenen Machtinteresse außer Kraft zu setzen, greift bei den jetzigen Entwicklungen aber zu kurz. Wir erinnern uns: 2009 ignorierte der theoretisch zur Parteiunabhängigkeit verpflichtete, praktisch aber der PDL-nahestehende, Präsident Băsescu die Parlamentsmehrheit, die Klaus Johannis als unabhängigen Kandidaten für das Amt des Premierministers vorgeschlagen hatte. Stattdessen wurde Emil Boc (PDL) Premier.

Holger Wermke

Schlagwörter: Politik, Regierung

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