22. November 2012

Trügerische Ruhe vor Parlamentswahlen in Rumänien

Am 9. Dezember wird in Rumänien ein neues Parlament für die nächsten vier Jahre gewählt. Im seit gut zwei Wochen laufenden offiziellen Wahlkampf hielten sich die politischen Parteien anfangs mit scharfen Attacken zurück. Im Sommer war die regierende Sozialliberale Union (USL) noch mit aggressiver Rhetorik gegen den politischen Gegner aufgefallen. Aus dem USL-Lager kommen nun vermehrt kritische Äußerungen gegenüber der Europäischen Union, nachdem diese Rumänien wiederholt ermahnt hat, Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und demokratische Prinzipien zu wahren. Rumänien sei wegen der jüngsten politischen Ereignisse kein Rechtsstaat, stellte Staatspräsident Traian Băsescu am 12. November in seiner ersten Rede nach der gescheiterten Volksabstimmung fest. Er kritisierte Regierung und Parlament für die „fortwährenden Angriffe“ auf die staatlichen Institutionen und die Justiz.
Statt Konfrontation schienen die Spitzen der drei großen Parteien PSD, PNL und PDL zunächst versöhnliche Signale auszusenden. So lud Băsescu die Regierung am 8. November zu einer Konsultation in den Cotroceni-Palast. Sowohl der Präsident als auch Premier Victor Ponta äußerten sich anschließend in professioneller Weise zum Verlauf des Gesprächs, in dem es um den Besuch einer Evaluierungsmission des Internationalen Währungsfonds (IWF), Auflagen des Kooperations- und Kontrollmechanismus der EU, Maßnahmen zur Freischaltung der eingefrorenen Strukturfonds und die stockende Privatisierung von Staatsunternehmen ging.

Geräuschlos einigte man sich auch bezüglich der Teilnahme am EU-Sondergipfel am 22. und 23. November, wo über den Haushalt der Union für 2014-2020 beraten wird. Präsident Băsescu wird Rumänien diesmal vertreten und lehnt, ähnlich wie Ponta, die geplante Kürzung der EU-Mittel für Rumänien ab. Während Ponta den Präsidenten öffentlich auffordert, mit einer Vetodrohung in die Verhandlungen zu gehen, bevorzugt Băsescu einen EU-freundlichen Kurs.

Mitglieder der Regierungskoalition, darunter der Kurzzeit-Präsident Crin Antonescu, polemisieren derweil heftig gegen „Einmischungen“ aus dem Ausland in innerrumänische Angelegenheiten. Interne Zielscheibe der USL ist unter anderem der Leiter der Integritätsbehörde ANI, Horia Georgescu, der über den „aggresivsten politischen Druck“ seit Gründung der ANI klagt. Seine für Korruptionsbekämpfung zuständige Behörde ermittelte gegen die Minister Eduard Hellvig, Liviu Pop und Ovidiu Silaghi und den stellvertretenden Generalsekretär der Regierung, Dan Michalache, der zurücktrat und von der 27-jährigen Andreea Lambru ersetzt wurde. Für Aufsehen sorgte der rumänische Senat, der sich dem Antrag der ANI widersetzte, dem nationalliberalen Senator Mircea Diaconu wegen Unvereinbarkeit das Senatorenmandat zu entziehen.

USL liegt in Umfragen vorne

Der nationale, EU-feindliche Diskurs der sozialliberalen Regierung scheint die Wähler nicht zu stören. Jüngste Umfragen zeigen, dass die USL bei den Wahlen auf eine deutliche Mehrheit (57 Prozent) und damit auf eine Legitimierung ihrer bisherigen Politik hoffen kann. An diesem Trend konnte auch die Gründung der Allianz Rechtes Rumänien (Alianța România Dreaptă – ARD), ein Wahlbündnis der Liberaldemokraten (PDL), der Partei der Bürgerlichen Kraft (PFC) und der Bauernpartei (PNȚCD), nichts ändern. Sie liegt laut IMAS-Umfrage bei 16 Prozent, die Partei PP-DD des skandalträchtigen Besitzers des TV-Senders OTV, Dan Diaconescu, bei 15 Prozent und der Ungarnverband bei 6,4 Prozent.

Holger Wermke

Schlagwörter: Politik, Parlamentswahlen

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